Mehrere junge Frauen stehen im Sonnenschein und blicken jeweils auf ihr eigenes Smartphone. 7 min
Für die 18- bis 25-Jährigen ist Social Media die Informationsquelle Nummer eins. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | Panthermedia

Nachrichten auf TikTok Wie informiert sich die Generation Z?

16. August 2024, 03:21 Uhr

Viele junge Menschen wenden sich von klassischen Nachrichtenformaten ab und informieren sich hauptsächlich über Social Media. Wie unterscheiden sich Nachrichten auf TikTok und Co. von Nachrichten im Fernsehen und Radio? Und ist die "Generation TikTok" deswegen auch schlechter informiert?

Wenige Tage nachdem Olaf Scholz unter dem Namen @teambundeskanzler auf der Videoplattform TikTok auftauchte, zeigte er in einem einminütigen Video den Inhalt seiner Aktentasche. Scholz versuchte damit an den TikTok-Trend #whatsinmybag anzuknüpfen, bei dem sonst vor allem junge Frauen den Inhalt ihrer Handtasche präsentieren. Der wenig überraschende Inhalt der Tasche des Bundeskanzlers: hauptsächlich Akten.

Das Video hat mittlerweile über 5 Millionen Aufrufe und ist wohl eines der bekanntesten Beispiele für den Versuch von Politikerinnen und Politikern, über Social Media eine junge Zielgruppe zu erreichen.

Schmaler Grat zwischen Trends und Anbiedern

Befeuert wurde das plötzliche Interesse der Politik an der Videoplattform durch die Erkenntnis, dass die AfD auf TikTok allen anderen Parteien in Sachen Reichweite weit voraus ist. "Andere Parteien überlassen der AfD nicht nur einzelne Plattformen wie TikTok, sondern auch die politischen Emotionen im Land", sagte der Politikberater Johannes Hillje im Februar 2024 zwei Monate vor dem ersten TikTok-Video von Olaf Scholz.

Stilisierte Grafik: Mensch vor einer Pinnwand mit TikTok-Logo, Fotos und Texten.
Die Plattform Tiktok lebt von kurzen unterhaltsamen Videos, die durch einen Algorithmus vorausgewählt werden. Wie funktioniert dieser Algorithmus und was spricht für den Erfolg von TikTok? Bildrechte: MDR MEDIEN360G

Doch allein die Präsenz auf TikTok reicht nicht aus, um die anvisierte Zielgruppe zu erreichen. Politikerinnen und Politiker wandeln auf der Plattform auf einem schmalen Grat zwischen dem Folgen der TikTok-Umgangsformen in Form von Trends und Memes und dem allzu offensichtlichen Anbiedern an das junge Publikum. Und selbst wenn Politikerinnen und Politiker diese Gratwanderung meistern, ist dies nicht unbedingt ein Garant für mehr Popularität in der jungen Zielgruppe.

"Langweilig und inhaltsleer" ist die Meinung der Jenaer Studentin Alex zu einem weiteren TikTok-Video in dem Olaf Scholz seiner TikTok-Community eine Rudermaschine im Kanzleramt vorführt. Mit Inhalten würden etablierte Politiker auf Sozialen Medien häufig nicht überzeugen, meint dazu ihr Kommilitone Johannes: "Das einzige, wieso so alte Politiker erfolgreich auf irgendwelchen Social-Media-Plattformen sind, ist, in dem die Memes werden."

stilisierte Grafik: Eine Hand hält ein Smartphone mit dem bekannten "Doge"-Meme. Links im Bild ein stilisierter Armin Laschet.
Was sind eigentlich Memes? Warum werden manche Fotos und Sounds so stark verbreitet? Und was steckt eigentlich hinter den lustigen Bildern? Bildrechte: MDR MEDIEN360G

Jugendliche wenden sich von klassischen Nachrichten ab

Aber wer die Generation Z, also die Jahrgänge 1995 bis 2010, erreichen will, kommt an Sozialen Medien nicht vorbei. Denn für den Großteil der 18- bis 24-Jährigen ist Social Media die meistgenutzte Informationsquelle. Bei klassischen journalistischen Nachrichten fehlt vielen jungen Menschen der Bezug zur eigenen Lebensrealität und dem persönlichen Alltag.

