Wohnungsschlüssel
In Leipzig stehen derzeit zwei Mietspiegel in der Kritik: der von 2020 und der von 2023. Jurist Gilbert Häfner hält die Einwände für unbegründet. Bildrechte: Colourbox.de

Mieter in Sorge Rechtsexperte hält Kritik an Leipziger Mietspiegel für unbegründet

06. März 2024, 17:21 Uhr

Der Mietspiegel soll vor überhöhten Mieten schützen. Um die Rechtmäßigkeit des Leipziger Mietspiegels wird gerade vor Gericht gestritten. Welche Folgen kann das für Mieter haben? Rechtsexperte Gilbert Häfner erklärt es.

Welche Bedeutung hat der Mietspiegel bei Mieterhöhungen?

Gilbert Häfner: Das Gesetz lässt eine Mieterhöhung nur unter bestimmten Bedingungen zu. Wenn es keine Staffelmiete oder Indexmiete ist, muss der Vermieter ein Mieterhöhungsverlangen stellen. Und das Gesetz sieht nur ganz bestimmte Begründungsmöglichkeiten für ein solches Mieterhöhungsverlangen vor. Dazu gehören insbesondere eben der Mietspiegel als Bezugnahme auf die ortsübliche Vergleichsmiete oder drei Vergleichswohnungen, die dann auch vergleichbar sein müssen.

Welches Risiko besteht bei einer Begründung mit einer Vergleichsmiete?

Wenn der Vermieter Vergleichswohnungen aussucht, die zwar vergleichbar sein müssen, aber natürlich in seinem Interesse nicht gerade am unteren Ende der Preisskala liegen, dann besteht für den Mieter immer die Gefahr, dass die Mieten dieser Vergleichswohnungen eben doch etwas höher liegen als der Durchschnitt – nämlich die ortsübliche Vergleichsmiete. Also ist die Mieterhöhung mit der Begründung durch Vergleichswohnungen eine Möglichkeit für den Vermieter, etwas mehr rauszuholen – und damit eine Gefahr für den Mieter vielleicht doch zu viel zu zahlen.

Jetzt gibt es aber Streit um die Wirksamkeit des Mietspiegels. Warum?

Mietspiegel sind dazu da, die ortsübliche Vergleichsmiete zu ermitteln und in einem Tabellenwerk festzuschreiben. Rechtlich haben sie die Bedeutung, dass eine Mieterhöhung immer der Höhe nach dahingehend begrenzt ist, dass sie nicht über die ortsübliche Vergleichsmiete hinausgehen darf. Wenn ein Mietspiegel vorhanden ist, dann ist er also Grundlage für ein Erhöhungsverlangen. Wenn er ein sogenannter qualifizierter Mietspiegel ist, dann spricht sogar die gesetzliche Vermutung dafür, dass das, was dort an Miete ausgewiesen ist, die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete ist.

Gilbert Häfner
Gilbert Häfner war mehr als drei Jahre Präsident des Oberlandesgerichts Dresden. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Nun hat die Stadt Leipzig sogenannte qualifizierte Mietspiegel erstellt. Da gelten nach dem Gesetz ganz bestimmte Anforderungen. Dazu zählt insbesondere, dass sie nach zwei Jahren aktualisiert werden müssen. Achtung: Müssen! Beim normalen Mietspiegel stets nur sollen – aber beim qualifizierten müssen. Wenn diese Zweijahresfrist nicht eingehalten werden würde, wäre der Mietspiegel sozusagen überholt und ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr gültig. Da setzt jetzt die Begründung zum Mietspiegel aus 2020 an. Sie besagt, dass die neue Erhebung am 1. August 2022 begonnen wurde. Das hält die Zweijahresfrist nicht ein, weil bis zum Ende der Erhebung und Neuveröffentlichungen des Mietspiegels waren die zwei Jahre schon vorbei. Das ist der Einwand gegen diesen Leipziger Mietspiegel.

Es gibt aber noch einen weiteren formalen Punkt gegen den neuen Mietspiegel aus 2023. Da wendet man ein: Zum Zeitpunkt, als die Erhebung begonnen hat, war die Stadt für die Erhebung noch gar nicht zuständig. Beide Gründe überzeugen mich nicht besonders. Das Gesetz sagt, zwei Jahre müssen zwischen den Erhebungen liegen. Dass nach der Erhebung es noch eine gewisse Weile dauert, bis die Erhebung ausgewertet und neu veröffentlicht ist, versteht sich von selbst. Also der Einwand zieht aus meiner Sicht nicht. Und die Begründung, die Stadt sei sozusagen zu früh losgegangen mit ihrer Erhebung, überzeugt mich auch nicht. Denn die Daten, die einmal erhoben sind, konnte die Stadt dann jedenfalls im neuen Jahr verwerten, weil sie dann auch zuständig war.

Was bedeutet der Mietspiegel-Streit nun für die Mieter?

Für die Mieter besteht die Gefahr, dass mit der Begründung, der Mietspiegel sei unwirksam, von Vermietern eine Vergleichsmiete als Erhöhungsbegründung herangezogen wird. Das haben einige Wohnungsgroßvermieter auch getan. Damit sind sie der Gefahr ausgesetzt, dass die begrenzende Wirkung eines Mietspiegels bei ihnen nicht in dem Maße greift. Wenn man die Bedenken nicht hat, so wie ich, dann wäre das unerheblich. Deswegen, glaube ich, ist die Aufregung wahrscheinlich viel zu groß. Im Übrigen muss man auch sagen, selbst wenn der Mietspiegel formal unwirksam ist, ist immer noch die gesetzliche Grenze für ein Mieterhöhungsverlangen die ortsübliche Vergleichsmiete. Dann gibt es allerdings um deren Feststellung eben ein bisschen mehr Streit.

Selbst wenn der Mietspiegel formal unwirksam ist, ist immer noch die gesetzliche Grenze für ein Mieterhöhungsverlangen die ortsübliche Vergleichsmiete.

Gilbert Häfner, Rechtsexperte

Infos zum Experten Gilbert Häfner ist Jurist. Nach dem Jurastudium wurde er 1983 Staatsanwalt und später Amtsrichter in Heidelberg. 1985 wechselte er ins Justizministerium von Baden-Württemberg in Stuttgart und 1992 ins Sächsische Staatsministerium der Justiz in Dresden.

1995 wurde er Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht. Dort war er unter anderem für Berufungen in Verbraucherschutzfragen zuständig, quasi als Sachsens oberster Verbraucherschutzrichter. 2012 wurde er Präsident des Landgerichts in der sächsischen Landeshauptstadt. Vom 1. Dezember 2017 bis zum 31. Dezember 2020 war Gilbert Häfner der Präsident des Oberlandesgerichts Dresden.

Mehr zum Thema Mietrecht

MDR (cbr)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Leipzig | 09. Februar 2024 | 07:30 Uhr

Mehr zum Thema Recht

Weitere Ratgeber-Themen