FAQ Wieso ARD und ZDF schon um 18 Uhr wissen, wie die Wahl ausgeht
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26. August 2024, 14:16 Uhr
Wahltag, 18 Uhr: Die Wahllokale schließen gerade und in diesem Moment sind erste Abstimmungszahlen bei ARD und ZDF zu sehen. Deshalb ist die 18-Uhr-Prognose auch immer wieder Gegenstand von Verschwörungserzählungen. Im FAQ beantworten wir, wie Wahlprognosen und Hochrechnungen erstellt werden, welche Methoden dabei zum Einsatz kommen und wie zuverlässig diese sind.
Inhalt des Artikels:
- Woher wissen ARD und ZDF schon um 18 Uhr die Wahlergebnisse?
- Wie zuverlässig ist die 18-Uhr-Prognose?
- Was ist der Unterschied zwischen Prognose und Hochrechnung?
- Wer erstellt die Prognosen und Hochrechnungen?
- Wie können Wählerwanderungen bestimmt werden, wenn die Wahl anonym ist?
- Warum erhalten manche Journalisten und Politiker die Zahlen schon vor 18 Uhr?
Am Wahltag schließen um 18 Uhr die Wahllokale, bis dahin können alle Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben. Erst dann werden die Urnen geöffnet und die Auszählung der Stimmzettel beginnt. Aber wie kann es dann sein, dass bereits um oder kurz nach 18 Uhr konkrete Prozentangaben zu den unterschiedlichen Parteien im Fernsehen, Radio und Online veröffentlicht werden?
Woher wissen ARD und ZDF schon um 18 Uhr die Wahlergebnisse?
Hier ist eine Unterscheidung wichtig: Bei den Zahlen um 18 Uhr handelt es sich um eine Prognose und nicht um das Wahlergebnis. Die Prognose soll eine Verteilung vorhersagen, die dem tatsächlichen Wahlergebnis möglichst nahe kommt. Die Daten dafür werden während des Wahltags durch Nachwahlbefragungen direkt vor einigen Wahllokalen erhoben.
Bei Bundestagswahlen beispielsweise sind vor etwa 400 bis 600 ausgewählten Wahllokalen in ganz Deutschland Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Umfrageinstituten im Einsatz. In diesen Wahllokalen werfen die Wahlberechtigten nicht nur ihren Stimmzettel in die Urne, sondern füllen unmittelbar danach nochmal einen Fragebogen aus.
Darin geben sie erneut an, welche Partei sie gewählt haben, sowie Geschlecht, Alter, Beruf und zum Teil auch, wo sie bei der letzten Wahl ihr Kreuz gemacht haben. Die Teilnahme an der Nachwahlbefragung ist freiwillig und anonym. Die Befragungsdaten werden stündlich von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an das Umfrageinstitut übermittelt.
Bevor aus den Daten der sogenannten "Exit-Polls" die 18-Uhr-Prognose erstellt wird, werden sie gewichtet. Da die Nachwahlbefragung freiwillig ist, können nicht alle Wählerinnen und Wähler nach ihrem Wahlgang erfasst werden, sondern nur diejenigen, die teilnehmen wollen. Die Daten der anderen fehlen und werden mithilfe spezieller Gewichtungsmodelle ergänzt.
Außerdem erhalten die Umfrageinstitute durch die Nachwahlbefragung nur die Stimmen derjenigen, die am Wahltag im Wahllokal erscheinen. Die Stimmabgabe der Briefwähler muss deshalb geschätzt und mit den Befragungsdaten zusammengeführt werden.
Wie zuverlässig ist die 18-Uhr-Prognose?
Bei der Prognose zur Bundestagswahl 2021 wichen die Werte der 18-Uhr-Prognose in der ARD, durchgeführt vom Umfrageinstitut infratest dimap, zwischen 0,8 Prozentpunkten (Union) und 0,1 Prozentpunkten (Die Linke) vom Endergebnis ab. Auch bei der Europawahl 2024 blieben die Abweichungen unter 0,7 Prozentpunkten (ZDF, Forschungsgruppe Wahlen).
Es gibt mehrere Faktoren, die die Genauigkeit der 18-Uhr-Prognose beeinflussen. Ein großer Punkt sind die Briefwahlen. Je mehr Menschen per Brief wählen, desto weniger kommen in die Wahllokale und können befragt werden. Die Zahl der Briefwähler steigt jedes Jahr kontinuierlich an, bei der Bundestagswahl 2021 machte sie mit 47,3 Prozent fast die Hälfte aller Wählenden aus.