Die Nachrichten, die junge Menschen über Social Media konsumieren, unterscheiden sich in einigen Punkten von klassischen Nachrichtenformaten. "Das sind Sachen, die dann auch viral gehen können, aus denen Memes entstehen und da wird eine andere Wertung von Information vorgenommen als das, was in einer Nachrichtensendung erscheint", erklärt Maik Fielitz vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft. "Social News" nennt der Konfliktforscher diesen spielerischen Umgang mit Nachrichten.

Ironie als Notwehr einer verunsicherten Generation?

Den Grund für den humoristischen und zum Teil sarkastischen Umgang mit tagesaktuellen Geschehnissen vermuten die Jenaer Studenten in der pessimistischen Einstellung ihrer Generation zur Zukunft. Dass die Generation Z aufgrund von finanziellen, gesellschaftlichen und weltpolitischen Sorgen negativer auf die eigene Zukunft blickt, zeigte die Jugend-Studie aus dem Frühjahr. "Ich habe das Gefühl, dass es vielleicht auch an dieser 'No-Future-Mentalität' liegt. Man muss dann ironisch mit den Sachen umgehen", meint Götz.

Bildausschnitt von einem Handy-Display mit Nachrichten-Apps.
Täglich strömen zahlreiche Nachrichten und Meldungen auf uns ein. Die Folge: Bei vielen zeigt sich Nachrichtenmüdigkeit. Warum uns Bad News frustrieren, wird wissenschaftlich untersucht. Bildrechte: MDR | MEDIEN360G

Die unsicheren Zukunftsaussichten wirken sich laut Maik Fielitz auch darauf aus, wie Soziale Medien als Informationsquelle genutzt werden: "Man sucht viel stärker nach den Inhalten, die einen bestätigen. Und diese Bestätigung von Nachrichten ist auch etwas, das mit der Unsicherheit und Orientierungsschwierigkeit junger Menschen zusammenhängt."

Während klassische Nachrichtenformate einen breiten Überblick über gesellschaftlich relevante Themen geben wollen, sind die Informationen über Soziale Medien unterhaltsamer und interaktiver, aber auch individueller. "Es gibt weniger Sachen über die man sich insgesamt unterhalten kann, weil alle verschiedene Sachen schauen", berichtet die Studentin Alex.

Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass die "Generation TikTok" schlechter informiert ist als andere, sondern wenn, dann anders. "Es gibt viele Untersuchungen, die zeigen, wenn die auf ein TikTok kommen, das sie interessiert, dann recherchieren die danach auch weiter und gucken zum Beispiel noch auf dem Instagram- oder TikTok-Account der Tagesschau und suchen sich weiterführende Informationen", sagt Franziska Wittau, Leiterin der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen.

Die Medienkompetenz junger Menschen wird unterschätzt

Dass die Vermischung von Nachrichten, Meinungen, Werbung und humoristischen Inhalten in den Sozialen Medien auch ihre Schattenseiten hat, ist den Digital Natives der Generation Z oft bewusst. Die Studentin Henriette findet, dass die Medienkompetenz ihrer Generation, die mit digitalen Medien aufgewachsen ist, in dieser Hinsicht unterschätzt wird.

Dieser Meinung ist auch Franziska Wittau. Dennoch müsse es mehr Anstrengungen in der Medienbildung geben, allerdings mit einem konstruktiveren Umgang mit Social Media:

"Wir brauchen eine ganz klar funktionierende politische Medienbildung, die die Nutzung Sozialer Medien nicht verteufelt. (…) Es wird nicht so sein, dass auf einmal in drei oder vier Jahren keine Sozialen Medien mehr genutzt werden, sondern die Nutzung wird sich eher noch diversifizieren. Also müssen wir darauf vorbereiten: Wie können wir diese Medien so nutzen, dass sie tatsächlich auch für die Gesellschaft sinnvoll sind?"

