Long-Covid-Kongress in Jena Post Covid und ME/CFS: Mehr Aufklärung ist nötig

24. November 2023, 21:41 Uhr

Schmerzen, bleierne Müdigkeit und Konzentrationsstörungen: Das sogenannte chronische Erschöpfungssyndrom ist die heftigste Langzeitfolge von Corona. Tausende Kinder und Jugendliche leiden darunter. Wie ihnen geholfen werden kann? Das ist eine der großen Fragen beim Long Covid Kongress, den Ärztinnen und Ärzte gerade in Jena abhalten. Viel läuft darauf hinaus, dass Patienten einen eigenen Weg finden müssen, mit der Krankheit zu leben.

Amely Schneider hat gerlernt, auf ihren Körper zu hören: Wieviel Energie habe ich noch, was kann ich noch schaffen, auf welche Termine sollte ich vielleicht lieber verzichten? Pacing heißt die Methode, die es der jungen Weimarerin erlaubt, sicher durch den Tag zu kommen.

Chronisches Erschöpfungssyndrom durch Covid ausgelöst

Seit mehr als zwei Jahren leidet die 19-Jährige unter ME/CFS. Das chronische Erschöpfungssyndrom wurde bei Amely Schneider durch Covid ausgelöst. Zweimal innerhalb von sechs Wochen war sie daran erkrankt. Erholt hat sie sich davon bislang nicht mehr. Im Gegenteil, Amely ist schneller erschöpft als andere, kann sich nur kurz konzentrieren und braucht immer wieder lange Ruhepausen. Wenn sie nicht auf sich achtet, also nicht richtig "paced", dann schlägt der Körper mit voller Wucht zurück: Amely braucht dann Tage, um sich einigermaßen zu regenerieren.

Trotzdem hat sie dank des Nachteilsausgleichs ihr Abitur gemacht und ist zur Zeit halbtags im Bundesfreiwilligendienst für den Kinderzirkus Tasifan. Dafür kann sie viel von zu Hause aus erledigen. Das Team habe da großes Verständnis, sagt Amely.

Mehr als 100.000 Betroffene bundesweit

Wie ihr geht es bundesweit mehr als 100.000 Kindern und Jugendlichen, die in unterschiedlichen Schweregraden unter dem chronischen Erschöpfungssyndrom leiden, schätzt die Elterninitiative NichtGenesenKids. In ihr haben sich mehr als 400 Familien organisiert. ME/CFS kann viele Auslöser oder Trigger haben. Auf dem 2. Long-Covid-Kongress in Jena wird das Syndrom als extremste Form von Post-Covid, der Langzeitwirkung einer Corona-Infektion, diskutiert. Aber auch Post-Vac-Betroffene, also Menschen, die nach einer Impfung erkrankten, gehören der Elterninitiative NichtGenesenKids an.

Mehr Aufklärung über die Krankheit nötig

Elena Lierck, Mitgründerin der Inititative und selbst Mutter einer schwerkranken Tochter, kämpft dafür, dass die Krankheit stärker in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Aber auch in Fachkreisen wird das Thema immer noch zu oft abgetan: "Wir brauchen viel mehr Aufklärung und Ärzte, die sich dem Thema annehmen, dass Kinderärzte das Thema nicht mehr negieren, sondern letztendlich dem offen gegenüber stehen. Und wenn sie nicht wissen, was es vielleicht sein kann, dann wissen, an welche Ambulanz sie sich wenden können. Und wir brauchen natürlich Gelder für diese Betreuung der Ärzte."

Ärzte, die sich Zeit nehmen können, um die individuellen Patientengeschichten in den Blick zu nehmen. Denn richtige Medikamente gegen Covid-Langzeitfolgen gebe es immer noch nicht, weiß Diego Schmidt. Der Allgemeinmediziner informiert sich auf dem Long-Covid-Kongress in Jena. Schmidt bietet in seiner Berliner Praxis Sprechstunden für Long- und Post-Covid-Patienten an und sieht die Symptome als Muster: "Um eine Lösung zu finden, muss man verstehen, welche Faktoren haben denn auf dieses Kind oder auf diesen jungen Erwachsenen eingewirkt, die dann dazu geführt haben, dass diese biologischen Systeme nicht funktionert haben, wie wir uns das wünschen." Schmidt schaut auf zurückliegende Infektionen, Stress im Alltag, die Ernährung und verabreicht auch symptombedingt Medikamente. Manchmal auch, um den Patienten das regenerativen Schlafen zu erleichtern.

Ausbleibende Behandlungen und falsche Maßnahmen

Für den Hamburger Psychiater Michael Stark birgt die Unkenntnis vieler Ärzte auch eine Gefahr für Kinder und Jugendliche. Nicht nur, dass Behandlungen ausbleiben oder sich verzögern, er habe erlebt, dass die jungen Patienten unnötigerweise in Psychiatrien eingewiesen werden. "Kinder mit ME/CFS können nicht mehr zur Schule gehen. Dann werden Schulamt und Jugendamt tätig. Der Kinderarzt sagt, das Kind habe ja nichts. Das sei alles nur eingebildet oder die Eltern seien Schuld. Plötzlich landen das Kind oder ein Elternteil in der Psychiatrie."

Auch Amely Schneider hat mit der Hilflosigkeit mancher Ärzte zu kämpfen. Das führte zu starken Selbstzweifeln: "Ich dachte zu Anfang, was ist denn los mit mir, was ist denn falsch mit mir, was ist falsch mit meinem Körper und warum ich? Und dazu gibt es einfach keine Antworten. Auch die Ärzte konnten das nicht sagen. Helfen können wir Ihnen vielleicht in ein paar Jahren. Das ist extrem beängstigend."

MDR (dr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 24. November 2023 | 19:00 Uhr

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