Jörg Urban
Jörg Urban ist Landesvorsitzender der AfD Sachsen und ihr Spitzenkandidat für die Landtagswahl. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Robert Michael

Landtagswahl 2024 Jörg Urban: Vom Atomkraftgegner zum Berufspolitiker

23. August 2024, 10:00 Uhr

Jörg Urban ist Spitzenkandidat und Landesvorsitzender der AfD in Sachsen. Der 60-Jährige ist seit zehn Jahren Berufspolitiker. Er gehörte zur ersten AfD-Fraktion, die in den Sächsischen Landtag einzog. Als Frauke Petry der AfD den Rücken kehrte, übernahm der gebürtige Meißner die Führung von Fraktion und Partei in Sachsen. Zuvor war der studierte Wasserbauingenieur 16 Jahre lang Geschäftsführer der Grünen Liga in Sachsen. In dieser Zeit demonstrierte Urban unter anderem gegen Atomtransporte und gegen die Fällung von Bäumen. Der Umweltschutzverband Grüne Liga distanziert sich mittlerweile öffentlich von den heutigen politischen Positionen von Jörg Urban.

Jörg Urban blickt auf eine abwechslungsreiche Vita zurück. Denn in der ersten Hälfte seines Berufslebens war der Mann aus Meißen Umweltaktivist. Nach seinem Studium als Wasserbauingenieur an der TU Dresden arbeitete er zunächst einige Jahre lang als freiberuflicher Bauingenieur. Dann wurde er 1998 Geschäftsführer der noch zu DDR-Zeiten gegründeten Umweltbewegung "Grüne Liga Sachsen".

In dieser Zeit reihte er sich in Demonstrationen von Atomkraftgegnern ein, die gegen den Transport von Castoren vom Forschungsreaktor Dresden-Rossendorf nach Ahaus Straßen blockierten. Auch gegen die Fällung von Allee-Bäumen machte er mobil, sprach damals von einer Autolobby: "Für die ist das Auto das Verkehrsmittel der Wahl und die denken, je breiter die Straßen sind, desto besser funktioniert die Wirtschaft". Größeren, öffentlichen Nachhall erzeugte Urban, als er sich im Rahmen der Dresdner Welterbe-Bewerbung für die Grüne Liga gegen den Bau der Waldschlösschenbrücke einsetzte.

Heutzutage fordert Urban die Nutzung von Kernenergie in Deutschland und sagt, dass die Automobilindustrie einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in Deutschland sei und dass diese gestärkt werden müsse.

"Ich bin immer noch Naturschützer"

Was von außen betrachtet so wirkt, als habe Urban seinen politischen Kompass um 180 Grad neu ausgerichtet, ist für Urban selbst kein Widerspruch. Er sei selbstverständlich immer noch Naturschützer, sagt er. Die AfD setze sich beispielsweise sehr kritisch mit der Naturzerstörung durch die erneuerbaren Energien auseinander.

"Artenschutz ist etwas Anderes als Klimaschutz. Das habe ich in der Grünen Liga gelernt. In dieser Zeit haben sich auch viele Naturschützer von den Grünen abgewendet", behauptet Urban, "denn die machen Klimaschutz und das bedeutet meistens Naturzerstörung." Dass er sich in Bezug auf die Kernenergie neu positioniert habe, gibt Urban unumwunden zu: "Man muss immer am Puls der Zeit sein und wenn es von der Wissenschaft neue Lösungen gibt, sollte man da offen sein."

Besondere Beziehung zu Russland

Urban hat an der Technischen Universität Dresden zu DDR-Zeiten Wasserbau studiert. In dieser Zeit, zum Ende der Sowjetunion, hat er zwei längere Studienaufenthalte im damaligen Leningrad im Rahmen von Austauschprogrammen verbracht. Er habe damals Freunde kennengelernt, mit denen er immer noch im Austausch sei, man besuche sich nach wie vor gegenseitig, so Urban.