Sendungshinweis:

Sicher in der digitalen Welt

Ein Politiker steht vor Mikrofonen, lächelt in die Kamera und reckt beide Daumen nach oben. Das Foto hat mehrere digitale Bildfehler.
Eine überwältigende Mehrheit der Deutschen meint, Desinformation gefährde die Demokratie. Manche Experten halten die Angst vor Fake News für übertrieben. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | Panthermedia
Kinder arbeiten im Unterricht auf ihren Tablets.
Ab dem nächsten Schuljahr werden Schulkinder in Thüringen im neuen Fach Medienbildung und Informatik unterrichtet. Bildrechte: IMAGO / Funke Foto Services
Ein Mann und eine Frau posieren mit ihrem Säugling für ein Selfie.
Bevor Kinder fünf Jahre alt sind, sind bereits durchschnittlich 1500 Bilder von ihnen im Netz, so eine Studie. Und einmal online, haben die Eltern keine Kontrolle mehr darüber, wie die Bilder verwendet werden. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | Panthermedia
Zwei Kleinkinder sitzen nebeneinander und haben ein Smartphone und ein Tablet in der Hand.
Der Medienkonsum von Kindern kann mittels verschiedener Apps besser von den Eltern kontrolliert werden. Bildrechte: Panthermedia | MDR MEDIEN360G

Medien im Fokus

Ein Mann ist in drei Situationen abgebildet: in nachdenkender Pose, mit einem Tablet in der Hand, mit einer Kamera in der Hand. Im Hintergrund ist eine Fernsehregie zu sehen.
Reporter wie Olaf Nenninger arbeiten oft unter Zeitdruck, damit ein Nachrichtenbeitrag noch am selben Tag gesendet werden kann. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | Foto: Daniela Dufft
Eine Person hat ein Smartphone in den Händen. An den Handgelenken ist die Person mit einer Kette gefesselt.
Ob Bahnticket oder Arzt- und Behördentermin – ohne Smartphone und Internet geht fast nichts mehr. Wer sich dem verweigert, läuft Gefahr, abgehängt zu werden. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | Panthermedia
Ein Mann im Rollstuhl spricht in eine Kamera auf einem Stativ.
Aus dem digitalen Austausch mit Menschen, die ähnliche Erfahrungen mit einer Krankheit machen, können Betroffene Hoffnung und Mut schöpfen. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | Panthermedia
Ein Reporter steht in kniehohem Wasser und spricht in ein Mikrofon. Eine Person mit Kamera filmt ihn.
Der Klimawandel beeinflusst alle Lebensbereiche. Die Herausforderung für Journalisten ist es, das Thema als Teil ihrer Berichterstattung anzusehen und lösungsorientiert zu berichten. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | dpa

Rundfunk, Presse und Politik

Im Hintergrund sitzt eine Person. Sie ist nicht erkennbar. Im Vordergrund ist ein Mikrofon zu sehen.
Lokaljournalisten, die in Dörfern und Kleinstädten arbeiten, laufen Gefahr, dass sich ihr Berufsleben auch auf ihr Privatleben auswirkt. Sie haben Sorge vor Übergriffen, weil nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Wohnorte oder Autos häufig bekannt sind. Bildrechte: MDR MEDIEN360G
Stilisierte Grafik zur ARD-Reform mit dem ARD-Logo am Haken eines Krans und einem grafisch dargestellten Baugerüst mit einem Bauarbeiter sowie Geldscheinen im Bildhintergrund. mit Video
Was soll der Öffentlich-Rechtliche leisten? Was soll er kosten? Darüber wird derzeit viel diskutiert. Dass es Reformbedarf gibt, das ist weitgehend Konsens. Nicht nur in der Politik, auch in den Rundfunkanstalten selbst. Bildrechte: MDR | MEDIEN360G