Kinder arbeiten im Unterricht auf ihren Tablets. 7 min
Ab dem nächsten Schuljahr werden Schulkinder in Thüringen im neuen Fach Medienbildung und Informatik unterrichtet. Bildrechte: IMAGO / Funke Foto Services

Neues Schulfach "Medienbildung und Informatik" Medienkunde ist Bildungsauftrag

14. Juni 2024, 00:11 Uhr

Mit dem neuen Schuljahr 2024/25 gibt es in Thüringen ein neues Schulfach: Es heißt Medienbildung und Informatik und soll an allen 370 Schulen im Freistaat den Schülerinnen und Schülern ab Klasse fünf grundlegendes Wissen in Sachen Medienbildung vermitteln.

Cybermobbing, Urheberrecht und Datenschutz: Medienbildung ist längst schon in allen Bundesländern zumindest hin und wieder Bestandteil des Unterrichts. Was bisher insbesondere sporadisch und fächerübergreifend bereits ab der Grundschule ein grundlegendes Verständnis für den Umgang mit Medien schaffen soll, wird für Fünft- bis Zehntklässler in Thüringen zum fest verankerten Unterrichtsfach.

Für sie steht ab sofort "Medienbildung und Informatik" fest im Lehrplan. Damit avanciert Medienkunde in Thüringen nach Bayern, Baden-Württemberg, Saarland und Mecklenburg-Vorpommern zum klaren Bildungsauftrag.

Mehrere Kinder sitzen nebeneinander vor Computern und spielen Videospiele.
Manche Lehrer setzen bereits Games in ihrem Unterricht ein. Christoph Kehl aus Jena ist der Meinung, dass er so mehr Kinder aus seiner Klasse erreicht als mit einem Sachtext. Bildrechte: Lucas Haasis

Ein Schritt, den Michael Tzschirner nur begrüßen kann. In den letzten drei Jahren hat der Informatiklehrer bereits ausgiebig Erfahrungen in der Medienkompetenzvermittlung in einem Pilotprojekt gesammelt und dabei die Tweens und Teens am Arnoldi-Gymnasium in Gotha im bewussten Umgang mit Handy und Internet geschult.

Kinder und Jugendliche sollen die Möglichkeiten und Gefahren von Medien kennenlernen

"Die Dinger kleben ja an den Händen von den Schülern heutzutage, sind ständig in Benutzung", beschreibt Michael Tzschirner das alltägliche Bild, dass sich ihm beim Blick über den Schulhof und in den Klassenräumen über alle Klassenstufen hinweg offenbart.

Deshalb sollten alle Kinder und Jugendliche die Möglichkeiten aber auch Gefahren beim Surfen kennen lernen und wissen: "Welche Spuren hinterlässt eigentlich mein Handy auf irgendwelchen Websites bei irgendwelchen Anbietern, wenn ich mich da entsprechend bewege. Und da ist das Ziel, das Bewusstsein zu schärfen, dass die Kids datensparsam im Netz unterwegs sind", verdeutlicht Tzschirner.

Wir sind zu der Erkenntnis gekommen, dass wir dieses Fach als eigenständiges Fach benötigen.

Helmut Holter | Thüringer Minister für Bildung, Jugend und Sport

Mit durchschnittlich 4 Stunden und 15 Minuten verbringen die 16- bis 19-Jährigen eine große Zeit des Tages am Smartphone, zeigt das Ergebnis der jährlichen JIM-Studie aus dem Jahr 2023.

Jedes Bundesland setzt Medienbildung in den Schulen anders um

Für einen bewussten Umgang braucht es Medienbildung, meint Thüringens Bildungsminister Helmut Holter: "Die Zeit hat es mit sich gebracht, dass wir Medienbildung und Informatik verstärkt und auch verpflichtend in den Schulen unterrichten müssen. Es geht darum, die verschiedenen Angebote, Software, Apps – also, was alles im Angebot ist, auch bedienen zu können. Aber es geht am Ende auch um Urteilsvermögen. Urteilsvermögen das, was mir der Computer anbietet, auch mit meinem Verstand bewerten zu können."

