Machill an der Uni Leipzig "ein Herrscher ohne Reich"?
- Seit Jahren keine Veröffentlichungen auf Machills Uni-Profil vermerkt.
- Mitglied der Berufungskommission bereut Entscheidung.
- Geplante Reform der Journalistik sorgte für Streit zwischen Machill und Uni-Leitung.
- Universität entzog Machill Mittel und Mitarbeiter.
- Machill gilt weiter als unbescholten.
Dabei galt Machill bei seiner Berufung als talentiert, gut vernetzt und intelligent. Er sollte die Leipziger Journalistik auffrischen. "Ich habe Herrn Machill als Professor wahrgenommen, der mit großem Potential und entsprechenden Hoffnungen der Fakultät berufen wurde", erinnert sich Beate Schücking, ehemalige Rektorin der Universität. "Doch ein Engagement in und für die Uni Leipzig, messbar an gemeinsamen Projekten, Anträgen mit Kollegen vor Ort, war leider kaum sichtbar", so Schücking weiter. Sie wundere sich deshalb, dass Machill nun für Leipzig kandidiere.
Nur eine zweiseitige Buchbesprechung seit 2014 vermerkt
Nicht nur als Kollege, auch als Wissenschaftler scheint Machill in ihn gesteckte Erwartungen enttäuscht zu haben. "Er hat wenig publiziert im Vergleich zu Kollegen", sagt die ehemalige Uni-Rektorin Beate Schücking. Und tatsächlich ist auf Machills Universitäts-Profil seit 2014 lediglich eine Buchbesprechung vermerkt, Umfang: zwei Seiten. Auch betreute Doktorarbeiten, Auszeichnungen oder größere Forschungsprojekte, für die Machill Drittmittel eingeworben haben könnte, sucht man vergebens. In der Projektdatenbank der Deutschen Forschungsgemeinschaft taucht er gar nicht auf.
Machill antwortet auf MDR-Anfrage, seine Berufungsvereinbarung sehe keine Verpflichtung zu Veröffentlichungen vor. Er habe aufgrund anderer Verpflichtungen keine Kapazitäten gehabt, mittlerweile seien ihm andere Formate wichtiger geworden als Fachartikel.
Mitglied der Berufungskommission bereut Entscheidung
Rüdiger Steinmetz überzeugt das nicht. Er war Professor am gleichen Institut wie Machill und Mitglied jener Berufungskommission, die Machill nach Leipzig holte. Heute bereut er das: "Kurze Zeit, nachdem er berufen war, zeigte sich, dass sich nicht verwirklicht hat, was er so angedeutet hat. Und es machte sich eine große Enttäuschung zunächst bei mir, aber dann auch bei vielen anderen Kolleginnen und Kollegen am Institut breit", so Steinmetz im Interview mit dem MDR. Für ihn ist Machill ein "Blender".
Spätestens ab 2010, als Machill die Leitung der Abteilung Journalistik übernahm, kam es zunehmend zu Konflikten mit Mitarbeitenden wie mit Studierenden. Hohe Wellen schlug ein Streit mit Studierenden, nachdem Machill einen Studenten abgemahnt hatte, der sein Buch für andere Studierende, die es zur Prüfungsvorbereitung brauchten, unerlaubt kopiert und verbreitet hatte.
Streit um Reform der Journalistik zwischen Machill und Uni-Leitung
Steinmetz war auch dabei, als der Konflikt mit Machill seinen Höhepunkt erreichte. Die Journalistik an der Uni Leipzig sollte ab 2017 reformiert werden, auch aufgrund von massiver Kritik durch Studierende. Den neuen Kurs, sagt Machill, habe er falsch gefunden. "Deshalb habe ich mich geweigert, an dieser Reform mitzuwirken" – eine Weigerung, die offenbar recht umfangreich war.
Es soll zu einer verbalen Auseinandersetzung mit dem damaligen Dekan Roger Berger während einer Sitzung der Reformkommission gekommen sein. Menschen, die damals im Raum waren, erinnern sich, Berger habe Machill irgendwann aufgefordert, den Raum zu verlassen. Der aber soll sich geweigert haben. Berger habe sich körperlich vor Machill aufbauen müssen, damit dieser den Raum verließ. Machill bestreitet das.
