5 Jahre Pandemie Konzertveranstalter: Produktionen kosten 40 Prozent mehr als vor Corona
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11. März 2025, 14:28 Uhr
Vor fünf Jahren, am 11. März 2020, erklärte die WHO Covid-19 offiziell zur Pandemie. Kurze Zeit später folgte der erste Lockdown in Deutschland – mit einschneidenden Folgen auch für die Kultur. Wir haben Künstler wie Sebastian Krumbiegel von den Prinzen und Claudius Dreilich von Karat, Konzertveranstalter sowie einen Wissenschaftler gefragt: Wie blicken sie auf Corona zurück? Wie hat die Pandemie Live-Konzerte verändert? Und: Was haben sie aus den Lockdowns gelernt?
- Veranstalter sorgen sich mit Blick auf die gestiegenen Kosten seit der Corona-Pandemie und fordern bessere politische Zuständigkeiten.
- Karat-Sänger Claudius Dreilich und Sebastian Krumbiegel von den Prinzen werden um mehr Verständnis füreinander.
- Um auf künftige Pandemien vorbereitet zu sein, wird an der Uni Halle zum Infektionsrisiko auf Großveranstaltungen geforscht.
Kulturakteure und Veranstalter sehen immer noch deutliche Folgen für die Branche durch die Corona-Pandemie. Das hat eine Recherche von MDR KULTUR ergeben. Johannes Everke, Geschäftsführer des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV), teilte auf Nachfrage mit, die Branche habe zwar Resilienz bewiesen und sei in der kollektiven Corona-Erfahrung enger zusammengerückt. Aber an vielen Stellen seien seit Corona finanzielle Reserven aufgebraucht.
Es ist deutlich weniger Personal da. Es ist vielleicht auch ein bisschen ungemütlich, vielleicht auch nicht so gut beheizt.
Veranstalter-Bilanz: 40 Prozent höhere Produktionskosten
"Seit Corona und den darauffolgenden Multikrisen sind die Produktionskosten um 40 Prozent gestiegen, Personalkosten und Künstlerhonorare haben sich teilweise mehr als verdoppelt", sagte Everke. Das liege neben Inflation, Energie- und Logistikkosten auch daran, dass Fachkräfte zeitweise abgewandert und erst zu höheren Preisen zurückgekommen seien. Der BDVK-Geschäftsführer forderte daher "stabile Rahmenbedingungen, die die Besonderheiten der Branche anerkennen".
Darum geht es auch den Geschäftsführern der Quarterback-Immobilien-Arena in Leipzig. Einer von ihnen ist Matthias Kölmel. Er fordert für die Branche "klare und konkrete Ansprechpartner auf kommunaler, Landes- und Bundesebene". Auf der Veranstalterseite habe sich bereits das Forum Veranstaltungswirtschaft formiert. Nun bedürfe es ebenso klarer Ansprechpartner auf politischer Ebene.
Karat-Sänger fordert bessere Kommunikation
Auch der Sänger Claudius Dreilich von Karat nimmt die gestiegenen Produktionskosten in der Branche wahr. "Es ist deutlich weniger Personal da. Es ist vielleicht auch ein bisschen ungemütlich, vielleicht auch nicht so gut beheizt", sagte Dreilich zu den aktuellen Erfahrungen von Karat bei Konzerten. Spürbar sei zudem, dass weniger Bühnentechniker vor Ort seien. Viele von ihnen hätten sich während der Pandemie neue Jobs gesucht.
Mit besonderem Missmut beschreibt Claudius Dreilich zudem die Gräben, die zwischen Künstlerinnen und Künstlern entstanden seien und die bis heute fortdauerten – vor allem durch das Thema Impfen: "Es gab da wirklich deutlich verschiedene Meinungen. Da sind Freundschaften daran zerbrochen. Auch wir haben Freunde verloren auf dem Weg."
Diese gesamtgesellschaftliche Verhärtung in der Auseinandersetzung sei für Karat auch heute noch spürbar: "Das ist keine Streitkultur mehr. Das ist ein Anfeinden und das tut uns allen Menschen nicht gut." Claudius Dreilich betont, dass eine Lehre aus den vergangenen fünf Jahren sei, bei künftigen Pandemien mehr darauf zu achten, wie man einander begegne.
