Schauspielerin und Autorin "DEFA-Rotkäppchen" Blanche Kommerell feiert 75. Geburtstag
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10. März 2025, 10:52 Uhr
Schon als 12-Jährige spielte Blanche Kommerell in dem DEFA-Klassiker "Rotkäppchen" mit. Später in der DDR-Oscar-Hoffnung "Jakob der Lügner" – bis ihr Biermann-Protest ihre Karriere ausbremste. Doch sie fand neue Wege für ihre Kreativität, schrieb Bücher und kam auch auf die Bühne zurück. 1950 wurde die Schauspielerin und Autorin in Halle (Saale) geboren und feiert jetzt ihren 75. Geburtstag in ihrer Wahl-Heimatstadt Görlitz.
- Die Schauspielerin Blanche Kommerell begleitete ihre Mutter schon als Kind ins Theater, was zu einer dramatischen Situation führte.
- Nach Erfolgen wie mit dem Film "Jakob der Lügner" erhielt sie in der DDR keine Schauspieljobs mehr, weil sie gegen die Biermann-Ausbürgerung protestiert hatte.
- Die Zwangspause führte sie zum Schreiben, sie hat mittlerweile ca. 15 Bücher geschrieben.
"Es war einmal" – mit diesem Satz beginnen Märchen. Und auch am Anfang der Karriere von Blanche Kommerell war er zu hören, im legendären DEFA-Märchenfilm "Rotkäppchen" aus dem Jahr 1962, in dem die damals gerade 12-Jährige die Titelrolle spielte. Eine Aufgabe, für die sie schon einiges an "Bühnenreife" mitbrachte.
Ich war von Geburt an immer im Theater.
Das erste Theater, das Kommerell kennenlernte, dürfte das in Halle an der Saale gewesen sein. In der Stadt kam sie am 10. März 1950 als Kind der Schauspielerin Ruth Kommerell zur Welt. Ihre Mutter zog es nach Berlin ans Maxim-Gorki-Theater, wo nicht nur sie, sondern auch die kleine Blanche für großes Aufsehen sorgte.
Als Kind auf der Bühne
"Ich war kein Kantinenkind, ich durfte immer mit dabei sein, wenn meine Mutter auf der Bühne stand", erinnert sich Kommerell. Dann kam der Tag, als sie im Alter von drei oder vier Jahren in der Seitengasse miterleben musste, wie ihre Mutter in "Die Räuber" den von Schiller vorgeschrieben Bühnentod erleiden musste. Die Folgen beschreibt sie: "Ich schrie und schrie und schrie. So lange und laut, dass der Vorhang runtergehen musste – Danach durfte ich nicht mehr auf die Bühne, nur noch zu den Proben.
"Ich war von Geburt an immer im Theater", sagt Kommerell. Ihr Berufsweg war offensichtlich vorgezeichnet. Und noch bevor sie in Berlin zunächst Germanistik und Musikwissenschaft, später dann aber doch Schauspiel studierte, hatte sie wieder ein paar Drehtage bei der DEFA. Diesmal sogar in den Weiten der jugoslawischen Prärie. 1966 spielte sie an der Seite ihrer Mutter in "Die Söhne der großen Bärin". Mit im Cast ein weiterer "Noch-Nicht-Schauspieler", der mal ein ganz Großer werden sollte: Henry Hübchen.
Erfolg auf der Berlinale
Ein paar Schauspielstudienjahre später haben die beiden dann wieder zusammengespielt: Ein Liebespaar im Warschauer Ghetto in dem legendären Film "Jakob der Lügner". Es war der einzige Film aus der DDR, der jemals für einen Oscar nominiert wurde. Den Goldjungen gab es nicht, dafür aber 1975 einen Silbernen Bären bei der Berlinale. Mit 25 stand die Ostberliner Schauspielerin also im Westen der Stadt auf dem roten Teppich.
Nach dem Erfolg auf der Berlinale dachte ich, dass mein Schauspielerinnenleben so richtig beginnen würde – stattdessen war es zu Ende.
Biermann-Protest mit Folgen
Danach kam es dicke, nicht nur für Kommerell: Sie war befreundet mit dem Drehbuchautor Jurek Becker und protestierte 1976 mit ihm und vielen anderen Künstlern gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann.
"Nach dem Erfolg auf der Berlinale dachte ich, dass mein Schauspielerinnenleben so richtig beginnen würde – stattdessen war es zu Ende", beschreibt Kommerell die Folgen. Ihre Verträge am Maxim Gorki und dem Deutschen Theater wurden gekündigt. Im Rundfunk bescheinigte man ihr zu große Unpünktlichkeit. Für die nächsten zehn Jahre gab es für sie kaum noch etwas zu tun.
Zwangspause führte zum Schreiben
Das war die Zeit, in der sie zu schreiben anfing. Inzwischen gibt es 15 Bücher von ihr, biografisches, traurige Lyrik und lustige Geschichte", wie sie es selber beschreibt. Kommerell gründete in Berlin einen literarischen Salon und tourte mit Lesungen durchs Land. Dann spielte sie an kleinen Theatern in Eisleben und Nordhausen sowie 1988, an der Seite von Corinna Harfouch und Michael Gwisdek, endlich wieder in einem Film: "Die Schauspielerin".
Doch es war zu spät. Nach der Wende kamen für sie, die in der gesamtdeutschen Film- und Theaterbranche kaum jemand kannte, keine Angebote. Zumindest keine, die sie befriedigten. Dafür öffnete sich eine neue Tür.
Theater tief im Westen und ganz weit im Osten
An der Universität Witten-Herdecke im Ruhrgebiet erhielt Kommerell 1990 einen Lehrauftrag für Sprache und Schauspiel und leitet dort bis heute ein Studententheater. Als ihr vor drei Jahren ihre Berliner Wohnung gekündigt wurde, zog sie nach Görlitz, wo es bekanntlich ein Theater gibt. Wo man sie von ihren Lesungen kannte – und wo sie inzwischen wieder auf der Bühne steht.
"Immer wenn man eine Alte braucht", lacht sie und spielt inzwischen sogar in "La Bohéme" mit. In einer stummen Rolle als Muse darf sie da das Bühnengeschehen begleiten und kommentieren. Dazu sagt sie: "Meine Lieblingsoper und ich mit auf der Bühne. Die Kunst bleibt immer lebendig." Und so bleibt Kommerell präsent, ob auf der großen Bühne in Görlitz oder den vielen kleinen überall im Land, die sie weiter mit ihren Lesungen bespielt.
Quelle: MDR KULTUR (Wolfgang Schilling)
Redaktionelle Bearbeitung: op
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 09. März 2025 | 09:40 Uhr