Jörg Urban (AfD), Vorsitzender des Landesverband Sachsen, spricht während einer Veranstaltung der Partei.
Sachsens AfD-Vorsitzender Jörg Urban schließt die Aufnahme von Rechtsextremisten nicht aus. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Daniel Schäfer

Mehr Eintritte in sächsische AfD Sachsens AfD-Chef schließt Aufnahme von Rechtsextremisten nicht aus

24. Januar 2024, 07:24 Uhr

Die AfD wächst, nicht nur in Umfragewerten, auch bei den Mitgliedern legt die Partei deutlich zu. Der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestufte sächsische Landesverband hatte 2023 sogar die stärksten Zuwächse seit Parteigründung zu verzeichnen. Über 700 neue Mitglieder konnte man in Sachsen vergangenes Jahr gewinnen. Doch wie überprüft die Partei die Anwärterinnen und Anwärter vor der Aufnahme in die Partei?

Im Dezember wurde der sächsische Landesverband der AfD vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft. Hält das die Menschen ab, Mitglied in der Partei zu werden? Eher im Gegenteil: "Wir haben gerade zum Jahresanfang wieder vermehrt Mitgliedsanträge", erklärt Sachsens AfD-Chef Jörg Urban. "Und wir hatten an diesem Tag, als das verkündet wurde, durch den Verfassungsschutz sogar zehn Spontanmitgliedsanträge, die sogar gesagt haben: Wir treten jetzt bei, weil wir das nicht akzeptieren, dass diese Stigmatisierung stattfindet."

Von einem Märtyrer-Mythos spricht Steffen Kailitz vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung. Für ihn schreckt die Einstufung durch den Verfassungsschutz die Parteiunterstützer nicht ab. "Wenn die AfD Positionen vertritt, die man teilt, und derentwegen sie dann als rechtsextremistisch eingestuft wird, dann wird man nicht deswegen von diesen Positionen abrücken, weil nun der Verfassungsschutz sagt, das sind rechtsextremistische Positionen", sagt Kailitz.

AfD prüft Anwärter mit Unvereinbarkeitsliste

Dass sich die Menschen von der AfD nicht fernhalten, kann auch Jonas Dünzel bestätigen. Der AfD-Kreisvorsitzende aus Zwickau schildert, dass rund die Hälfte der neuen Mitglieder über die Infostände in den Städten gewonnen wurden: "Klassische Kaltakquise, wie im Betrieb früher."

Anschließend versuche man den Aufnahmeprozess schnell durchzuziehen, lade die Mitgliedsanwärter zum Gespräch ein. Hier wird auch auf die Unvereinbarkeitsliste geprüft, ob der Bewerber Teil einer extremistischen Vereinigung ist. So versuche die Partei, Extremisten rauszuhalten, sagt Dünzel: "Naja ich kann ja nur bis zur Stirn gucken. Also ich kann fragen, ich kann danach im Internet recherchieren, Facebook, allgemeine Google-Anfragen. Viel mehr kann man da nicht machen. Muss man in dem Moment auch vertrauen, dass es passt."

Rund fünf Prozent der Bewerber werden abgelehnt

Dennoch werden rund fünf Prozent der Bewerber abgelehnt, allerdings vor allem auf Grund unterschiedlicher Vorstellungen zur der Parteiarbeit. Die Unvereinbarkeitsliste spiele eine untergeordnete Rolle, sagt Dünzel. "Wir hatten jetzt bei den 110 knapp Neuaufnahmen letztes Jahr tatsächlich keinen einzigen, der irgendeiner Organisation vorher war, wo wir sagen, dass passt nicht zusammen. Deswegen ist das Thema Unvereinbarkeitsliste bei uns einfach auf Grund der fehlenden Praxisbeispiele nicht so entscheidend."

Extremismusforscher Kailitz stellt jedoch klar: Dass die AfD überhaupt so einen Aufwand betreibe, sei kein Qualitätsmerkmal: "Solche Unvereinbarkeitslisten ergeben nur dann Sinn, wenn man ohnehin schon im Graubereich siedelt. Das wäre natürlich völlig unsinnig, dass eine klar demokratische Partei wie die SPD oder die Union so eine Grenzlinie ziehen möchte."

Rechtsextreme Einstellung kein Ablehnungsgrund

Parteichef Jörg Urban sagt, Anhänger von Pegida oder den Freien Sachsen seien durchaus willkommen in der AfD: "Sympathien für bestimmte Parteien oder Strömungen sind überhaupt kein Problem. Gleichzeitig für die eine und für die andere Partei aktiv sein, geht nicht." Denn die Mitglieder sollten schon ihren Fokus auf die AfD legen. Bedeutet aber auch, dass eine rechtsextremistische Gesinnung per se niemanden von einer Partei-Mitgliedschaft ausgrenzt.

Papierfähnchen mit dem Wappen der rechten Kleinpartei Freie Sachsen“ am Rande vom Festumzug zum Tag der Sachsen. 4 min
Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Willnow

Diese Einstellung deckt sich auch mit den Beobachtungen von Extremismusforscher Kailitz. "Die Abgrenzung durch die Liste nach Rechtsaußen ist spätestens seit der Einstufung der sächsischen AfD als rechtsextremistisch nur noch eine Nebelkerze: Wenn man selbst eine rechtsextremistische Vereinigung ist, dann sind diese Unvereinbarkeitsbeschlüsse natürlich Makulatur letztlich."

Dennoch geht der Politikwissenschaftler davon aus, dass die Partei trotz der Konkurrenz zur CDU bei den Mitgliederzahlen nicht zu den Christdemokraten aufschließen wird. Diese sind mit rund 9.500 Mitgliedern gut drei Mal so groß wie die AfD in Sachsen.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Onlineartikels hieß es: "Und auch Parteichef Jörg Urban ordnet ein: eine rechtsextremistische Gesinnung grenze per se niemanden von einer Partei-Mitgliedschaft aus." Urban hat sich im Interview so nicht wortwörtlich geäußert. Die Passage wurde geändert.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 24. Januar 2024 | 06:48 Uhr

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