Sondierung gescheitert Keine Brombeer-Koalition in Sachsen - CDU und SPD geben Wagenknecht die Schuld
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06. November 2024, 17:40 Uhr
Eigentlich sollte am Donnerstag ein Ergebnis der Sondierung von CDU, BSW und SPD in Sachsen vorgestellt werden. Doch soweit wird es nicht kommen. Einen Tag vorher hat das BSW die Gespräche platzen lassen, sehr zur Überraschung von Christ- und Sozialdemokraten. Diese sahen den Beginn konkreter Koalitionsverhandlungen in greifbarer Nähe. Für sie ist Sahra Wagenknecht für das Scheitern der Gespräche verantwortlich.
Die Sondierungen von CDU, Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und SPD zu einer möglichen gemeinsamen Regierungskoalition in Sachsen sind gescheitert. Das BSW teilte am Mittwochnachmittag mit, die Gespräche ergebnislos abgebrochen zu haben. Man habe sich bei der vom Bündnis geforderten Friedensformel sowie bei der Migrationspolitik und im Bereich Finanzen nicht einigen können.
BSW gibt Union und Sozialdemokraten die Schuld
Ausschlaggend seien jedoch die unterschiedlichen Auffassungen zum Thema Krieg und Frieden gewesen, erklärte BSW-Landeschefin Sabine Zimmermann. Sie warf CDU und SPD vor, einem Bekenntnis zum Frieden nicht zustimmen zu wollen, obwohl ihre Partei ihnen eine Brücke gebaut und nicht verlangt habe, sich aktiv gegen eine Raketenstationierung auszusprechen. Die Sondierungspartner hätten sich jedoch ideologisch eingemauert.Wer so Politik mache, verliere die Menschen im Land.
Zimmermann kritisierte außerdem ein mangelndes Entgegenkommen der CDU bei der Frage nach der Aufnahme von Krediten, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Der SPD warf sie eine Komplettverweigerung bei der Migrationspolitik vor, so zu einer Verpflichtung von Migranten zu gemeinnütziger Arbeit. Das BSW werde nun versuchen, in der Opposition im Sächsischen Landtag seine Themen durchzusetzen, kündigte die Landeschefin an.
CDU und SPD unvorbereitet getroffen
Die Sondierungspartner reagierten überrascht und enttäuscht auf den Abbruch der Gespräche. Dies sei nicht vorherzusehen gewesen, erklärten sowohl die CDU-Verhandlungsführer Michael Kretschmer und Christian Hartmann als auch Henning Homann und Petra Köpping von der SPD. Noch am Vormittag seien die Arbeitsgruppen gut vorangekommen, sagte Homann. Sein Eindruck sei gewesen, dass auch die BSW-Vertreter von der Rückzugsanordnung ihrer Parteispitze überrascht gewesen seien.
Nach Ansicht des SPD-Landeschefs sind die Sondierungen am machtpolitischen Kalkül von Sahra Wagenknecht gescheitert. Die amtierende Sozialministerin Köpping verwies darauf, dass sich in ihrer Arbeitsgruppe alle drei Seiten schon zu 95 Prozent einig gewesen seien.
Kretschmer gibt Wagenknecht die Schuld
Auch CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer zeigte sich überzeugt, dass die BSW-Namensgeberin und Bundesvorsitzende die treibende Kraft gewesen ist. Er sagte, die Entscheidung über den Abbruch der Sondierungen sei nicht in Sachsen getroffen worden. Kretschmer bedauerte die Entwicklung vor allem in Hinblick auf bereits erzielte große Fortschritte in allen Bereichen. Eine Einigung sei möglich gewesen, betonte Kretschmer.
CDU-Fraktionschef Christian Hartmann ergänzte, bei der sogenannten Friedensformel habe nach langen und ausführlichen Gesprächen noch am Vorabend eine geeinte und sehr ausgewogene Fassung vorgelegen. Diese sei jedoch kurzfristig vom BSW wieder in Frage gestellt worden.
Dass Frau Wagenknecht ihren sächsischen Leuten so die Beine stellt, ist keine gute Entwicklung.
Wie geht es nun weiter?
Nach den gescheiterten Sondierungen ist unklar, wie in Sachsen nun eine Regierung mit einer Stimmenmehrheit im Landtag bekommen soll. CDU und SPD kündigten für die kommenden Tage Beratungen in ihren Parteigremien an. Die Union als stärkste Kraft schließt Koalitionen mit der AfD und der Linken aus. Mit der AfD will auch keine andere Partei paktieren. Ohne CDU, BSW und einen dritten Partner gibt es jedoch keine mehrheitsfähigen Bündnisse.
Ministerpräsident Michael Kretschmer bliebe damit als letzte Option nur der Versuch, eine Minderheitsregierung zu bilden. Diese müsste aber auch zunächst im Landtag bestätigt werden und wäre für jegliche Vorhaben auf Stimmen der Opposition angewiesen. Kretschmer hatte sich deshalb bisher gegen solche Forderungen aus den eigenen Reihen ausgesprochen. Die Linke kündigte nach dem BSW-Rückzieher an, sie würde die aktuelle Regierung von CDU, SPD und Grünen tolerieren - zumindest bis zum Beschluss eines verantwortungsvollen Haushaltes.
Letzter Ausweg Neuwahl
Die sächsische Landesverfassung schreibt eine Regierungsbildung bis spätestens vier Monate nach dem ersten Zusammentreffen des Landtags vor. Das wäre im aktuellen Fall der 2. Februar 2025. Wird bis dahin kein neues Kabinett bestätigt und vereidigt, muss das Parlament aufgelöst werden. Dann würde im kommenden Jahr eine neue Landtagswahl in Sachsen anstehen. Das wolle er jedoch vermeiden, erklärte der amtierende Ministerpräsident nach der gescheiterten Sondierung.
MDR (stt)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 06. November 2024 | 14:00 Uhr