Medienwissenschaftler Marcel Machill (BSW, l-r), Jörg Scheibe, Co-Vorsitzender des BSW Sachsen, Sabine Zimmermann, Co-Vorsitzende des BSW Sachsen, und Doreen Voigt (BSW), Landtagsabgeordnete, kommen zu einem weiteren Gespräch zu einer möglichen Regierungsbildung von CDU, BSW und SPD an der Sächsischen Staatskanzlei an. 4 min
Medienwissenschaftler Marcel Machill zusammen mit den Co-Vorsitzenden des BSW-Sachsen, Jörg Scheibe und Sabine Zimmermann sowie der BSW-Landtagsabgeordneten Doreen Voigt (v.l.n.r) auf dem Weg zu einem Gespräch über eine möglichen Regierungsbildung von CDU, BSW und SPD in Sachsen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Robert Michael

Bundestagswahl Schwere Vorwürfe gegen BSW-Spitzenkandidat Machill

30. Januar 2025, 15:38 Uhr

Er ist Professor an der Leipziger Uni und seit kurzem sächsischer Spitzenkandidat des BSW für die Bundestagswahl. Nun aber kommen schwere Vorwürfe gegen Marcel Machill auf. Es geht um angeblichen Machtmissbrauch und hohe Reisekosten, finanziert auch von Spendengeldern der Universitätsgesellschaft. Die kündigt eine umfangreiche Prüfung an – denn ihr drohen nun nicht nur Steuernachzahlungen, sondern auch eine Diskussion um die Frage, ob sie gemeinnützig bleiben kann.

Marcel Machill, BSW-Spitzenkandidat in Sachsen, soll Spenden für die Ausbildung von Studierenden für teure Reisen verwendet haben. Zudem soll er als Professor fachlich massiv enttäuscht haben: Von einem Klima der Angst, Machtmissbrauch und einem zerrütteten Verhältnis ist die Rede.

Überraschender Werdegang beim BSW

Medienwissenschaftler Marcel Machill
Der Medienwissenschaftler Marcel Machill ist Spitzenkandidat des BSW in Sachsen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Kahnert

Machill selbst bestreitet alle Vorwürfe. Bislang war der Journalistik-Professor, der 2002 nach Leipzig kam, politisch nicht in Erscheinung getreten. Im Sommer 2024 trat er dem "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW) bei und nahm dort einen überraschenden Werdegang: Ohne Amt oder Mandat verhandelte er an der Seite von Landeschefin Sabine Zimmermann in den Sondierungen mit CDU und SPD, angeblich als "Chefberater". Machill sagt, er habe in den Verhandlungen eine tonangebende Rolle gehabt.

In Sachsen platzten die Gespräche, anders als in Brandenburg und Thüringen. Nun will Machill in den Bundestag, ließ sich dafür in Sachsen zum Spitzenkandidaten wählen. Doch die Personalie ruft immer mehr Kritiker auf den Plan, die sich auch öffentlich fragen, ob sie diesem Mann ein Mandat oder gar politische Verantwortung übertragen würden.

Ein angesehener Verein in der Krise

Die Leipziger Universitätsgesellschaft blickt auf eine über 100-jährige Geschichte zurück. Der Verein hat sich die "Förderung von Wissenschaft und Forschung" an der Universität Leipzig zum Zweck gegeben. Dafür wirbt er Gelder ein, um Projekte zu unterstützen, die aus dem Haushalt der Universität nicht finanziert werden können.

Nun aber sieht sich der Verein einer handfesten Krise gegenüber. Auslöser: Marcel Machill und die Frage, ob Gelder zu Unrecht als Spenden deklariert wurden.

Spenden für "Lehrredaktion" im Mittelpunkt

Das Verlagsgebäude der Leipziger Volkszeitung
Das Verlagsgebäude der Leipziger Volkszeitung. Bildrechte: IMAGO / Peter Endig

Ein vom Verein gefördertes Projekt war die "Lehrredaktion Campus": Um journalistische Arbeit zu erlernen, gestalteten Studierende journalistische Inhalte, die danach in der Leipziger Volkszeitung (LVZ) veröffentlicht wurden. Später überwies die Zeitung einen hohen vierstelligen Betrag an den Förderverein: "zur Unterstützung der Journalistenausbildung", wie deren Geschäftsleitung auf Anfrage des MDR betont.

