Corona Forschung aktuell: 4. November Wie hoch ist das Ansteckungsrisiko an der Supermarktkasse?
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02. November 2020, 17:01 Uhr
In Lebensmitteldiscountern haben Mitarbeiter im Schnitt über 120 Kundenkontakte täglich. Wie groß ist ihr Ansteckungsrisiko, wenn es lokal zu Coronaausbrüchen kommt? Das haben Fachleute der Bundesregierung analysiert.
Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse über Corona
Hilft der "Lockdown-light" gegen die weitere Coronaausbreitung in Deutschland? Noch können Forscher darauf keine Antworten geben. Aber neue Studien bringen stetig neue Hinweise zum Verbreitungsgeschehen und zur Bekämpfung der Sars-CoV-2-Pandemie. MDR Wissen verschafft Ihnen hier täglich den Überblick.
Zweite Coronawelle: Wie hoch ist das Covid-19 Risiko für Supermarktkassierer?
Angesichts der hohen Zahlen von Neuinfektionen mit Sars-CoV-2, die an einigen Orten zu regelrechten Coronaausbrüchen führen, stellt sich für Beschäftigte im Einzelhandel die Frage: Wie hoch ist die Ansteckungsgefahr beim Job? Schließlich bleiben Super-, Lebensmittel- und Baumärkte beim aktuellen zweiten Lockdown geöffnet. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat deshalb eine Risikoabschätzung für die rund 780.000 Beschäftigten im deutschen Einzelhandel herausgegeben, die eine beruhigende Nachricht enthält: Weil die Kontakte mit den Kunden meist sehr kurz sind, ist das Covid-19-Ansteckungsrisiko auch dann gering, wenn es örtlich zu starken Coronaausbrüchen kommt. Die Fachleute der BAuA nutzten epidemiologische Daten, um das Risiko für die Kassiererinnen und ihre Kollegen einzuschätzen. Dabei berücksichtigten sie Anzahl und Dauer der Kundenkontakte. So haben Beschäftigte in einem Supermarkt im Schnitt 84 Kundenkontakte täglich, im Softdiscounter (z.B. Netto) sind es sogar 131. Diese Kontakte dauern höchsten zwei Minuten, sind als deutlich kürzer als die Hochrisikobegegnungen ab 15 Minuten und mehr. Am größten sei noch das Risiko beim Bezahlvorgang an der Kasse, schreiben die Autoren der Analyse. Deshalb sei es wichtig, dass dort die Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen zuverlässig eingehalten würden.
Forscher entwickeln Nanokörper gegen Sars-CoV-2-Spikeprotein
Forscher des Europäischen Molekularbiologielabors haben synthetische Nanokörper gegen das Coronavirus-Spikeprotein entwickelt. Wie das Team unter der Leitung von Martin Hällberg und Christian Löw in der Fachzeitschrift "nature communications" berichtet, kommen solche Nanokörper natürlicherweise in Lamas oder Kamelen vor, können aber auch synthetisch erzeugt werden. Sie docken an die Bindungsstellen am Sars-CoV-2-Spikeprotein an, also praktisch an dem Schlüssel, mit dem sich Corona Zugang zu seinen menschlichen Wirtszellen verschafft. Um einen Nanokörper zu finden, der das besonders gut kann, nutzten die Forscher das Spikeprotein praktisch als Angel, um die gesuchten Moleküle aus einer Sammlung von synthetischen Nanokörpern herauszufischen. Sie fanden ein Molekül, dass sie Sybody23 nannten. Das Besondere: Der Nanokörper kann die Bindungsstellen auch dann blockieren, wenn das Virus sein Spikeprotein eingeklappt hat, um sich vor dem Immunsystem zu schützen. Bei Versuchen im Reagenzglas konnten die Forscher dann zeigen, dass Sybody23 das Virus effektiv neutralisieren, also für den Körper unschädlich machen kann. Weitere Versuche sollen nun zeigen, ob der Nanokörper zur Therapie von Covid-19 geeignet ist.
Das europäische molekularbiologische Labor ist ein Forschungsverbund, der öffentlich finanziert wird und Labore in sechs europäischen Städten betreibt. Hauptsitz ist in Heidelberg, die aktuelle Studie wurde vor allem in Hamburg durchgeführt.
HTWK-Professor und Leipziger Gymnasiast: Coronamaßnahmen schnell umsetzen
Warum entwickeln sich die Infektionszahlen in verschiedenen Ländern unterschiedlich, obwohl überall etwa zur gleichen Zeit ähnliche Maßnahmen zur Eindämmung beschlossen wurden? Diese Frage haben sich Jochen Merker und Benjamin Kunsch gestellt und versucht, mit einer eigenen Modellrechnung zu beantworten. Merker ist Professor für Analysis an der Leipziger Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK), Kunsch ist Schüler der 11. Jahrgangsstufe am Leipziger Wilhelm-Ostwald-Gymnasium, der gerade eine besondere Lernleistung an der Hochschule erbringt. Merker und Kunsch berechneten in ihrem Modell, wie sich der Zeitpunkt der Umsetzungen bestimmter Maßnahmen und Regeln in einer Population auf die Ausbreitung der Pandemie auswirkt. Fazit: je schneller Maßnahmen umgesetzt werden, desto besser. Denn dann kann die Krankheit auch dann begrenzt werden, wenn eine Person mehr als eine weitere ansteckt, die sogenannte Reproduktionsrate R also höher als 1 liegt.
Das mag zunächst trivial erscheinen, ist aber in den bekanntesten mathematischen Modellen kaum zu beweisen, denn dort nistet sich bei R größer als 1 die Krankheit dauerhaft in der Bevölkerung ein. In unseren idealisierten Modellen ist es dagegen tatsächlich möglich, die Pandemie fast vollständig zurückzudrängen, auch wenn es noch einen Reproduktionswert von mehr als 1 gibt. Fazit: Durch schnelle Umsetzung von Maßnahmen können Krankheiten quasi ausgerottet werden, obwohl sie sich unter anderen Umständen dauerhaft in der Bevölkerung eingenistet hätten.
Ihre Ergebnisse publizierten Merker und Kunsch als Beitrag in dem Sammelband "Analysis of Infectious Disease Problems (Covid-19) and Their Global Impact".
(ens)
MDR Aktuell
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