Kunst und Eskapismus Ausstellung in der Kunsthalle Erfurt zeigt Ästhetik der Niedlichkeit
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08. März 2025, 16:00 Uhr
Zarte Farben, possierliche Fabelwesen, große Kulleraugen: Die Ästhetik der Niedlichkeit hat die zeitgenössische Kunst erobert. Die Ausstellung "The Cute Escape" widmet sich diesem Phänomen in Malerei, Skulptur oder Fotografie. Kunst, die mit diversen Facetten von Niedlichkeit spielt. Die Schau zeigt regionale Künstlerinnen und Künstler wie Mona Broschár und Harry Hachmeister, aber auch internationale Kunst.
- Die Ausstellung beschäftigt sich mit dem Phänomen der "Cute Art".
- Seit den Nullerjahren spielt Niedlichkeit eine Rolle in der Kunst und Kultur.
- Die Schau setzt sich kritisch mit der aktuellen Kinder- und Jugendkultur auseinander.
Was steckt hinter dem Phänomen der sogenannten "Cute Art"? Was passiert, wenn Kunst nicht mehr schockiert, sondern tröstet und streichelt? Die Kunsthalle Erfurt taucht in ihrer neuen großen Schau "The Cute Escape" in die wundersame Kunstwelt der neuen Niedlichkeit ein und präsentiert Skulpturen, Videos und Malerei mit zum Teil internationalen Positionen.
Die Ausstellung beginnt zunächst mit einem Blick auf ein Stillleben des Erfurter Barockmalers Jacob Samuel Beck (1715 - 1778): Darauf hocken zwei entzückende Meerschweinchen neben ausgebreitetem Gemüse. Behutsam schnuppern sie an Wirsing und Kohlrabi. Philipp Schreiner, Mitkurator der Ausstellung, betont, dass dieser Schatz der Erfurter Kunstmuseen sonst in der Dauerausstellung des Angermuseums hängt: "Aufgrund der verlängerten Nerly-Schau konnten wir das Bild in die Kunsthalle holen."
Niedlichkeit als Kulturphänomen seit den Nullerjahren
Niedlich zu sein, war schon immer von Vorteil, stimuliert und manipuliert dies doch die Umwelt zu Handlungen im Sinne des jeweils niedlichen Wesens. Auch in der Kunst, Musik, Literatur lassen sich unendliche Beispiele zur Niedlichkeit finden.
Jedoch ist die "Cuteness" als Kulturphänomen seit den Nullerjahren zu neuer Bedeutung gelangt. "Hello Kitty", Mangas, die japanische Kawaii-Ästhetik setzten den Trend. Wobei Kawaii auf Japanisch ebenfalls liebenswert, süß oder niedlich heißt.
Kitsch gewinnt eine neue Relevanz
In der Ausstellung der Kunsthalle, die sich über mehrere Etagen erstreckt, zieht eine Vitrine den Vergleich zwischen der süßlichen Kawaii-Kultur, die vor rund 20 Jahren Einzug in die Kinder- und Jugendzimmer hierzulande hielt, und dem herkömmlichen, allbekannten Kitsch.
"Unter den Bedingungen der sozialen Medien sowie im Kontext gesellschaftspolitischer Diskurse erlebte Kitsch eine späte Aufwertung und gewinnt neue Relevanz in der asiatisch geprägten Kultur der Niedlichkeit", betont Annekathrin Kohout, Gastkuratorin der Ausstellung. An der Berliner Universität der Künste lehrt sie zu "Kitsch und Cute - zwischen Sentimentalität und Subversion".
Kuschelig und grotesk wird es etwa in der Schau im 2. Stock. Dort hat die in Leipzig und Dresden arbeitende Bildhauerin Theresa Rothe einen Raum, von der Decke bis zum Fußboden, farbig mit Plüsch überzogen, darin tummeln sich überdimensionierte, fantastische Tierwesen: Spinnenartige, Wurmartige, Affenartige, sonst im Keller oder in unserer Fantasie anzutreffen. In sehr freundlichen Farben laden sie zum Spielen und Schmusen ein, ihre abstrusen Gestalten lassen uns aber zögern.
Wer ins Reich der Niedlichkeit flüchtet, pflegt eine Art von Eskapismus.
Plüsch und Plastik: Von der Flucht ins Reich der Niedlichkeit
Über 20 Kunstpositionen versammelt die Ausstellung, auch internationale Positionen sind dabei. Einen ganzen Altar der Niedlichkeit kreierte die Künstlerin Lisa Mayer aka "Hypernormalisa". Ihr Werk gleicht einem Wimmelbild und kakophonischen Alptraum aus dem Kinderzimmer: Spielzeugfiguren, Filly-Pferdchen, Plüschtiere, Puppen und sonstige Kindheitshelden aus Plastik verschmelzen zu einem Opfertisch, auf dem unser Realitätssinn zurückbleibt? Wer ins Reich der Niedlichkeit flüchte, pflege eine Art von Eskapismus, sagt Annekathrin Kohout.
Kulturkritische Auseinandersetzung mit der Kinder- und Jugendkultur
Auch malerische Positionen versammelt diese unbedingt sehenswerte Ausstellung, leistet sie doch eine kulturkritische Auseinandersetzung mit der aktuellen Kinder- und Jugendkultur, die manch Ältere immer noch unvorbereitet trifft. So zeigt Harry Hachmeister aus Leipzig ein humorig-abgründiges "Selbstportrait als Eisbär".
Mona Broschár, ebenfalls aus Leipzig, liefert zuckrig-süße Baiser-und Sahnehäubchen-Momente per Pastellfarben in Öl.
Und dass Malerinnen bereits in den 1960ern per Bild über die Zukunft der Jugend nachdachten, bekunden drei großformatige Acrylgemälde der Berliner Malerin Christa Dichgans. Spielzeug liegt hier im Wust wild durcheinander, im Kinderzimmer neben Hämmern und Wasserwagen. Eine Art Puppen-Plüschtier betrachtet mit aufgerissenen Augen diese überbordende Szenerie, die auch den Betrachtern Fragen aufgibt.
Weitere Informationen:
"The Cute Escape" ist vom 9. März bis zum 18. Mai in der Kunsthalle Erfurt zu sehen.
Adresse:
Kunsthalle Erfurt
Fischmarkt 7
99084 Erfurt
Öffnungszeiten:
- Dienstag bis Sonntag: 11 – 18 Uhr
- Donnerstag: 11 – 22 Uhr
Quelle: MDR KULTUR (Ulrike Thielmann), Kunsthalle Erfurt, redaktionelle Bearbeitung (nvm, lm)
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 08. März 2025 | 15:30 Uhr