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Tommy Frenck Immobilienkauf durch Rechtsextreme - Durchmarsch für den Neonazi
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15. Februar 2025, 06:45 Uhr
Ein Neonazi hat sich eine große Immobilie im südthüringischen Brattendorf gesichert. Dort betreibt er einen Gasthof und kann via Daueranmeldung ein Jahr lang drei Neonazi-Konzerte pro Woche veranstalten. Der Fall ist bundesweit einzigartig. Für den Neonazi war es ein Durchmarsch - praktisch ohne Hindernisse. Wie konnte es so weit kommen?
Das Neonazi-Gasthaus ist schon von Weitem erkennbar. Schwarz-weiß-rot ist die Leuchtreklame über der Eingangstür. In Frakturschrift prangt dort der Name "Eiserner Löwe". Im Fenster im oberen Stockwerk steht eine lebensgroße Ku-Klux-Klan-Figur.
Drinnen im Gastraum - so zeigen es Fotos in den Sozialen Medien - prangt eine riesige schwarze Sonne an der Decke. Im "Eisernen Löwen" speist man unter Symbolik der SS.
Der Bar-Bereich, wo Bands auftreten, nennt sich "Afrikakorps Bar". Ein Video, das der Neonazi-Gastwirt Tommy Frenck in den Sozialen Medien postete, zeigt einen "Erwin Rommel Gedenkbrunnen" als Bardekoration.
Ein Gasthaus, das Speisen und Getränke für jedermann anbiete und das sich nicht an eine bestimmte Klientel richte, so nannte die Gemeinde Auengrund (Kreis Hildburghausen) auf MDR-Anfrage den "Eisernen Löwen" im Herbst 2024, kurz nach der Eröffnung.
Der Mann hinter dem Gasthof
Offiziell gehören Immobilie und der gastronomische Betrieb seit 2018 der "Grundstücks-Gesellschaft Auengrund" (GGA) und ihrem Geschäftsführer Werner M., eine bisher politisch weitestgehend unauffällige Person, die nach MDR Investigativ-Recherchen zu Frencks erweitertem Bekanntenkreis gehört.
Frenck aber bewirbt das Restaurant und Konzerte rechtsextremer Bands in diesem Lokal. Die aktuelle Daueranmeldung für drei Konzerte pro Woche gilt laut Gemeinde für das gesamte Jahr 2025. Frencks Handynummer ist auch als Kontakt für Reservierungen auf der Gasthof-Website angegeben. Er betreibt den zum Gasthof gehörenden Merchandise-Shop. Frenck ist also zweifellos der Mann, der hier den Ton angibt.
Nach MDR Investigativ-Recherchen hat die "Grundstücks-Gesellschaft Auengrund" (GGA) drei Angestellte. Die Frage, ob auch er hier angestellt ist, auf diesem Wege auch die Geschäfte des Gasthofes führt, hat Tommy Frenck auf MDR Investigativ-Anfrage nicht beantwortet. Warum aber hat er den Gasthof nicht einfach selbst gekauft und dort unter seinem Namen ein Gastgewerbe angemeldet?
Immobilienkauf durch Strohmann?
Bereits seit 2014 war Frenck in einen Rechtsstreit mit der Gemeinde Kloster Veßra um das Vorkaufsrecht an seinem alten Gasthof "Goldener Löwe" verwickelt. Gleichzeitig war der Neonazi durch eine Serie großer Rechtsrockkonzerte bundesweit bekannt geworden. Ein unbemerkter Immobilienkauf dürfte für ihn selbst kaum möglich gewesen sein.
Berichten von Menschen aus der Region zufolge soll Frenck in den Monaten vor dem Kauf des Gasthofs durch die "Grundstücks-Gesellschaft Auengrund" aktiv auf der Suche nach einer neuen Immobilie gewesen sein. Auch die Brattendorfer Immobilie wurde schon damals von Szenekennern als ein für den Neonazi potenziell interessantes Objekt eingeschätzt. Die MDR Investigativ-Anfrage, ob er den Gasthof im Auftrag von Frenck gekauft hat, ließ Werner M. unbeantwortet.
Nach MDR-Informationen war der Gasthof bereits im Herbst 2017 auf einer Immobilienplattform für 289.000 Euro ausgeschrieben worden. Ende 2018 kaufte ihn Werner M. mit seiner Grundstücks-Gesellschaft nach MDR Investigativ-Informationen für 255.000 Euro, aufgeteilt in zwei Raten.
M. hatte die GGA erst im Oktober 2018, also nur wenige Wochen vor dem Immobilienkauf gegründet, zunächst mit dem Unternehmenszweck "Erwerb von Grundstücken zum Zweck der Vermietung und Verpachtung". Doch bereits im Dezember, kurz vor dem Inkrafttreten des Kaufvertrags, erweiterte M. den Unternehmenszweck der GGA im Handelsregister um "das Betreiben gastronomischer Einrichtungen".