Sebastian Krumbiegel für Versöhnung
Sebastian Krumbiegel von den Prinzen teilt viele dieser Erfahrungen. Er sagt, auch die Prinzen merkten, dass "Angebot und Nachfrage den Markt" bestimmten und dass "das alles viel teurer geworden ist".
Krumbiegel zieht vor allem kommunikative Lehren aus der Pandemie: "Ich habe damals auch Leute verurteilt, die sich nicht haben impfen lassen. Und da möchte ich mich echt an die eigene Nase fassen, dass wir da zu dolle waren", so Krumbiegel im Gespräch mit MDR KULTUR. Rückblickend sieht er in der Pandemie auch einen Beschleuniger "für alle Probleme, die wir sowieso haben". Seine Folgerung ist, dass "wir alle miteinander viel mehr Versöhnung brauchen." Der Sänger will dafür werben, mit Leuten zu reden, die anderer Meinung sind.
Wir brauchen alle miteinander viel mehr Versöhnung.
Forschung soll Branche stärken
Um die Veranstaltungsbranche auf künftige Pandemien besser vorzubereiten, wird an der Universität Halle zum Infektionsrisiko auf Großveranstaltungen geforscht. Stefan Moritz, Infektiologe von der Uniklinik Halle, sagte MDR KULTUR: "Je besser die Datengrundlage ist, die wir jetzt schaffen, desto besser können dann im erneuten Fall Entscheidungen getroffen werden."
Er wolle die Erkenntnisse aus seiner Forschung in diesem Jahr zu einem neuen Modell zusammenführen, um noch bessere Aussagen zu Großveranstaltungen treffen zu können. Dafür brauche er mehr Daten. Die Erhebung erweise sich jedoch als schwierig: "Es zeigt sich mit zunehmendem Abstand zur Pandemie, dass das Interesse an solcher Forschung abnimmt", so Moritz. Gerade bei den großen Akteuren der Branche sei weniger Engagement zu finden. Umso mehr freue er sich über die Zusammenarbeit auf lokaler Ebene mit der Quarterback-Immobilien-Arena in Leipzig, der Känguruh Production Konzertagentur mit Sitz in Halle, aber auch mit dem Werk 2 in Leipzig.
Mehr über die "Restart"-Forschungsprojekte (zum Aufklappen)
Der Infektiologe Stefan Moritz von der Uniklinik Halle untersucht seit 2020, wie groß das Ansteckungsrisiko bei Großveranstaltungen wie Live-Konzerten während einer Pandemie ist. Das erste Forschungs-Konzert unter dem Titel "Restart" gab es mitten im Lockdown mit Tim Bendzko in der Quarterback-Immobilien-Arena in Leipzig. Bei "Restart-2.0" ging es im Puppentheater Halle um Belüftungsanlagen. Für "Restart-3.0" stand die Leipziger Band Die Prinzen im Steintor-Varieté in Halle auf der Bühne. Dabei wurden Kontakte zwischen den Teilnehmern von Stehkonzerten gemessen und analysiert. Die Ergebnisse aus den drei Studien sollen in diesem Jahr neu modelliert und später veröffentlicht werden.
Auch Sebastian Krumbiegel hat mit den Prinzen während der Corona-Pandemie die Forschung von Infektiologe Stefan Moritz unterstützt und eines von drei Konzert zu Forschungszwecken gegeben: "Das war spannend da mitzumachen. Wir haben das total gerne gemacht", so Krumbiegel.
Für die Geschäftsführer der Arena Leipzig war das erste dieser "Restart"-Projekte während der laufenden Corona-Pandemie etwas, das sie nicht vergessen werden. Der organisatorische Aufwand sei bis zum Gelingen des Ganzen enorm gewesen: "Wir hoffen mal, dass wir das nie mehr machen müssen. Aber wenn, dann machen wir wieder mit", so Matthias Kölmel.
Quelle: MDR KULTUR (Ole Steffen)
Redaktionelle Bearbeitung: ost, hki, lm
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Kultur am Morgen | 11. März 2025 | 06:15 Uhr