Sobald dieses Geld beim Förderverein eingegangen war, wandte der sich mit einem Formblatt an den Verantwortlichen des jeweiligen Projektkontos – und der hieß seit 2012 und bis 2016: Marcel Machill. Per Unterschrift ließ sich der Verein bestätigen, dass es sich bei dem eingegangenen Geld tatsächlich um Spenden handelte und warnte ausdrücklich: Verstöße könnten zur Versagung der Gemeinnützigkeit für den gesamten Förderverein führen.

Zweifel an Spendenzahlung ohne Gegenleistung

Der Grund: Spende kann nur sein, was unentgeltlich geleistet wurde. Birgit Weitemeyer, Inhaberin des Lehrstuhls für Steuerrecht an der Bucerius Law School: "Die Unentgeltlichkeit fehlt, wenn der 'Spender' eine Gegenleistung des Empfängers erhält. Ein Spendenabzug ist darüber hinaus aber bereits ausgeschlossen, wenn die Zuwendung an den Empfänger unmittelbar und ursächlich mit einem vom Zuwendungsempfänger oder einem Dritten gewährten Vorteil zusammenhängt."

Und genau daran gibt es erhebliche Zweifel. Ist das, was die Lehrredaktionen der LVZ lieferten, eine Gegenleistung? Immerhin schreibt Machill in seinen Schreiben dorthin über Jahre hinweg von "Produktion", von "Zulieferung" und "journalistischen Leistungen" und von "Honorar für das Kalenderjahr", das er "in Rechnung" stelle. Im gleichen Atemzug versicherte er, der Betrag – in der Regel hohe vierstellige Beträge – würde für die Lehrredaktion verwendet und könne darum als Spende abgesetzt werden. Die LVZ bestätigt auf MDR-Anfrage, entsprechende Spendenbescheinigungen erhalten zu haben.

Fragwürdiges Vorgehen des Professors

Ein fragwürdiges Vorgehen des Professors, das für die Leipziger Universitätsgesellschaft in einem Desaster enden könnte: Ihr droht die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für die vergangenen zehn Jahre. Der Verein zeigte sich auf MDR-Anfrage überrascht: "Der Verein hat Spenden und deren Verwendung grundsätzlich auf Basis der dem Verein damals vorgelegten Belege bearbeitet", heißt es. Mit anderen Worten: Auf Machills Bestätigungen habe man sich verlassen. Man werde die Vorgänge "sorgfältig prüfen und sich zu den Fragestellungen mit den beteiligten Institutionen abstimmen".

Machill sieht keine Schuld bei sich

Eine Prüfung, die auch die Finanzverwaltung interessieren dürfte: Insgesamt geht es nach MDR-Recherchen um 33.500 Euro, bei denen fraglich ist, ob Machill sie zu Unrecht als Spende freigezeichnet hat.

Der ist sich keiner Schuld bewusst: Warum und in welchem Kontext er das Wort "Honorar" verwendet habe, könne er nicht nachvollziehen. Die Kooperation mit der LVZ sei von seinem Vorgänger begründet worden, möglicherweise habe er einfach eine alte Schreibvorlage weiterverwendet. Eine Gegenleistung habe es da nicht gegeben, so Machill, die Spenden seien allen Lehrredaktionen zugute gekommen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Viele Fragen rund um eine Reise Machills nach Singapur und Kambodscha.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR exakt | 29. Januar 2025 | 21:15 Uhr

Mehr aus der Landespolitik

Mehr aus Sachsen

Teilnehmer einer Demonstration gegen die Bundestags-Abstimmung zur Migrationspolitik stehen auf dem Schlossplatz und halten ein Schild mit der Aufschrift «5 Punkte Schmarrn». 2 min
Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Kahnert
2 min 30.01.2025 | 19:10 Uhr

Demo"ausgeMerzt!"?, Holocaust Fotograf gibt Bundesverdienstkreuz zurück, Schüler unter Verdacht: Drei Themen vom 30. Januar. Das SachsenUpdate kurz und knackig. Präsentiert von Christine Pesch.

MDR SACHSEN Do 30.01.2025 18:01Uhr 02:05 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/video-brandmauer-merz-holocaust-schule-sachsenupdate-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video