Auch nach der Corona-Pandemie bleibt der Briefwahl-Anteil weiterhin hoch, wie die Europawahl im Juni 2024 zeigte. Die Briefwählerinnen und -wähler werden zwar trotzdem in der Prognose berücksichtigt, allerdings als Schätzung, was zu Ungenauigkeiten führen kann.
Die Wahllokale, bei denen die Wahltagsbefragungen stattfinden, werden von den Umfrageinstituten so ausgewählt, dass alle Wählerinnen und Wähler möglichst repräsentativ abgebildet werden: Stadt- und Landbevölkerung, hohe und niedrige Wahlbeteiligung sowie unterschiedliche Wahlergebnisse der Parteien bei vergangenen Wahlen.
Da die Befragung aber freiwillig ist, entscheiden sich nicht alle Wählerinnen und Wähler des Wahlkreises, daran teilzunehmen. Von den übrigen fehlen die Daten. Außerdem könnte es sein, dass die Bereitschaft zur Teilnahme unterschiedlich ist und zum Beispiel mehr Frauen als Männer, überwiegend jüngere anstatt ältere Menschen oder die Wähler einer Partei eher teilnehmen als die einer anderen. Hinzu kommen auch falsche Angaben über die gewählte Partei.
Was ist der Unterschied zwischen Prognose und Hochrechnung?
Im Gegensatz zur 18-Uhr-Prognose basieren die Hochrechnungen auf den tatsächlich abgegebenen Stimmzetteln und nicht auf Befragungen nach der Wahl. Nach Schließung der Wahllokale um 18 Uhr beginnen die Wahlhelferinnen und Wahlhelfer mit der Auszählung. Mitarbeitende der Umfrageinstitute sind währenddessen anwesend und geben den aktuellen Stand der amtlichen Auszählung an das Umfrageinstitut weiter. Je mehr Wahlzettel ausgezählt sind, desto mehr nähert sich die Hochrechnung an das tatsächliche Wahlergebnis an.
Wer erstellt die Prognosen und Hochrechnungen?
ARD und ZDF zeigen in ihren Wahlsendungen jeweils eigene Prognosen und Hochrechnungen. Für die ARD führt das Umfrageinstitut infratest dimap die Nachwahlbefragungen, Prognosen und Hochrechnungen durch. Das Institut ist auf die politische Meinungs- und Wahlforschung spezialisiert. Seit 1996 erforscht infratest dimap für die ARD die Bundestags-, Landtags-, Kommunal- und Europawahlen. Neben der ARD gehören unter anderem Zeitungen, Zeitschriften und Magazine zu den Kunden des Instituts.
Das ZDF arbeitet für seine Wahlsendungen mit der Forschungsgruppe Wahlen e. V. zusammen. Im Gegensatz zu infratest dimap ist die Erforschung von Wahlen, Wählerverhalten, Trends und Stimmungen für das ZDF die Hauptaufgabe des eingetragenen Vereins.
Wie können Wählerwanderungen bestimmt werden, wenn die Wahl anonym ist?
Auch die Wählerwanderung wird mit Hilfe von "Exit Polls" erhoben. Einige Befragte erhalten einen ausführlicheren Fragebogen, auf dem sie neben der gerade gewählten Partei auch die Partei angeben, die sie bei der letzten Wahl gewählt haben. Aus diesen Daten wird dann die Wählerwanderung für die Gesamtbevölkerung errechnet.
Allerdings hat dieses System ein paar Schwächen: Zum Beispiel kann sich mehr als ein Drittel der Wählerinnen und Wähler nicht mehr daran erinnern, wen sie bei der letzten Wahl gewählt haben.
Warum erhalten manche Journalisten und Politiker die Zahlen schon vor 18 Uhr?
ARD und ZDF veröffentlichen die Wahlprognose erst ab 18 Uhr. Allerdings erhält ein kleiner, ausgewählter Kreis von Journalistinnen und Journalisten sowie Politikerinnen und Politiker bereits gegen 17 Uhr eine Art Vorprognose, um beispielsweise Sendungen, Grafiken und Statements für die Veröffentlichung um 18 Uhr vorzubereiten. Diese Daten zeichnen jedoch zunächst nur einen Erwartungskorridor ab, welche Prozentpunkte die Parteien in etwa erreichen. Gegen 17:45 Uhr gibt beispielsweise das Umfrageinstitut infratest dimap dann konkretere Prognosezahlen weiter, die schließlich um 18 Uhr veröffentlicht werden.
Bis dahin sind die Zahlen streng vertraulich. Wer die Wahlprognose vor 18 Uhr veröffentlicht, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro geahndet werden kann. Denn: Bis 18 Uhr sind die Wahllokale geöffnet und die Wählerinnen und Wähler könnten von den Zahlen noch in ihrer Wahlentscheidung beeinflusst werden.