Grafik einer Deutschlandkarte. Die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Saarland, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern sind hervorgehoben.
In allen Ländern ist Medienbildung im Lehrplan verankert, aber nur in Bayern, Baden-Württemberg, Saarland, Mecklenburg-Vorpommern und nun auch in Thüringen gibt es ein eigenständiges Schulfach. Bildrechte: MDR MEDIEN360G

Ein deutschlandweit einheitliches Konzept für Medienbildung im Lehrplan gibt es nicht, denn Bildung ist bekanntermaßen Ländersache: Es gäbe 16 Länder und damit auch 16 Konzepte, die alle sehr unterschiedlich seien, beschreibt Helmut Holter und sagt: "Wir sind zu der Erkenntnis gekommen, dass wir dieses Fach als eigenständiges Fach benötigen, um an allen weiterführenden Schulen genau die Verpflichtung zu haben, an diesem Fach teilzunehmen."

In Weiterbildungen werden die Lehrkräfte auf das neue Fach vorbereitet

Damit nimmt der Medienbildungsauftrag nicht nur die Schülerinnen und Schüler, sondern auch die Lehrerinnen und Lehrer in die Pflicht. Lehrkräfte, die sonst Ethik, Religion, Sport oder Mathe unterrichten, müssen für das neue Fach Medienkunde und Informatik, fit gemacht werden, wie etwa in Weiterbildungen an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

"Der informatische Aspekt beschäftigt sich natürlich damit, die Architektur von Computern kennenzulernen oder sich mit Datenstrukturen auseinanderzusetzen, wo auch die Algorithmik eine Rolle spielt, die ja zunehmend wichtiger wird: Stichwort KI", bietet Rigobert Möllers vom Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, einen kurzen Einblick. Hinzu kommen noch weitere Schulungen des Instituts zu Themen wie Cybermobbing, Urheberrecht, Fake News und Social Media. Das bedeutet viel Lernstoff für die Lehrerinnen und Lehrer, die sich der neuen Aufgabe jedoch gewappnet fühlen:

"Ich steige jetzt komplett neu ein mit dem Fach. Und ich sehe, dass die Schüler auch einen großen Wissensdurst danach haben und dass das auch für die spätere Praxis dann durchaus wichtig ist", vermittelt beispielsweise Robin Griesbach, der Lehrer an der Gemeinschaftsschule in Triptis ist. Und auch Tanja Trautmann von der Thüringer Gemeinschaftsschule Rodeberg ist sichtlich erfreut: "Es wird Zeit, dass das Fach eingeführt wird. Und ich hoffe, dass es genügend begeisterte Lehrer dafür gibt", erzählt sie.

Schülerinnen und Schüler finden das neue Unterrichtsfach gut

Medienunterricht – nah am Leben der Kinder und Jugendlichen, das ist zukünftig das Ziel des neuen Pflichtfachs Medienbildung und Informatik in Thüringen, das dann ein bis zweimal pro Woche ab der fünften Klasse auf dem Stundenplan steht.

Am Arnoldi-Gymnasium haben die ersten Fünftklässler beim Pilotprojekt von Michael Tzschirner jedenfalls schon jetzt eine gute Vorstellung davon, was die Thüringer Schülerinnen und Schüler im neuen Unterrichtsfach nach den Sommerferien zwischen Datenschutzfragen, App-Berechtigungen und Co. erwartet.

"Ich finde das gut. Das ist einfach mal was anderes. Aber zum anderen ist es auch wichtig zu wissen, welche Gefahren es zum Beispiel im Internet gibt", beschreibt Alfred, während sein Klassenkamerad Lukas einschätzt: "Ich lerne halt hier im Unterricht relativ viel, was ich jetzt zu Hause nicht lernen würde. Wenn ich meiner Mutter davon erzähle, was ich jetzt hier im Unterricht gelernt habe, sagt sie: 'Das weiß ich doch selbst gar nicht.'"