Gastronomie mit rechtsextremen Verbindungen
Nach Recherchen von MDR Investigativ lief der alte Gastbetrieb unter dem Gewerbe der alten Besitzer trotz des Verkaufs noch ein paar Monate weiter. Einer, der hier offenbar bereits mitmischte, war Benjamin D., ein Neonazi aus dem Erzgebirge, der bei Frenck als Koch gearbeitet haben soll. Im Frühjahr 2019 kandidierte D. für Frencks rechtsextremes "Bündnis Zukunft Hildburghausen" zur Kommunalwahl. Als Meldeadresse des Kandidaten war im Hildburghäuser Amtsblatt die Adresse des Brattendorfer Gasthofs in der Schleusinger Straße 37 angegeben. Hier tauchte schon früh eine Verbindung zwischen Frenck und dem Gasthof auf. Mehrere antifaschistische Medien berichteten zu dem möglichen Immobilienkauf über Strohmänner durch die rechtsextreme Szene.
Dann änderte sich das gastronomische Konzept. Für rund ein Jahr eröffnete Ende 2020 das sogenannte "Pizza House Brattendorf" an der Adresse Schleusinger Straße 37. In Südthüringen sind nach MDR Investigativ-Recherchen seit 2016 mehrere solcher "Pizza House"-Imbisse entstanden, einige schlossen nach kurzer Zeit, andere gibt es bis heute. Gemeinsam sind ihnen das gastronomische Angebot, der Name und die identischen Menükarten.
Als Partner wird auf diesen Karten neben der Kanzlei eines Anwalts, der häufig Neonazis vor Gericht vertritt, auch ein Tattoo-Studio genannt, das Frencks engem Vertrauten und Tätowierer, dem Suhler Neonazi Denny S. gehört. S., der früher für die Neonazi-Marke "Ansgar Aryan" modelte, hatte bereits Mitte der 2010er-Jahre einen ersten Pizza-Imbiss in Suhl eröffnet. Heute gehören Inhaber und Teile der Belegschaft der "Pizza Houses" zum Freundeskreis von Denny S.
Auch Werner M., offizieller Besitzer des Brattendorfer Gasthofs "Eiserner Löwe", warb in den Sozialen Medien für "Pizza House"-Imbisse. Das Brattendorfer "Pizza House" schloss im Mai 2022. Laut Gemeindeverwaltung wurden als Gründe hierfür wirtschaftliche Schwierigkeiten angegeben.
Laut Landratsamt hatte Frenck selbst dann am 3. September 2024 ein Gewerbe namens "Goldener Löwe" in Brattendorf angemeldet. Geschäftsinhalte unter anderem: Franchise-Beratung, Franchise-Vereinbarungen. Die Frage nach einer möglichen Verbindung zwischen ihm und den Südthüringer "Pizza-Houses" hat Tommy Frenck nicht beantwortet.
Unübersichtliche Online-Geschäfte
Die Gastronomie ist jedoch nur ein Teil der Geschäfte an der Schleusinger Straße 37. Bereits im März 2020, also kurz bevor sich Frenck ins Brattendorfer Grundbuch eintragen ließ, wurde der Unternehmensgegenstand von Werner M.s "Grundstücks-Gesellschaft" ein drittes Mal erweitert. Neben der Immobilienverpachtung und dem Betreiben gastronomischer Betriebe wurde als Zweck "der Online-Handel sowie der Verkauf von Textilien und Merchandise-Artikeln" im Handelsregister der Grundstücks-Gesellschaft eingetragen.
Nur wenige Monate später wurden zwei rechtsextreme Szeneversände aus der Nähe von Göttingen an der Brattendorfer Adresse angemeldet. Die Online-Plattformen lassen sich in einem Fall direkt und im anderen Fall über das Umfeld einem bekannten Neonazi aus dem Spektrum der rechtsextremen Hooligan-Band "Kategorie C" zuordnen, die regelmäßig bei Frenck auftritt. Im Versandimpressum steht jeweils Werner M.s Grundstücksgesellschaft GGA, in einem Fall aber mit Tommy Frencks Handynummer.
Praktisch zeitgleich gründete Frenck die "Druck 18 GmbH". Sein Versand "Druck 18" war vorher lediglich über ein Gewerbe angemeldet gewesen. 2021 schrieb die neue "Druck 18 GmbH" plötzlich ein Minus. Hatte Frenck das Versandgeschäft auf die Neonaziversände verteilt, die offiziell der GGA-Grundstücksgesellschaft gehörten?
Nach MDR Investigativ-Recherchen schrieb die GGA im Gegenzug 2021 erstmals schwarze Zahlen. Offenbar liefen die Geschäfte für Frenck so gut, dass er sich 2021 nach MDR Investigativ-Recherchen praktisch zeitgleich eine ganze Reihe rechtsextremer Versanddomains sicherte, in deren Impressum wiederum sein Gewerbe "Werbetechnik Tommy Frenck" steht. Auch die Fragen zu seinem Versandgeflecht und möglichen Verbindungen zu den Neonaziversänden von Werner M. hat Tommy Frenck auf Anfrage nicht beantwortet.
