Nebenkostenabrechnung Horrende Nachzahlung schockiert Mieter
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06. März 2024, 17:25 Uhr
Die Betriebskostenabrechnung für 2022 war für viele ein Schock. Eine Mieterin aus Gommern in Sachsen-Anhalt soll knapp 8.000 Euro nachzahlen. Ihre Miete soll sich fast verdreifachen. Sie hat Widerspruch eingelegt. Worauf muss sie nun achten?
Schock über Nachzahlung von 8.026,56 Euro
8.026,56 Euro soll Gerda Ahrendt aus Gommern bei Magdeburg an Nebenkosten nachzahlen. So steht es in ihrer Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2022, die der 59-Jährigen im November 2023 in den Briefkasten flatterte. Die Rentnerin ist Mieterin einer Zweiraumwohnung, die 59 Quadratmeter groß ist. Nach eigenen Angaben hat sie nur den Heizkörper im Wohnzimmer benutzt. "Ein Heizkörper kann das in einem Jahr nicht verbrauchen. Da müsste ich mich ja grillen", sagt sie fassungslos im MDR-Magazin "Umschau".
Auch die Warmmiete soll aufgrund der Berechnungen in diesem Jahr steigen - von 515 auf 1.403 Euro. Damit lägen die Betriebskosten bei mehr als dem Doppelten der eigentlichen Kaltmiete. Gerda Ahrendt hat Widerspruch bei der Wohnungsverwaltung, der Vivet Immobilien in Gera, eingelegt.
Ein Heizkörper kann das in einem Jahr nicht verbrauchen. Da müsste ich mich ja grillen.
Weitere Beispiele im selben Mietshaus
Etwa 50 Menschen wohnen mit Gerda Ahrendt in dem Haus, das Anfang der 1990er-Jahre gebaut wurde. Nachbar Uwe Schlicht lebt auf 22 Quadratmetern. Er bekam eine Nachzahlungs-Aufforderung über 3.407 Euro. Bei Henri Krieseler sind es 3.786 Euro für 37 Quadratmeter. "Das ist viel zu viel, weil ich nur einen Heizkörper habe", sagt er.
Mieterverein rät zur Einsicht in die Kostenbelege
Gerda Ahrendt hat sich wie viele andere auch Hilfe beim Mieterverein Magdeburg gesucht. Zakaria Said ist dort Rechtsberater und hat die Betriebskostenabrechnung geprüft. Die Betriebskosten sind für ihn augenscheinlich zu hoch. "Die liegen bei 13,92 Euro pro Quadratmeter im Monat", rechnet er vor.
Allein damit könne sich die Rentnerin "eine Wohnung in bester Lage in Berlin leisten". Fehler in der Berechnung hat der Anwalt nicht gefunden. Gerda Ahrendt müsse aber erst zahlen, wenn der Vermieter ihren Widerspruch abgelehnt hat. Und er rät der Rentnerin: "Solange er die Belege nicht vorlegt, gibt es auch das Geld nicht".
Auf eine Nachfrage der MDR-Wirtschaftsredaktion zum Nachzahlungs-Ärger antwortete der Vermieter Vivet Immobilien: "Hiermit möchten wir Ihnen mitteilen, dass wir zu dem Thema Betriebskostenabrechnung in Gommern keine Stellung nehmen werden."
Hunderttausende Betroffene deutschlandweit
Hunderttausende Mieter deutschlandweit sehen sich mit hohen Betriebskosten-Nachforderungen für 2022 konfrontiert. Der Gaspreis hatte sich infolge des Ukraine-Kriegs und der Energiekrise zwischenzeitlich mehr als vervierfacht. Das schlägt sich in vielen Jahresabrechnungen nieder. Oft beträfe das "Mieter und Mieterinnen mit niedrigeren Einkommen, die häufiger in energetisch schlechteren Gebäuden wohnen", erklärt Melanie Weber-Moritz vom Deutschen Mieterbund. Die, die ohnehin schon weniger Geld haben, trifft es damit doppelt, weil sie schon kaum ein Polster für eine Rückzahlung haben.
Mieterverbund fordert Schutz vor Verlust der Wohnung
Wer eine hohe Nachzahlung bekommt und diese anzweifelt, sollte laut Bundesverband der Verbraucherzentralen innerhalb von zwölf Monaten Widerspruch einlegen und Einsicht in die Kostenbelege fordern. Die Zahlungsfrist bleibe jedoch bestehen. Die Verbraucherschützer raten, die Überweisung mit dem Vermerk "Zahlung unter dem Vorbehalt der Rückforderung" zu versehen. Werden die Forderungen ignoriert und einfach nicht beglichen, könne der Vermieter die Kündigung aussprechen.
Kann die Summe nicht auf einmal aufgebracht werden, sollte das Gespräch mit dem Vermieter gesucht werden, um etwa Ratenzahlungen zu vereinbaren. "Bitte beachten Sie, dass mit einer Ratenzahlung keine Einwendungen gegen die Abrechnung erhoben werden können, da in der Ratenzahlungs-Vereinbarung meistens ein Schuldanerkenntnis oder ein Vergleich vorliegt", weist der Verband auf seiner Homepage hin.
Kündigung wegen Zahlungsrückstand "Eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs ist möglich, wenn der Mieter an zwei aufeinander folgenden Terminen mit mehr als einer Monatsmiete im Rückstand ist oder wenn er über einen längeren Zeitraum mehr als zwei Monatsmieten schuldig geblieben ist", erklärt der Mieterverein Köln auf seiner Homepage.
Der Deutsche Mieterbund fordert die Politik zum Handeln auf. "Wir sind schon lange der Auffassung, dass der Mietvertrag über einen längeren Zeitraum nicht gekündigt werden darf, damit Mieterinnen und Mieter ausreichend Zeit haben, die Nachzahlung zu leisten", sagt Melanie Weber-Moritz vom Deutschen Mieterbund.
"Wir bemerken im Moment, dass wir bei unseren Beratungsstellen einen sehr hohen Zulauf haben, was die Beratung rund um die Nebenkostenabrechnung angeht. Das deutet schon darauf hin, dass sehr viele Mieterinnen und Mieter gerade Schwierigkeiten haben", berichtet Weber-Moritz aus ihrem Praxisalltag. "Viele sind wahnsinnig verzweifelt und glauben auch erst mal gar nicht, dass das eine vernünftige und richtige Abrechnung ist", weiß auch Mietrechts-Experte Zakaria Said aus seinen Erfahrungen.
MDR (cbr)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 13. Februar 2024 | 20:15 Uhr