Zugriff auf Mitarbeiter und Konto entzogen
Irgendwann, so berichten es übereinstimmend mehrere Quellen, habe man Machill "entmachten" müssen. Heute hat Machill weder ein Sekretariat noch Mitarbeiter. Der Zugriff auf die Projektkonten wurden ihm entzogen. Obwohl er Professor für Journalistik ist, unterrichtet er zwar in den Medienwissenschaften, im Journalistik-Masterstudiengang lässt man ihn jedoch gar nicht mehr unterrichten. "Seit etwa zehn Jahren ist er quasi ein Herrscher ohne Reich", sagt Rüdiger Steinmetz.
Machill erinnert sich ganz anders an diese Zeit. Dem Dekanat sei es nicht um eine ergebnisoffene Diskussion über eine Neuausrichtung der Leipziger Journalistik gegangen, sondern "um eine Zerschlagung der vollständigen Journalistenausbildung". Dagegen habe er protestiert. In der Folge habe man ihm Mitarbeiter und Mittel entzogen.
Ehemalige Studierende bringen weiteren Vorgang ins Spiel
Bis heute erinnern sich ehemalige Studierende an diese Zeit als chaotisch. Sie litten unter der Fehde, fühlten sich als Spielball. Ruft man einige von ihnen an, kommt schnell noch ein ganz anderer Vorgang zur Sprache: Machill soll als Professor um 2004 herum ein Verhältnis mit einer Studentin gehabt haben. Just diese Studentin habe damals eines der begehrten und raren Volontariate beim Westdeutschen Rundfunk erhalten.
Zu den Vorgängen befragt, antwortet Machill lediglich, über die Vergabe der Volontariate habe eine Kommission entschieden, nicht eine einzelne Person, er selbst habe die Organisation des Verfahrens erst 2010 übernommen.
"Frau Rahimi" springt Machill bei
Machill wehrt sich gegen die Anwürfe, auch wenn er für seine Darstellungen keine Belege übergeben wollte – und bekommt im Verlauf der Recherche Unterstützung. Überraschend meldet sich eine undurchsichtige Beraterin, die sich auch auf mehrfache Nachfrage nur als "Frau Rahimi" vorstellt, partout weder Vorname noch Funktion nennen will, aber bei einem später vereinbarten vertraulichen Gespräch, aus dem nicht zitiert werden darf, immer dann reingrätscht, wenn es allzu kritisch wird.
Machill gilt weiter als unbescholten
Zum ganzen Bild gehört allerdings auch: Machill wurde bislang weder personal- noch disziplinar- oder gar strafrechtlich belangt. Eine anonyme Strafanzeige aus dem November 2024 hat die Staatsanwaltschaft Leipzig nicht weiter verfolgt. Ob die Unterlagen, die der MDR auswerten konnte, dort auch vorlagen, ist nicht bekannt.
Formal gesehen ist Machill also unbescholten. Aber reicht das, um sich glaubwürdig um Vertrauen für ein Mandat und politische Verantwortung zu bewerben? Von den Menschen, mit denen MDR Investigativ für diese Recherche sprechen konnte, beantwortete niemand diese Frage mit Ja – das sei weniger eine juristische, sondern eine ethische, moralische und vor allem charakterliche Frage, so das einhellige Urteil.
Transparenz-Hinweis
Die Autoren haben selbst am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft, an der Abteilung Journalistik und teilweise bei Professor Machill studiert.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR exakt | 29. Januar 2025 | 21:15 Uhr
Seite 4 von 4
- Seite 1: Vor Bundestagswahl: Schwere Vorwürfe gegen BSW-Spitzenkandidat Marcel Machill
- Seite 2: Viele Fragen rund um eine Reise Machills nach Singapur und Kambodscha
- Seite 3: Beschwerden über Machill berichten von "angstgeladener Atmosphäre"
- Seite 4: Machill an der Uni Leipzig "ein Herrscher ohne Reich"?