Steuerschulden als Immobilienbürgschaft?
Dass Frenck im Zusammenhang mit der Brattendorfer Immobilie im Hintergrund blieb, könnte neben dem andauernden Rechtsstreit um seinen Gasthof in Kloster Veßra noch einen zweiten Grund haben. Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen hatte im Herbst 2023 Anklage gegen den Neonazi erhoben. Sie wirft ihm die Hinterziehung von Gewerbe- und Umsatzsteuer aus dem Jahr 2017 in Höhe von 141.000 Euro vor. Laut Staatsanwaltschaft erfuhr Frenck von den Ermittlungen bereits im Rahmen einer Durchsuchung im Frühjahr 2018 - also rund ein Dreivierteljahr vor dem Immobilienkauf durch Werner M. und seine "Grundstücks-Gesellschaft Auengrund."
Im Frühjahr 2020 ließ sich der Neonazi mit einer Grundschuld in Höhe von 140.000 Euro ins Grundbuch des Brattendorfer Gasthofs eintragen. Eine Summe, die fast identisch ist mit den mutmaßlich hinterzogenen Steuerschulden. Ein Zufall? Wollte Frenck das Geld vor einem befürchteten Zugriff der Behörden sichern? Auch diese Frage hat Tommy Frenck unbeantwortet gelassen. Mit der Grundschuld hält Frenck nun einen Anteil an der Immobilie.
Verfassungsschutz wusste seit Jahren von rechtsextremen Umtrieben
Als Frenck 2023 in letzter Instanz den juristischen Kampf um seinen Gasthof "Goldener Löwe" im benachbarten Kloster Veßra verlor, hatte er sich bereits in Brattendorf eine geschäftliche Infrastruktur aufgebaut. Warum schlugen die Behörden nicht eher Alarm? Was wusste man wann über die rechtsextremen Aktivitäten in Brattendorf?
Auf Anfrage teilte das Thüringer Amt für Verfassungsschutz MDR Investigativ mit, der Kauf des Gasthofes durch die GGA, sei der Behörde bereits 2018 bekannt geworden. Hinweise, dass Frenck dort geschäftlich beteiligt sei, würden bis ins Jahr 2020 zurückreichen. Erste gastronomische Aktivitäten habe Frenck bereits im Herbst 2022 begonnen - erklärte der Nachrichtendienst. Offenbar schien das Amt von Anfang an sehr genau im Bilde gewesen zu sein, was sich in dem Gasthof tat und wer dort die Fäden zog.
Behörden wurden spät aktiv
Sicherheitsbehörden in Thüringen haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten viel Erfahrung mit dem Kauf von Immobilien durch die rechtsextreme Szene gesammelt. Wie konnte es dem Neonazi trotzdem gelingen, sich nur wenige Kilometer von seinem Gasthof in Kloster Veßra entfernt ein Nachfolgeobjekt zu sichern?
Erst 2024 - rund sechs Jahre nachdem der Verfassungsschutz Informationen hatte - wurden offenbar das Innenministerium und das Landeskriminalamt aktiv. Auf Anfrage erklärt ein Sprecher des Thüringer Innenministeriums: Im August 2024 habe in der Gemeinde Auengrund unter Teilnahme von Vertretern des Landratsamtes, der Ordnungsbehörde und dem Bürgermeister eine Dienstberatung unter anderem zur künftigen Nutzung des Gasthauses in Brattendorf stattgefunden. "Die Taskforce Versammlungslagen, Vertreter des Landeskriminalamts und des Amts für Verfassungsschutz wurden hierzu ebenfalls eingeladen."
Im Rahmen dieser Beratung sei über mögliche Auflagen hinsichtlich angemeldeter Veranstaltungen des Betreibers des Gasthauses gesprochen worden - so das Innenministerium. Im Anschluss seien umfangreiche Auflagen erteilt worden.
Für Frenck hat das augenscheinlich keine großen Auswirkungen: Dank Daueranmeldung kann er jede Woche drei Neonazi-Konzerte veranstalten. Ganz offiziell, wenn auch im kleinen Rahmen von maximal erlaubten 40 Gästen. Noch: Denn der Gasthof bietet innen wie außen mehr Potenzial. Die dazugehörende Außenfläche bietet ausreichend Platz für Konzerte mit mehreren Hundert Teilnehmern. Bis die Rechtsrockfestivals nach Südthüringen zurückkehren, scheint es nur eine Frage der Zeit.
Auch sein Versand-Angebot konnte Frenck in den vergangenen Jahren vergrößern. Im "Eisernen Löwen" gibt es einen Laden für rechtsextreme Kleidung. In Südthüringen ist in den vergangenen sechs Jahren nahezu ungestört ein neues rechtsextremes Geschäftsbiotop herangewachsen, gegen das die Behörden nun kaum noch etwas unternehmen können.
MDR (gh)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 14. Februar 2025 | 19:00 Uhr