Sicher in der digitalen Welt

Ein Mann und eine Frau posieren mit ihrem Säugling für ein Selfie.
Bevor Kinder fünf Jahre alt sind, sind bereits durchschnittlich 1500 Bilder von ihnen im Netz, so eine Studie. Und einmal online, haben die Eltern keine Kontrolle mehr darüber, wie die Bilder verwendet werden. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | Panthermedia
Zwei Kleinkinder sitzen nebeneinander und haben ein Smartphone und ein Tablet in der Hand.
Der Medienkonsum von Kindern kann mittels verschiedener Apps besser von den Eltern kontrolliert werden. Bildrechte: Panthermedia | MDR MEDIEN360G
Auf einem Gewässer schwimmt ein durchsichtiger Ball, in dem eine Person steht.
Durch den Einfluss von Algorithmen in (Sozialen) Medien können sogenannte Filterblasen entstehen, in denen nur bestimmte Themen und Meinungen stattfinden. Bildrechte: picture alliance/dpa
Bildausschnitt von einem Handy-Display mit Nachrichten-Apps.
Täglich strömen zahlreiche Nachrichten und Meldungen auf uns ein. Die Folge: Bei vielen zeigt sich Nachrichtenmüdigkeit. Warum uns Bad News frustrieren, wird wissenschaftlich untersucht. Bildrechte: MDR | MEDIEN360G

Medien im Fokus

Ein Mann im Rollstuhl spricht in eine Kamera auf einem Stativ.
Aus dem digitalen Austausch mit Menschen, die ähnliche Erfahrungen mit einer Krankheit machen, können Betroffene Hoffnung und Mut schöpfen. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | Panthermedia
Ein Reporter steht in kniehohem Wasser und spricht in ein Mikrofon. Eine Person mit Kamera filmt ihn.
Der Klimawandel beeinflusst alle Lebensbereiche. Die Herausforderung für Journalisten ist es, das Thema als Teil ihrer Berichterstattung anzusehen und lösungsorientiert zu berichten. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | dpa
Eine junge Frau sitzt umgeben von Büchern auf dem Boden und filmt sich mit einem Smartphone.
Auf der Videoplattform TikTok diskutieren, empfehlen und rezensieren vor allem junge Frauen in kurzen Videos Bücher. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | Panthermedia
Eine Frau blickt durch einen weißen Rahmen, auf dem "facebook" steht und wirft der Kamera einen Kuss zu.
Im Februar 2004 startete die weltweite Erfolgsgeschichte von Facebook. Auch wenn die Plattform vor allem bei Jüngeren an Bedeutung verloren hat, ist das Urgestein der Sozialen Netzwerke noch lange nicht tot. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | Panthermedia
Stilisierte Grafik von mehreren Fernsehern, die aufeinandergestapelt sind. Auf einigen ist ein bunter Hintergrund und die Logos von deutschen Privatsendern zu sehen.
Der 1. Januar 1984 war der Startschuss für das deutsche Privatfernsehen. Im Gegensatz zum Programm der Öffentlich-Rechtlichen stand bei den Privaten die Unterhaltung im Vordergrund. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | Panthermedia

Rundfunk, Presse und Politik

Im Hintergrund sitzt eine Person. Sie ist nicht erkennbar. Im Vordergrund ist ein Mikrofon zu sehen.
Lokaljournalisten, die in Dörfern und Kleinstädten arbeiten, laufen Gefahr, dass sich ihr Berufsleben auch auf ihr Privatleben auswirkt. Sie haben Sorge vor Übergriffen, weil nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Wohnorte oder Autos häufig bekannt sind. Bildrechte: MDR MEDIEN360G
Stilisierte Grafik zur ARD-Reform mit dem ARD-Logo am Haken eines Krans und einem grafisch dargestellten Baugerüst mit einem Bauarbeiter sowie Geldscheinen im Bildhintergrund. mit Video
Was soll der Öffentlich-Rechtliche leisten? Was soll er kosten? Darüber wird derzeit viel diskutiert. Dass es Reformbedarf gibt, das ist weitgehend Konsens. Nicht nur in der Politik, auch in den Rundfunkanstalten selbst. Bildrechte: MDR | MEDIEN360G
Porträtfoto von Prof. Dr. Annika Sehl von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
Im Interview mit MEDIEN360G spricht Prof. Dr. Annika Sehl von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt über ihre Aufgaben im Zukunftsrat. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | Christine Blohmann/Die Hoffotografen, Berlin