Zustand der Bundeswehr Wehrbeauftragte: Massiver Personalmangel und desaströse Kasernen
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11. März 2025, 17:17 Uhr
Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl, bescheinigt der Bundeswehr einen massiven Personalmangel und bemängelt den teilweise sehr schlechten Zustand von Kasernen und Liegenschaften. Sie fordert nun entschlossene Schritte.
- Wehrbeauftragte: Kernauftrag der Bundeswehr verändert
- Hoher Investitionsbedarf für Infrastruktur der Bundeswehr
- Ja zu Wehrdienst-Modell von Pistorius und verpflichtendem Gesellschaftsjahr
Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl, hat bei der Ausrüstung und personellen Aufstockung der Truppe mehr Tempo angemahnt. "Die personelle, materielle und infrastrukturelle Ausstattung der Bundeswehr muss schnell besser werden", schreibt die SPD-Politikerin in ihrem am Dienstag veröffentlichten Jahresbericht 2024. "Ungeduld ist geboten und Erwartungen sind gerechtfertigt." Die Bundeswehr müsse "vollständig einsatzbereit sein", schreibt Högl vor dem Hintergrund der neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen Deutschlands.
Högl sieht aber, dass es "überall (...) endlich Bewegung" gebe. Die Bundeswehr erhalte mehr Geld und Waffen, auch gebe es Initiativen zur Personalgewinnung und Strukturreformen, um sich auf den Kernauftrag zu fokussieren. "Diese Anstrengungen waren enorm, die Ergebnisse jedoch (noch) nicht überall sichtbar, spürbar oder messbar", schreibt Högl. Sie verglich die Bundeswehr mit einem Tankschiff, das lange Zeit zum Kurswechsel braucht. "Zeit, die wir nicht haben", mahnte Högl.
Wehrbeauftragte: Kernauftrag der Bundeswehr verändert
Ihr Bericht bescheinigt der Bundeswehr in den zurückliegenden fünf Jahren "die wechselvollsten Jahre ihrer fast 70-jährigen Geschichte". In diesen fünf Jahren habe sich der Kernauftrag der Bundeswehr vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hin zur Landes- und Bündnisverteidigung verändert. Die Bundeswehr sei "bereit, durch Stärke potenzielle Aggressoren abzuschrecken". Nun werde daran gearbeitet, die gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen zu bewältigen, die nicht selten auch auf Versäumnissen in der Vergangenheit beruhen.
Damit die deutschen Streitkräfte ihre vielfältigen neuen Aufgaben erfüllen können, mahnt Högl eine auskömmliche finanzielle Grundlage der Bundeswehr an. Im vergangenen Jahr seien nur 50,3 Milliarden Euro aus dem insgesamt 52 Milliarden Euro umfassenden regulären Verteidigungshaushalt genutzt worden. "Das Ministerium sollte in Zukunft sicherstellen, dass zur Verfügung stehende Gelder auch ausgegeben werden", schreibt Högl. Zudem seien rund 19,8 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen bereitgestellt worden.
Hoher Investitionsbedarf für Infrastruktur der Bundeswehr
Das Verteidigungsministerium von Högls Parteigenosse Boris Pistorius könnte künftig noch deutlich mehr Geld zur Verfügung gestellt bekommen. Union und SPD hatten in den Sondierungen zuletzt die Aussetzung der Schuldenbremse für Wehrausgaben über einem Prozent der Wirtschaftsleistung vereinbart. Unklar ist noch, ob die dafür nötige Grundgesetzänderung im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit bekommt. Das Geld wird Högl zufolge dringend benötigt.
Allein im Bereich der Infrastruktur habe der Gesamtinvestitionsbedarf Ende 2024 bei rund 67 Milliarden Euro gelegen. Kasernen und Liegenschaften seien "immer noch teilweise in einem desaströsen Zustand". Es mangele aber auch an funktionstüchtigem Großgerät und Ersatzteilen, was zum Teil auch aus der so wichtigen Abgabe von Material an die Ukraine resultiere, schreibt Högl.
Ja zu Wehrdienst-Modell von Pistorius und verpflichtendem Gesellschaftsjahr
Die Wehrbeauftragte beklagte zudem weiter einen Personalmangel bei der Truppe. Dem eigenen Ziel der Bundeswehr, bis 2031 insgesamt 203.000 Soldatinnen und Soldaten zu haben, sei sie erneut nicht nähergekommen. Ende 2024 habe es 181.174 aktive Soldatinnen und Soldaten gegeben. Das Durchschnittsalter stieg von 32,4 Jahren im Jahr 2019 auf nun 34 Jahre.
Högl befürwortete das von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vorgeschlagene Wehrdienst-Modell. In ihrem Jahresbericht nannte sie es einen "guten und richtigen Vorschlag". Auf Grundlage eines Fragebogens, der von Männern verpflichtend und von Frauen freiwillig ausgefüllt wird, könnten dann die Musterung und Auswahl der geeignetsten und motiviertesten Bewerberinnen und Bewerber erfolgen.
Die SPD-Politikerin betonte, sie befürworte "bereits seit Beginn ihrer Amtszeit" ein sogenanntes Gesellschaftsjahr – also ein verpflichtendes Jahr für junge Frauen und Männer etwa im Umweltschutz, im sozialen Bereich oder bei der Bundeswehr. Die Ampel-Regierung hatte kurz vor ihrem Bruch im vergangenen November Pläne von Minister Pistorius für einen neuen Wehrdienst per Kabinettsbeschluss auf den Weg gebracht. Eine Befassung damit im Bundestag fand dann jedoch nicht mehr statt.
Bericht zeigt auch rechtsextremistische Vorfälle bei Truppe
Högl berichtet in ihrer Jahresbilanz auch von rechtsextremistischen Vorfällen bei der Truppe, die aber nur "eine kleine Minderheit" der Soldatinnen und Soldaten betreffe. So habe es diverse Vorfälle gegeben, bei denen Soldatinnen und Soldaten das umgedichtete Lied "L'amour toujours" mit der Parole "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" gesungen haben – nachdem im Sommer ein ähnliches Video von Urlaubern auf Sylt bekannt geworden war. Die Bundeswehr sei dagegen mit Disziplinarmaßnahmen wie Geldbußen bis zu Entlassungen vorgegangen. Zudem würden einzelne Vorfälle von Bundeswehrangehörigen aufgeführt, die den Hitlergruß gezeigt haben.
dpa,AFP,MDR (mpö)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 11. März 2025 | 11:30 Uhr