Corona Forschung aktuell: 9. November Sars-CoV-2 könnte das Herz direkt angreifen

02. November 2020, 17:01 Uhr

Das Malariamittel Hydroxychloroquin war ein früher Hoffnungsträger - bereits zugelassen und gegen andere Viren wirksam, sollte es auch die Coronaerkrankung abmildern. In einer klinischen Studie hat es jetzt versagt. Blutdrucksenker dagegen könnten bei Covid-19 sogar vorteilhaft sein, zeigt eine Metastudie. Forscher fanden außerdem heraus, dass das Virus das Herz direkt angreifen könnte.

Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse über Corona

Die Hoffnungen auf ein baldiges Ende der Sars-CoV-2-Pandemie hängen davon ab, ob ein wirksamer Impfstoff entwickelt werden kann. Wie weit ist die Forschung davon noch entfernt und welche Probleme tauchen auf? MDR Wissen verschafft Ihnen hier täglich den Überblick über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse über Corona.

Kanada: Pflegeheimbewohner sterben doppelt so häufig an Corona, wenn Heime voll sind

Kanadische Forscher haben analysiert, wie sich Corona in 618 Pflegeheimen im Bundesstaat Ontario zwischen Ende März und Anfang Mai ausgebreitet hat und wie viele Bewohner an Covid-19 starben. Die Auswertung für das Fachjournal JAMA Internal Medicine zeigt: Wer in einem überfüllten Heim wohnte, hatte ein doppelt so hohes Risiko, sich mit der Krankheit anzustecken und an ihr zu sterben, wie jemand, dessen Heim weniger stark ausgelastet war. In Ontario teilen sich etwa 60 Prozent der Pflegeheimbewohner ihre Zimmer mit anderen Bewohnern. Das ist besonders oft in solchen Heimen der Fall, die kommerziell mit Profitinteresse betrieben werden. Dort war auch das Infektions- und Sterberisiko am größten.

Corona kann im Labor das Herz infizieren

Das Coronavirus Sars-CoV-2 könnte theoretisch auch das menschliche Herz direkt angreifen. Laborversuche eines Teams des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung unter der Leitung von Stefanie Dimmeler zeigten, dass die Viren auch in Herzzellen eindringen und sich dort vermehren können. Herzzellen sind im Körper gut geschützt, die Viren müssten erst verschiedene Barrieren überwinden, um sich so tief im Körper einzunisten. Aber Corona hätte theoretisch die Möglichkeit dazu. Wie die im Fachjournal Cardiovascular Research erschienene Studie zeigt, kann Corona das Eiweiß Cathepsin nutzen, um an der Oberfläche der Herzzellen anzudocken und in sie einzudringen. Die Wissenschaftler züchteten dafür Herzzellen im Labor nach und infizierten sie mit Coronaviren, die von den ersten Coronapatienten in Deutschland isoliert worden waren.

"Die Zellen bekommen richtig Stress, wenn sie dem Virus ausgesetzt werden. Die sogenannte 'beating rate' geht erst steil nach oben und fällt nach drei Tagen ab, weil die Zellen sterben", beschreibt Dimmeler die Reaktion auf die Viren. Den Forschenden gelang es allerdings auch, die Infektion der Zellen mit Hilfe von Medikamenten zu verhindern. Einerseits konnte Remdesivir die Vermehrung der Viren verhindern, anderseits blockierten sogenannte Cathepsin-Inhibitoren das Eindringen der Viren in die Herzzellen. Aus den Laborversuchen lasse sich allerdings nicht direkt ablesen, ob es auch in echten Patienten zu diesen Infektionen komme, sagt Stefanie Dimmeler. Eine Probenentnahme bei lebenden Patienten sei extrem schwierig. Allerdings könne versucht werden, Coronapatienten, die problematische Herzreaktionen zeigten, mit Cathepsin-Inhibitoren zu behandeln und zu schauen, ob sich die Symptome bessern.

Herzrhythmusstörungen und Covid-19: Eine tödliche Kombination

Eine neue medizinische Studie unterstreicht das hohe Risiko, an Covid-19 zu sterben, wenn Patienten unter Herzrhythmusstörungen leiden. Forscher hatten dazu die Krankheitsverläufe von 435 Covid-19 Patienten untersucht. Ein knappes Fünftel von ihnen bekam Vorhofflimmern während des Krankenhausaufenthaltes. Wer unter diesen Symptomen bereits vor Corona gelitten hatte, hatte ein signifikant höheres Sterberisiko, unabhängig von anderen Vorschädigungen an Herz, Niere oder Lungen. Die Ergebnisse bestätigen andere Studien, die bereits auf den Zusammenhang zwischen Herz-Kreislauferkrankungen und Corona-Sterberisiko hingewiesen hatten.

Blutdrucksenkende Mittel dagegen, so die Mitteilung der American Heart Association, haben keinen negativen Einfluss auf den Verlauf von Covid-19. Angiotensin-Converting-Enzyme(ACE)-Hemmer und Angiotensin-Rezeptor-Blocker (ARB) standen eine Zeit lang im Verdacht, das Risiko einer Covid-19-Infektion zu erhöhen. Metaanalysen von 17 Studien zu Covid-19-Fällen und deren Sterblichkeit konnten diesen Verdacht ausräumen. Eine gesonderte Analyse zu Patienten mit Bluthochdruck zeigte sogar, "dass die Einnahme von ACE-Hemmern und ARBs mit einer niedrigeren Sterblichkeitsrate bei hospitalisierten Covid-19-Patienten mit Hypertonie" verbunden war.

"Unsere Studienergebnisse bestätigen, dass Patienten, die bereits ACE-Hemmer und ARBs einnehmen, die Einnahme aufgrund einer Covid-19-Infektion nicht abbrechen sollten", sagte der leitende Studienautor Yujiro Yokoyama, vom Easton Hospital des St. Luke's University Health Network in Pennsylvania. "Beide Medikamente haben sich als vorteilhaft für Herz- und Nierenerkrankungen erwiesen. Dies bestätigt erneut frühere Erkenntnisse, dass ACE-Hemmer bei Covid-19 kein zusätzliches Risiko darstellen."

Die Ergebnisse der Analyse wurde in einer "Scientific Session" online vorgestellt.

Hydroxychloroqin bei Covid-19 wirkungslos

Mehrere kleine, offene Studien hatten es bereits angedeutet, jetzt bestätigt auch ein groß angelegter, gründlicher medizinischer Versuch: Das Malariamittel Hydroxychloroqin hat keine Wirkung bei Covid-19. In einer Studie mit 479 Covid-19 Patienten in 36 Kliniken in den USA konnte innerhalb von 14 Tagen weder eine Verbesserung noch eine Verschlechterung der Krankheitsverläufe festgestellt werden. Die Patienten stammten aus verschiedenen sozialen und ethnischen Schichten, waren im Schnitt 57 Jahre alt und zu 55,7 Prozent Männer. 20,1 Prozent von ihnen wurden auf Intensivstationen behandelt. Die Studie war doppelblind, das heißt weder Patienten noch Behandler wussten, wer den Wirkstoff und wer nur ein Placebo bekommen hatte. Hydroxychloroqin veränderte nicht, ob und wie lange Patienten beatmet werden mussten, noch verkürzte oder verlängerte es die Krankenhausaufenthalte. Damit bestätigte sich nicht, was nach Versuchen im Reagenzglas Anlass zur Hoffnung gegeben hatte: Dass der Wirkstoff die Aufnahme des Virus in die menschlichen Zellen und die Aktivität einiger Entzündungsreaktionen hemmt.

(ens)

MDR Aktuell

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