Häusliche Pflege Tipps der Expertin: Was können smarte Pflegehilfsmittel?
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04. November 2024, 08:56 Uhr
Smarte Produkte können die Pflege von älteren Menschen erleichtern. Im Interview mit Gesundheits- und Pflegemanagerin Claudia Treuter von der Halle-Neustädter Wohnungsgenossenschaft e.G. klären wir, wie solche Geräte angenommen werden und stellen vier näher vor.
Innovative Erfindungen als Hilfe für die Pflege
MDR: Gibt es für Pflegehilfsmittel Empfehlungen von Krankenkassen oder Pflegeeinrichtungen?
Claudia Treuter: Ein Hilfsmittel oder Pflegehilfsmittel kann vom Arzt oder einer Pflegefachkraft verordnet werden. Die Krankenkasse oder Pflegekasse übernimmt die Kosten, wenn es medizinisch notwendig ist. Wir stellen in unserem Showroom ausgewählte Hilfsmittel vor, damit der Nutzer sehen kann, welche es gibt.
Werden Geräte, die bei der Pflege helfen, bezuschusst?
Das kommt darauf an, ob es sich um ein Medizinprodukt im Hilfsmittelkatalog handelt, denn nur diese werden bezuschusst. Alles andere kann man sich in der Apotheke oder einem Sanitätshaus selbst kaufen.
Eine Ausnahme ist, wenn die Notwendigkeit besonders begründet ist. Der Patient soll so lange wie möglich selbstständig bleiben. Ambulant geht immer vor stationär: Die Menschen sollen so lang wie möglich zu Hause wohnen bleiben. Deswegen werden im Einzelfall auch bestimmte Produkte bezuschusst.
Gibt es mehrere Firmen, die moderne Pflegehilfsmittel herstellen?
Ja, es gibt gerade viele neue Anbieter auf dem Markt. Als modern bezeichne ich digital assistive Technologien, wie die Vitaldatenanalyse oder den Sturzsensor. Meist sind es mehrere Sensoren in den Wohnungen, die den Raum, die Tür oder den Patienten überwachen. Diese modernen Systeme können den Blutdruck messen und oder einen Sturz im Raum erkennen. Allerdings sind sie so neu, dass die meisten Geräte noch keine Medizinproduktezulassung haben. Das heißt, Sie können die Produkte nur selbst im Internet erwerben und nicht über die Pflegekasse finanzieren lassen.
In Ihrem Showroom stellen Sie ein paar Hilfsmittel vor. Wie werden diese ausgesucht?
Ich habe jahrelange Erfahrung im Pflegebereich und bin persönlich als Altenpflegerin von diesen Produkten überzeugt. Manche Hilfsmittel mit digital assistiver Technologie sind sehr gut, aber es sind noch nicht alle ausgereift.
Werden diese Hilfsmittel bereits genutzt? Wie werden sie aufgenommen?
Auf Seite der Betroffenen ist auf jeden Fall Interesse da, sie sind offen für sowas. Um den Datenschutz sorgen sich meist nur die Jüngeren. Gerade im Bereich der Vitaldatenanalyse kann durch eine regelmäßige Überwachung sogar ein Herzinfarkt oder Schlaganfall vermieden werden. Viele ältere Menschen leben allein zu Hause, deshalb ist ihnen diese Sicherheit wichtig. Sie möchten nicht drei Tage in ihrer Wohnung liegen und dann zufällig gefunden werden. Unsere Mieter testen neue Produkte mit uns. Das finde ich spannend.
Auf Seite der Fachkräfte ist das Interesse zurückhaltend, weil solche Produkte oft zusätzliche Arbeit bedeuten, das heißt, noch mehr Einträge von Informationen. Die Altenpfleger oder Helfer müssen sich mit neuer Technik auseinandersetzen. Wie funktioniert sie? Ob diese Produkte dann am Ende wirklich entlasten und Zeit einsparen, ist fraglich. Die Firmen sind noch nicht so weit, dass alles per Sprache oder automatisch funktioniert und vieles muss noch händisch eingetragen werden, sodass es eher einen Mehraufwand bedeutet. Die Technik muss also noch verbessert werden. Das ist erst der Anfang. Vor allem müssen es offene Systeme sein, sodass die Daten des Patienten auch an Ärzte oder den Pflegedienst übermittelt werden können.
Wie ist das dann mit dem Datenschutz? Das ist ja oft ein Gegenargument gegen offene Systeme.
Im Alter ist Sicherheit wichtiger als Datenschutz. Sie bekommen dafür die Sicherheit, dass Hilfe kommt, wenn Sie sie brauchen.
Drehbares Pflegebett für leichteres Aufstehen
Was unterscheidet dieses Pflegebett von herkömmlichen Pflegebetten?
Normalerweise muss man viel Kraft aufwenden, um den Patienten aus dem Bett zu holen. Dieses Pflegebett aber lässt sich auch seitlich drehen und kippt nach vorn, sodass der Patient schon fast steht. Wenn dann der Rollstuhl oder Rollator vor dem Bett steht, kann er sich einfach reinsetzen oder daran festhalten. Das ist eine große Arbeitserleichterung für die Pflegekraft oder den Angehörigen.
