Ein Mann sitzt vor einem Laptop und hält sich vor Schmerzen den Nacken.
Jeder zweite Erwachsene wird einmal im Leben von Nackenschmerzen geplagt. Bildrechte: imago/photothek

Körperhaltung Übungen gegen Nackenschmerzen und Tipps für gesünderes Sitzen

16. November 2023, 05:00 Uhr

Wer viel aufs Handy schaut, bekommt über kurz oder lang einen schmerzhaften "Smartphone-Nacken". Aber auch langes Sitzen am Schreibtisch kann zu Verspannungen führen. Fest steht: Ein Großteil der Beschwerden wird durch falsche Haltung ausgelöst. Physiotherapeutin Gitte Baumeier hat Übungen zusammengestellt, die die Nackenmuskeln stärken und Fehler in der Körperhaltung korrigieren helfen. Pilates-Trainerin Kristina Dietrich hat drei Tipps für gesünderes Sitzen parat.

Falsche Körperhaltung

Es schmerzt, der Kopf lässt sich kaum mehr drehen, Rücken und Schultern verspannen: typisch für Nackenschmerzen. Jeder zweite Erwachsene hat mindestens einmal im Leben damit zu tun. Dann kommen häufig Massagen, Tabletten oder Akupunktur zum Einsatz. Die schlechte Nachricht: Diese Maßnahmen helfen dem Nacken meist nur kurzfristig.

Das stellen auch die Orthopäden und NDR-Bewegungsdocs Christian Sturm und Helge Riepenhof immer wieder fest, und durchaus nicht nur bei Menschen, die den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen. "Diese Grundsatzproblematik von Kopf und Nacken gilt bei allem", sagt Sturm. "Das gilt beim Buchlesen, beim Kreuzworträtsel, am Monitor, wenn man mit Freunden chattet oder länger etwas im Internet sucht, das gilt letztendlich auch fürs Fernsehen: Wenn ich dabei meinen Kopf nach vorne schiebe, ist das dieselbe Belastung."

Blick aufs Handy: Gefühlt bis zu 30 Kilo Extralast auf dem Nacken

Die typische nach vorn geneigte, starre Haltung am Schreibtisch belastet die Muskulatur der Halswirbelsäule bis zu fünfmal mehr als die normale Position mit erhobenem Kopf. Das können bis zu 30 Kilogramm Extralast sein. Das Gleiche passiert am Steuer und am Handy.

Auch die Arbeit vor einem Laptop kann für den Nacken enorm strapaziös sein. "Die Blickrichtung ist viel steiler nach unten, als man das an einem normalen Computer gewöhnt ist", erklärt Sturm. "Dadurch ist der Kopf weiter nach vorne geschoben, das Kinn kommt herunter, die Schultern gehen weiter nach vorn – man bildet also eine Art Rundrücken. Das ist auf Dauer sehr belastend." Häufig werden die Schultern dabei nicht nur nach vorn, sondern auch nach oben gezogen. Dadurch entsteht in den Nackenmuskeln eine hohe Spannung. Die Folge sind Schmerzen im Nacken, die bis in den Kopf ziehen können.

Junge Menschen stehen zusammen und sehen auf ihr Smartphone
Das Schauen auf ein Smartphone geht nicht nur auf die Augen, sondern belastet auch die Muskulatur der Halswirbelsäule. Bildrechte: imago/Future Image

Medizinische Therapien gegen Verspannungen nur eingeschränkt wirksam

Eine Metaanalyse hat etliche Studien zur Wirksamkeit ärztlich verordneter Maßnahmen verglichen und kommt zu überraschenden Ergebnissen. Spritzen sind nur gering wirksam, Akupunktur bringt nur mittelfristig Linderung. Und bei der Elektrotherapie ist der Nutzen unsicher. Natürlich kann man mit diesen Maßnahmen ein Symptom bekämpfen und kurzzeitig eine Besserung erzielen, sagt Helge Riepenhof. Die Ursache beseitige man damit aber nicht.

Übungen für den Nacken 4 min
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4 min

Nach der Gartenarbeit kommt es vor, dass der Rücken schmerzt und der Nacken verspannt ist. Lockern Sie zwischendurch Ihre Schultern, dehnen sie die Nackenmuskulatur! Diese Pilates-Übungen helfen gegen Nackenschmerzen.

MDR FERNSEHEN Di 27.04.2021 17:00Uhr 04:24 min

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Fehlhaltung selber erkennen

Eine Möglichkeit, den Schmerzen auf den Grund zu gehen, ist, die Selbstwahrnehmung zu trainieren. Das geht beispielsweise mit einem EMG, einer Elektromyographie. Dabei wird mit einer Oberflächenelektrode die Muskelaktivität, der sogenannte Tonus, im Nacken bei verschiedenen Kopf- und Schulterpositionen gemessen. Die Aktivität des Muskels lässt sich als Ausschlag auf einem Monitor beobachten.