Auch seine aus Russland stammende Frau, mit der Urban drei gemeinsame Kinder hat, hat er zu Studienzeiten im damaligen Leningrad kennengelernt. "Sicherlich habe ich genau dort beginnend eine intensivere Beziehung zu Russland als mancher andere", sagt Urban heute.

Diese Erfahrungen beeinflussen offensichtlich auch seine Sicht auf den Ukraine-Krieg und Russland. Wo andere Putin ob des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges kritisieren, stößt ihm auf: "Ich finde das ziemlich traurig, wie man versucht, Russland als barbarisches Land darzustellen. Das ist eine Kulturnation, über viele Jahrhunderte mit uns kulturell und wirtschaftlich verbunden und mir tut das weh, dass wir uns politisch von Russland abkoppeln, das tut uns nicht gut."

Und auf seinem Instagram-Kanal lässt er sich beispielsweise über "Die Ukraine und ihre SS-Truppen" aus, in einem anderen Post steht über Bildern von Wolodymyr Selenski und Vitali Klitschko: "Nur die Mächtigen wollen diesen Krieg".

Karriere in der AfD

Nach einem kurzen Intermezzo bei den Piraten, über das nicht viel bekannt ist, trat Urban 2013 in die damals noch junge AfD ein. Hier machte er schnell Karriere, wurde Vorsitzender des AfD-Kreisverbandes Dresden und des Landesvorstandes der AfD Sachsen an. 2014 zog er über die Landesliste in den Sächsischen Landtag ein, gleichzeitig beendete er seine Tätigkeit für die Grüne Liga Sachsen.

2015 kandidierte er als Oberbürgermeister von Bautzen, weil der dortige Kreisverband keinen eigenen Kandidaten aufstellen konnte. Urban scheiterte, er bekam nur 9 Prozent der Stimmen. Generell blieb Urban in seinen ersten Jahren in der AfD in der Öffentlichkeit noch relativ blass, vor allem im Vergleich zur damaligen Landes- und Bundeschefin der AfD, Frauke Petry, oder zu lautstarken AfD-Rechtsaußen wie Jens Maier.

Mit Letzterem solidarisierte sich Urban allerdings innerparteilich, im Kampf um ein Parteiausschlussverfahren. Frauke Petry hatte dieses angestrengt, weil der umstrittene Richter Jens Maier unter anderem mehrfach die verfassungsfeindliche NPD gelobt und Verständnis für den Massenmörder und Rechtsterroristen Breivik geäußert hatte. 

Petry scheiterte an den völkisch-nationalistischen Kräften in ihrer Partei und Maier blieb in der AfD. Anders als Frauke Petry, die 2017 aus der Fraktion und 2018 aus der Partei austrat. Jörg Urban wurde jeweils als ihr Nachfolger gewählt. Seitdem führt er Fraktion und Partei in Sachsen an.

Die Spitzenkandidaten der AfD für die anstehenden Landtageswahlen, Hans-Christoph Berndt für Brandenburg, Björn Höcke für Thüringen und Jörg Urban für Sachsen, beim Wahlkampfauftakt in Arnstadt.
Die AfD-Landesvorsitzenden und Spitzenkandidaten für Sachsen und Thüringen: Jörg Urban und Björn Höcke. In beiden Ländern wird die Partei vom Verfassungsschutz beobachtet und gilt als gesichert rechtsextrem. Bildrechte: MDR/Levin Schwarzkopf

"Es geht nicht um meine Person"

Anders als andere in der AfD setzt Urban auf bürgerliches Auftreten. Kleidet sich dezent, meist mit Anzug und Krawatte. Urban ist freundlich im persönlichen Umgang, je höher die Umfragewerte für die AfD sind, desto mehr. Auch die schrillen Töne überlässt er in der Regel lieber anderen. Parteiintern wird ihm durchaus vorgeworfen, dass er zu farblos und deshalb auch zu wenig bekannt sei.

