Kommunalwahl 2024 Meißener Kreistag sucht grüne Zukunft
Hauptinhalt
28. Mai 2024, 09:56 Uhr
Der Klimaschutz stellt den Kreis Meißen vor eine Herkulesaufgabe: Dabei geht es nicht nur um einen besseren Nahverkehr trotz riesiger Finanzlöcher, sondern auch um den Erhalt großer Industriebetriebe. Die Mehrheit im Kreistag hat dazu eine klare Meinung.
Die Signale stehen auf Stopp, der Bahnsteig ist leer: Der Zug ist abgefahren in Nossen, seit neun Jahren schon. So lange kämpft auch Peter Wunderwald für die Wiederbelebung der Eisenbahnstrecke nach Meißen und Döbeln. Eine Dreiviertelstunde brauchte der Zug früher bis nach Riesa, erinnert sich der Nossener, der für die Grünen in den Kreisrat einzog und nun zum Bündnis Sahra Wagenknecht gewechselt ist. "Mit dem Bus brauchen Sie fast die fünffache Fahrtzeit - Richtung Döbeln und nach Meißen brauchen Sie die zweieinhalb bis dreifache Fahrtzeit."
Elektrische Busse sind umstritten
Der Nahverkehr ist eine Lebensader auf dem Land, ganz besonders für Junge, Alte und alle anderen, die auf ihn angewiesen sind - oder das Klima schonen wollen. Deshalb beauftragte eine breite Mehrheit des Meißener Kreistags auf seiner letzten Sitzung im März das Landratsamt mit einem Konzept für einen klimafreundlichen ÖPNV.
"Ein attraktives Mobilitätskonzept im ländlichen Raum ist eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für Zuzug, aber auch für Industrieansiedlungen", warb die Vorsitzende der Fraktion Grüne/SPD, Eva Oehmichen, für eine Zustimmung. Der AfD-Kreisrat Stephan Waidmann dagegen zog in der Debatte den Klimaschutz grundsätzlich in Zweifel. "CO2 ist kein Schadstoff, davor müssen wir uns nicht schützen", sagte er. Seine Partei sehe keinen Grund, "Diesel-Busse aus rein ideologischen Gründen zu ersetzen".
Ideen gegen das Haushaltsloch gefragt
Ob elektrisch oder fossil betrieben: Schon jetzt fehlt im Landkreis Meißen Geld für das Bus-Netz. Allein im vergangenen Jahr klaffte eine Lücke von mehr als neun Millionen Euro im Haushalt des Kreises. Mehr Bürgergeld, Wohngeld und Geflüchtete - der Bund entscheidet und die Kreise müssen zahlen. Der Meißener Kreistag protestierte mit einem Brandbrief zur Kommunalwahl sind jetzt Ideen gefragt.
"Wir haben keine andere Chance, wir müssen uns selbst aus dem Dreck ziehen", sagt die Kreisrätin und FDP-Landesvorsitzende Anita Maaß und fordert Reformen in der Landkreisverwaltung. "Wir müssen uns ehrlich machen mit der Aufgabenkritik, wir müssen schauen, was man effizienter machen kann."
Auch die SPD wolle die Verwaltung reformieren, sagte ihr Kreisrat Thomas Gey in der Debatte um den Haushalt. "Es ist höchste Zeit, alle Kräfte zu sammeln. Und da sind wir auch bereit, mit allen Fraktionen zusammenzuarbeiten, bis auf die AfD."
Der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Bert Wendsche, setzt dagegen auf mehr Wachstum, um die Kreisfinanzen zu sanieren. "Stellen wir uns doch öffentlich das Ziel, dass der Landkreis Meißen der wirtschaftlich am schnellsten wachsende Landkreis in Sachsen sein möge", sagte der Radebeuler Oberbürgermeister im Kreistag. "Verpflichten wir uns als Landkreis, dass wir sämtliche Ermessensspielräume in Genehmigungsverfahren aller Art zugunsten der Antragsteller ausschöpfen."
Rotstift bei sozialen Themen
Doch bei allen Reform- und Spardebatten: Die Jüngsten dürften dabei nicht auf der Strecke bleiben, fordert Silke Bräuer. Die Erzieherin ist Kreisrätin der Linken und trainiert ehrenamtlich Kinder im Biathlon. "Halten würde ich gerne alles, was schon da ist. Und es wird immer wichtiger, Schulsozialarbeit in den Schulen anzubieten." Auch für solche wachsenden Aufgaben müsse Geld da sein, so die Linke.
Die AfD will vor allem bei den Kosten für Geflüchtete den Rotstift ansetzen, sagt ihr Kreisrat Detlev Spangenberg: "Zum Beispiel Gemeinschaftsunterkünfte statt Einzelunterkünfte, um Kosten zu sparen." Dabei hat der Kreis in der Migrationspolitik kaum eigenen Spielraum.
Industrie fordert grüne Perspektiven
Auch in der Energiepolitik werden die Weichen in Berlin und Dresden gestellt. Dass aber im Meißener Kreistag selbst Konservative aus den Reihen von CDU und Freien Wählern für ein Positionspapier zur Energiewende stimmten - das hat auch mit dem großen Chemiewerk von Wacker in Nünchritz zu tun. Die großen Arbeitgeber in der Region wie die Stahlwerke in Riesa und Gröditz fordern klare Perspektiven.
Das brachte auch Andreas Franzke, den Vorsitzenden der Freien Wähler im Kreistag, zum Umdenken. "Zur Frage der erneuerbaren Energien kann sich der Landkreis nicht herausnehmen", sagt der Radebeuler Ingenieur heute. "Es muss jedes Potential ausgeschöpft werden. Gerade weil so viel Energie im Landkreis Meißen benötigt wird, müssen wir auch mehr machen."
Zur Frage der erneuerbaren Energien kann sich der Landkreis nicht herausnehmen.
Der Freie-Wähler-Fraktionschef blickt auf die Rohrtürme es Nünchritzer Chemiewerks. Auf den Feldern rotieren Windräder. Komme die Energiewende nicht, sagt er, "ist hier grüne Wiese".
Zahlen, Daten und Fakten zum Landkreis Meißen
• Sitz des Kreistags: Meißen
• Kommunen: 28 (davon 10 Städte und 18 Gemeinden)
• Fläche: 1.454,59 km²
• Einwohner gesamt: 241.242 (Stand: 31.12.2022)
• Nicht-EU-Ausländer: 8.245 (3,45 Prozent)
• Durchschnittsalter: 48,5
• Arbeitslosenquote: 6,1 Prozent
• Pro-Kopf-Einkommen: 23.184 Euro
MDR (cba)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 16. Mai 2024 | 19:30 Uhr