Wenn das Bett sich auch kippen lässt, besteht dann die Gefahr, dass der Patient aus dem Bett fällt?
Da besteht keine Gefahr, dass er rausfallen kann. Es gibt Lehnen, an denen sich der Patient festhalten kann und es steht ja in der Regel auch immer eine Pflegeperson – ob nun Fachkraft oder privat – davor und hilft demjenigen aus dem Bett.
Kommt das Bett schon zum Einsatz?
Man kann sich dieses Bett privat kaufen. Wenn man für den häuslichen Bereich ein Pflegebett beantragt, finanziert das normalerweise die Pflegekasse. Diese Form des Pflegebettes wird nur so weit bezuschusst, wie die Standardversion kostet. Eine Ausnahme gibt es nur, wenn die Notwendigkeit besonders begründet wird.
Ist das Bett größer als herkömmliche Pflegebetten?
Nein, es ist genauso groß wie herkömmliche Pflegebetten. Es gibt aber Einsätze für besonders große Menschen, um ein Bett zu verlängern.
Matte mit Feuchtigkeits- und Bewegungssensor für bessere Kontrolle
Wie funktioniert die Matte?
Die Bettunterlage wird in das Bett des Patienten gelegt. In ihr befinden sich Sensoren, die Feuchtigkeit erkennen. Zudem registriert die Matte auch Bewegungen und kann Informationen an eine App senden. Auf diese Daten können je nach Einstellung, Angehörige oder der Pflegedienst zugreifen. Das hat den Vorteil, dass man nicht immer in der Nähe des Patienten sein muss.
Welcher Vorteil ergibt sich durch diese Funktionen?
Viele Menschen, die zuhause gepflegt werden, sind bettlägerig. Um Krankheiten wie Dekubitus (Anm. d. Red.: Druckgeschwür) zu vermeiden, ist diese Betteinlage ziemlich sinnvoll. Denn bewegt sich der Patient nicht, kommt es innerhalb kürzester Zeit zu Durchblutungsstörungen der Haut und absterbendem Gewebe.
Auch für Angehörige ist es hilfreich, diese Meldung auf das Handy zu bekommen. Man ist ja nicht immer im Zimmer oder zuhause und kann auch mal beruhigt zum Arzt oder einkaufen fahren.
Digitale Box als Unterstützung zur Medikamenteneinnahme
Was ist an dieser Box anders als an üblichen Medikamentenboxen?
Diese Box gibt Signale und ist mit einer App verbunden. In die App wird einmal der gesamte Medikamentenplan eingetragen. Der Medikamentenplan wird ab drei Medikamenten vom Arzt ausgestellt. Ist alles eingestellt, gibt die Box zur richtigen Zeit ein akustisches und optisches Signal ab. Das ist besonders vorteilhaft für schwerhörige oder sehbeeinträchtigte Menschen. Als Angehöriger oder Pflegedienst – je nach dem, wer die App auf seinem Endgerät hat – kriegt man eine Meldung aufs Handy, wenn das Töpfchen mit dem Medikament nicht aus der Box herausgeholt wurde. Dann kann man den Patienten zum Beispiel nochmal anrufen oder schauen, ob alles bei ihm in Ordnung ist.
Von der Box kann man den oberen Teil mit den Töpfchen abnehmen und in die Apotheke bringen. Dort wird der dann gesäubert und man bekommt direkt eine neue, gefüllte Box für die nächste Woche wieder mit. Aber natürlich kann man die Box auch selbst nachfüllen.
Können auch mehrere Personen ihr Handy über die App mit der Box verbinden?
Ja, das geht. Auch mehrere Personen können die App haben und mit der Box verbinden, zum Beispiel der Pflegedienst und ein Angehöriger.
Für wen ist so eine Box besonders geeignet?
Für Demenzkranke ist sie sehr hilfreich. Aber generell müssen ältere Menschen oft viele Medikamente zu verschiedenen Uhrzeiten einnehmen und dann ist so eine Erinnerung nützlich. Für die Angehörigen ist es eine Möglichkeit der Überwachung. So kann man Selbstständigkeit fördern und gleichzeitig die Kontrolle der richtigen Einnahme behalten.
Roboterkatze als Begleiter im Alltag
Was ist die Roboterkatze?
Es handelt sich um eine Plüschkatze mit Batterie. Sie miaut, schnurrt und macht ihre Augen auf und zu wie eine echte Katze.
Warum ist so eine künstliche Katze vorteilhaft?
Ältere Menschen sind oft allein zu Hause und die Katze bietet Gesellschaft. Sie ist wie eine echte Katze. Man kann sie streicheln, mit ihr reden und vor allem das Schnurren beruhigt und bringt einen runter. Gleichzeitig muss sie nicht gefüttert werden. Es geht darum, zu verhindern, dass echte Haustiere vergessen werden und dadurch vielleicht verhungern, aber die Patienten trotzdem die Gesellschaft eines Haustieres haben.
MDR (jvo)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 01. Oktober 2024 | 16:00 Uhr