Doch Jörg Urban stört das nicht: "Für mich ist das überhaupt kein Problem. Es geht ja nicht um meine Person. Es geht darum, dass wir das Land verändern wollen, dass die AfD in Regierung kommt." Und außerdem, fügt er leicht lächelnd hinzu, sei Sachsen der erfolgreichste Landesverband der AfD. Das Ergebnis zähle und das sei bisher sehr gut.

In der Tat liefert der sächsische AfD-Landesverband seit Jahren die besten Ergebnisse bei Bundestagswahlen der Partei, bei der Europawahl in diesem Jahr landete die AfD in Sachsen bei 31,8 Prozent der Stimmen, zehn Prozentpunkte vor der CDU. 

"Einst wird wieder Gerechtigkeit walten, dann richtet das Volk und dann gnade euch Gott!"

Aber auch wenn der öffentliche Krawall wohl eher nicht dem Naturell von Jörg Urban entspricht, Angriff kann auch er. Als Politikprofi, der er mittlerweile ist, passt er seine Rhetorik dem Publikum an. Auf einer Demonstration in Erfurt im Oktober 2023 sprach er vor vielen Mitgliedern der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative. Seine radikale Botschaft in Richtung Politik und Medien: "Einst wird wieder Gerechtigkeit walten, dann richtet das Volk und dann gnade euch Gott!" Das Publikum jubelt – ob dieses historischen Zitates, das Urban vor dem Rednerpult mit erhobenem Zeigefinger und grimmiger Miene vorträgt.

Ohnehin hat Jörg Urban keine Scheu vor der Straße, tritt oft als Redner bei Demonstrationen auf. Bei Pegida bereits als die rechtsextremistische Bestrebung noch auf der Unvereinbarkeitsliste der Bundes-AfD stand. Damals sagte er, die AfD und Pegida seien dieselbe Bewegung. Auch im sächsischen Verfassungsschutzbericht von 2023 werden Reden von Urban bei Pegida dokumentiert. Danach sprach er dort vom "Bevölkerungsaustausch", von "hunderttausendfach importierter Gewalt" durch Migranten. Und über Journalisten urteilte er, dass diese "die wirklichen Freiheitsfeinde, die uns unserer Kultur berauben wollen" seien.

Damit bediene Urban ein in rechtsextremistischen Kreisen typisches Narrativ einer elitären und "volksfeindlichen" Medienlandschaft, befand das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz. Dieses stufte den sächsischen AfD-Landesverband 2023 als erwiesen rechtsextremistische Bewegung ein. Die AfD geht gegen diese Einstufung juristisch vor.

Berufspolitiker seit zehn Jahren

Jörg Urban verdient seit zehn Jahren seinen Lebensunterhalt mit Politik. Dieses Jahrzehnt in der Politik, das habe ihn verändert, sagt er. Er sei dickhäutiger worden, weil er es nicht gewohnt gewesen sei, "unsachliche Vorwürfe" aushalten zu müssen. Wie viele andere Politiker wurde Urban zudem auch in seinem persönlichen Lebensbereich attackiert. 2018 wurde sein denkmalgeschütztes Haus am Stadtrand von Dresden mit roter Farbe beschmiert, das Auto seiner Frau wurde ebenfalls beschmiert, zudem die Frontscheibe eingeschlagen.

Urban sieht sich darin bestätigt, sein Privatleben von der Politik zu trennen. Über seine Frau und seine drei Kinder ist so gut wie nichts bekannt. Neben der Politik ist Jörg Urban noch Landwirt im Nebenerwerb, dies gibt er auch auf seiner Abgeordnetenseite an. Auf Nachfrage erklärt Urban, dass sich das vor allem darauf beziehe, dass er auf landwirtschaftlichen Flächen, die er erworben habe, Naturschutzprojekte durchführe und dafür Fördermittel bekomme. Das Wissen dafür habe er noch aus seiner Zeit in der Grünen Liga.

Der Spitzenkandidat der AfD, Jörg Urban, sitzt vor dem Mikrofon im Studio von MDR SACHSEN. 50 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

MDR (cba)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 22. August 2024 | 19:00 Uhr

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