Besserung durch eigene Lernerfolge

Dass man die Spannung mit seiner Haltung beeinflussen kann, führt zu einem psychologischen Lernerfolgder klassische Effekt des Biofeedbacks, so Riepenhof: "Biofeedback bedeutet: Wir spüren eine Veränderung im Körper und sehen sie gleichzeitig. Diese Kombination ist extrem einprägend." Auch eine stundenweise getragene Rückenbandage schult die Selbstwahrnehmung. "Mit der Bandage hat man so eine Art Erinnerungsfunktion", erklärt Christian Sturm. "Wir nennen das eine Mahnorthese. Man soll diesen Druck oder Zug spüren, so dass man merkt, ach ja, ich soll mich ja gerade hinsetzen."

Vorne dehnen, hinten kräftigen

Eine bessere Haltung, weniger Schmerzen – langfristig erreicht man das nur mit Training. Die Empfehlung von Christian Sturm: vorne dehnen, hinten kräftigen. Übungen mit einem flexiblen Theraband stärken die kleinen Muskeln auf dem Rücken zwischen den Schulterblättern. So halten sie dem großen Brustmuskel vorne besser stand. Das ist wichtig für eine muskuläre Balance. Der Brustmuskel dagegen, der meist verkürzt ist, sollte ausgiebig gedehnt werden; das geht auch an jedem Türrahmen. Die gute Nachricht also zum Schluss: Es lässt sich doch etwas tun gegen hartnäckige Nackenschmerzen. Allerdings nur mit Geduld und Ausdauer.

Drei Übungen für die Halswirbelsäule

Viele Beschwerden werden durch falsche Haltung ausgelöst. Physiotherapeutin Gitte Baumeier hat hier exklusiv ein paar Übungen zusammengestellt, die die Nackenmuskeln stärken und die korrekte Körperstatik wiederherstellen.

  • Übung 1

Diese Übung führt man am besten an einer Wand durch. Dafür rollt man ein kleines Handtuch zusammen und legt es in den Nacken an die Wand. Anschließend drückt man den Kopf gleichzeitig nach hinten an das Handtuch und nach oben. Wem das zu wenig ist, der kann noch gezielt das Hohlkreuz und die Schulterblätter an die Wand drücken. Die Übung stärkt die Nackenmuskeln, die arbeiten müssen, um den Kopf aufrecht zu halten.

  • Übung 2

Hier verschränkt man die Hände hinterm Kopf und legt die Zeigefinger hinten unterhalb des Schädels an. Dabei sollte man darauf achten, dass die Hände sich weit hinten befinden und der Kopf nach hinten überstreckt ist. Anschließend schaut man 15 Sekunden nach rechts, dann 15 Sekunden nach links, dann 15 Sekunden nach oben – das alles, ohne den Kopf zu bewegen. An seinen Fingern sollte man spüren, wie die Muskulatur arbeiten muss. Nachdem man sich gelockert hat, zieht man den Kopf ein wenig nach oben aus seiner Lage heraus.  Über die Augenbewegung gibt man der Muskulatur also zuerst einen Impuls zur Anspannung, gefolgt von einer Dehnung. Die Übung kann man etwa fünf Mal wiederholen.

  • Übung 3

Diese Übung für eine bessere Haltung führt man am besten vor einem Spiegel aus. Dafür schiebt man den Kopf nach hinten und drückt die Hände vor dem Körper zusammen. Die Schulterblätter sind ebenfalls zusammengedrückt. Jetzt hebt man das rechte Bein zur Seite und legt den rechten Fuß am linken Knie an. Der Kopf bleibt unbeweglich, die Arme werden mit gebetsartig aneinandergelegten Händen langsam und bewusst über den Kopf gehoben - nur so weit, dass die Schultern nicht mitkommen. Wenn man die Position eine Weile gehalten hat, löst man sie und wiederholt die Übung auf der anderen Seite.

Tipps für gesünderes Sitzen

Nicht zu Unrecht wird Sitzen gern mal als "das neue Rauchen" tituliert. Acht bis neun Stunden sitzen die Deutschen im Durchschnitt am Tag, Jugendliche sogar mehr als zehn Stunden. Fakt ist: Wer dem Körper Woche für Woche 40 bis 45 Stunden den Input zu einseitigem Bewegungsverhalten gibt, darf sich nicht über die Folgen wundern. Pilates-Trainerin Kristina Dietrich hat drei Tipps, mit denen Sitzen gesünder wird.

  1. Sitzen Sie aufrecht am vorderen Ende der Sitzfläche, ohne angelehnt zu sein. Die Knie sind im 90-Grad-Winkel.
  2. Wechseln Sie zwischen dem Sitzen auf einem Stuhl (Achtung: Arbeitsplatz ergonomisch einstellen), Stehen an einem idealerweise höhenverstellbaren Tisch, Sitzen auf einem Pezziball und Gehen, z.B. bei Telefonaten, wenn möglich.
  3. Sorgen Sie für genügend gesunden Ausgleichssport. Planen Sie mindesten zwei bis drei Trainingseinheiten zu 60 Minuten pro Woche mit gezieltem Muskel- und Faszientraining ein.

Faszien-Expertin Kristina Dietrich
Pilatestrainerin Kristina Dietrich empfiehlt, bewusste Ausgleichssport in den Alltag einzuplanen. Bildrechte: Jana Olsen/MDR

MDR (cbr) Erstmals erschienen am 05.07.2022.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Hauptsache Gesund | 16. November 2023 | 21:00 Uhr

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