Folgen von Corona "Post-Covid ist kein eingebildetes Krankheitsbild"
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29. April 2024, 10:28 Uhr
Post-Covid kann sich in dauerhafter Müdigkeit, Luftnot bei leichter Belastung oder anderen Symptomen äußern. Die Krankheit schränkt Betroffene in ihrem Leben deutlich ein. In Jena gibt es ein interdisziplinäres Zentrum, an dem Patienten behandelt werden. Außerdem gibt es ein Projekt, das auch Erkrankte im ländlichen Raum erreichen soll. Prof. Dr. Andreas Stallmach leitet beides und beantwortet Fragen zu Post-Covid.
Inhalt des Artikels:
- Sind Post-Covid-Symptome immer gleich?
- Warum haben Sie in Jena ein interdisziplinäres Zentrum für Post-Covid-Patienten eingerichtet?
- Wie kann eine Behandlung im ländlichen Raum erfolgen?
- Sind Sie optimistisch, dass es in Zukunft einen therapeutischen Ansatz geben wird?
- Was ist Ihnen wichtig, zu Post-Covid zu sagen?
Was weiß man über die Ursachen von Post-Covid?
Prof. Dr. Andreas Stallmach: Die zentrale Ursache ist natürlich die Sars-CoV-2-Infektion. Dann gibt es Risikofaktoren, die das Risiko für Post-Covid erhöhen. Dazu gehören das weibliche Geschlecht, Übergewicht und Vorerkrankungen, insbesondere wenn diese aus dem Formenkreis der funktionellen Beschwerden stammen, also zum Beispiel ein Reizdarmsyndrom oder ein Fibromyalgiesyndrom.
Wir wissen auch, dass je schwerer die Infektion ist, desto höher ist das Risiko für ein Post-Covid-Syndrom. Leider können aber auch Menschen mit einer leichten Infektion ein schweres Post-Covid-Syndrom entwickeln.
Sind Post-Covid-Symptome immer gleich?
Die Post-Covid-Symptome sind nicht gleich. Es gibt eine große Gruppe von Patienten, die unter diesem chronischen Müdigkeitssyndrom leiden. Es gibt aber auch Patienten, bei denen eher Muskel- und Gelenkbeschwerden, vielleicht auch Fieber und erhöhte Temperaturen im Vordergrund stehen. Das heißt, es gibt nicht den Post-Covid-Patienten und es gibt auch nicht das Post-Covid-Krankheitsbild. Wir haben gelernt, dass es doch verschiedene Subtypen gibt. Und wahrscheinlich werden auch für diese Subtypen unterschiedliche therapeutische Ansätze notwendig sein.
Warum haben Sie in Jena ein interdisziplinäres Zentrum für Post-Covid-Patienten eingerichtet?
Das ist im Grunde genommen ganz einfach: Die Patienten haben eben nicht ein typisches Symptom. Wenn ein Patient vier, fünf verschiedene Symptome aus unterschiedlichen Organsystemen hat, brauchen Sie vier, fünf Fachvertreter, die sich zusammen um diesen Patienten kümmern müssen.
Es gibt nicht den Post-Covid-Patienten und es gibt auch nicht das Post-Covid-Krankheitsbild. Wir haben gelernt, dass es doch verschiedene Subtypen gibt.
Was war der Auslöser?
Wir haben im Februar 2020 die ersten Patienten in Thüringen betreut. Die Patienten waren in der stationären Betreuung, sind entlassen worden und nach Entlassung, das ist dann im Mai 2020 gewesen, haben die Patienten mich kontaktiert und haben gesagt: Es ist nicht so wie vorher, ich bin nicht gesund. Das ist eine ganz neue Situation für uns gewesen.
Wir haben dann versucht, in dieser Situation für die Patienten ein Behandlungsangebot zu machen und sind sehr schnell mit einer großen Anzahl von Patientenanfragen konfrontiert worden, sodass wir sehr früh dann auch unser Post-Covid-Zentrum initiiert haben, um hier eine Betreuung für die Patienten anbieten zu können.
Wie kann eine Behandlung im ländlichen Raum erfolgen?
Die Kapazitäten in Schwerpunktkliniken sind begrenzt. Es gibt sehr viele Patienten mit Post-Covid, insbesondere auch in ländlichen Regionen, und die Frage ist: Reist der Patient zum Arzt oder zur Ärztin oder kommt die Kompetenz zu den Patienten? Und da die Patienten in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, ist der zweite Weg der bessere. Das heißt, wir müssen unsere Kompetenz zu den Patienten bringen, etwa mit der mobilen Post-Covid-Ambulanz.
Die Kapazitäten in Schwerpunktkliniken sind begrenzt. Wir müssen unsere Kompetenz zu den Patienten bringen.
Wie funktioniert die ambulante Behandlung?
Das "Watch"-Projekt baut auf zwei Säulen auf. Die erste Säule ist, dass wir mit einer mobilen Post-Covid Ambulanz wohnortnah die notwendige Diagnostik für die Patienten durchführen lassen. Das heißt, der Bus fährt durch die Landkreise in Thüringen und zu festgelegten Zeitpunkten kommen die Patienten in den Bus. Hier wird die Schwere des Krankheitsbildes erfasst.
Die zweite Säule ist, dass dann über drei Monate telemedizinische Interventionen durchgeführt werden. Sie zielen darauf ab, dass die Konzentration und Aufmerksamkeit trainiert wird, aber auch bestimmte körperliche Fitnessübungen, physikalische Therapie, Yoga, Atemübungen, Entspannungsübungen vermittelt werden. Und es gibt eine Kriseninterventionstherapie, die darauf abzielt, mit der Erkrankung besser umgehen zu können.
Der Bedarf ist sehr groß und das "Watch"-Projekt kann meiner Meinung nach ein Modellprojekt für andere Erkrankung sein, die insbesondere in ländlichen Regionen nicht immer ausreichend kompetent behandelt werden können. Auch die gute Kooperation zwischen Hausärzten, kassenärztlicher Vereinigung und Krankenkassen ist beispielgebend.
Sind Sie optimistisch, dass es in Zukunft einen therapeutischen Ansatz geben wird?
Ich bin optimistisch, dass es wirksame Ansätze, wirksame Behandlung geben wird. Ob wir die in naher Zukunft haben, das bedeutet in einem halben oder einem Jahr, das weiß ich nicht. Aber es wird weltweit an diesen Fragen gearbeitet, dass ich sicher bin, dass wir das Problem lösen werden.
Was ist Ihnen wichtig, zu Post-Covid zu sagen?
Post-Covid ist kein eingebildetes Krankheitsbild. Die Menschen sind krank und die Tatsache, dass wir zum Beispiel auf dem Röntgenbild nichts sehen, heißt nicht, dass der Patient gesund ist. Sie sind in ihrer Teilhabe im Privaten, im Arbeitsleben deutlich beeinträchtigt. Ich kenne einige Patienten, die sind bettlägerig geworden, junge Menschen, und das ist bedrückend.
MDR (jvo)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 20. Februar 2024 | 16:00 Uhr