Hochverschuldeter Kurort Das arme Bad Schmiedeberg
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02. Mai 2024, 07:23 Uhr
Bad Schmiedeberg gilt als Herz der Dübener Heide. Doch die kleine Kurstadt hat erhebliche Finanzsorgen. Seit drei Jahrzehnten schiebt die Stadt im Landkreis Wittenberg einen immensen Schuldenberg vor sich her, der immer größer wird. Einsparungen im Haushalt können den Abwärtstrend nicht mehr stoppen. Ist eine Kehrtwende überhaupt möglich?
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- Bad Schmiedeberg hat einen immensen Schuldenberg, auch, weil in der Vergangenheit viele Fehler gemacht worden sind.
- Die Kurgesellschaft in Bad Schmiedeberg leidet unter dem schlechten Erscheinungsbild der Stadt.
- Als Ausweg aus der Krise fordert die Bürgermeisterin einen Schuldenschnitt sowie jährliche Pauschalbeträge für die Städte im Land.
Hans-Henryk Mohr ist ein umtriebiger Geschäftsmann, der mit seinen Kunden schnell ins Gespräch kommt. An diesem Tag ist das Geschäft ziemlich voll. Eine Frau sucht eine hochwertige Farbe, die lange hält. Ein junge Familie hält Ausschau nach einem Profi-Kleber. "Mohr hats" lautet der Werbespruch des Unternehmers, der selbst auch Bodenbeläge verlegt.
Die Altschulden der Stadtverwaltung
Aufträge kommen fast ausschließlich von Privatkunden oder Firmen. Die Stadtverwaltung als Auftraggeber hat sich rar gemacht. Irgendwie hat er dafür auch Verständnis. "Bad Schmiedeberg geht es generell schlecht, wegen der vielen Altschulden. Das merkst du natürlich als Geschäftsmann. Wenn kein Geld da ist, kommen auch keine Aufträge."
Während finanziell gut gestellte Städte und Gemeinden gern ihre ansässigen Gewerbetreibenden fördern, muss eine hochverschuldete Kommune wie Bad Schmiedeberg immer das günstigste Angebot nehmen – auch wenn es häufig nicht das Beste ist.
Eigentlich ist es völlig egal, wie hoch unsere Schulden sind, weil wir keine Mittel mehr haben, etwas zu ändern.
Die Fehler der Vergangenheit
Doch wie kam es dazu? Die neue Bürgermeisterin Heike Dorczok kennt die alten Geschichten, die sich um die katastrophale Verschuldung ranken. In Bad Schmiedeberg wurde in den 1990er-Jahren das erste Spaßbad in den neuen Bundesländern gebaut – wegen geringer Landesförderung ein Fass ohne Boden. Heute ist das "Basso" ein lost place, eine Ruine, ein notdürftig abgesperrter Schandfleck.
Dann das riesige, völlig überdimensionierte Wohngebiet, das an der Umgehungsstraße entstehen sollte. Die Stadt finanzierte die komplette Erschließung vor, fand aber nur wenige Häuslebauer. Das nächste Millionengrab. Für diese Altlasten kann die Rathauschefin nichts, doch sie muss die Folgen bewältigen, und nimmt es mit Humor. "Eigentlich ist es völlig egal, wie hoch unsere Schulden sind," sagt sie, weil "wir keine Mittel mehr haben, etwas zu ändern."
Sie könne nicht mehr unentwegt an der Gebührenschraube drehen und die Hundesteuer oder Gewerbesteuer auf Großstadtniveau heben. "Das bringt doch nichts, außer, dass die Bürger weiter verärgert werden. Am Defizit ändert sich dadurch fast nichts." Tatsächlich gehen die roten Zahlen nur in eine Richtung. Rechnet man die Schulden zusammen, kommt Bad Schmiedeberg auf einen Minusbetrag von 29 Millionen Euro. Allein dieses Jahr werden etwa vier weitere Millionen dazukommen.
Gewerbesteuereinnahmen konstant niedrig
"Was sollen wir denn machen?", fragt Heike Dorczok. Allein die Tariferhöhungen für die 50 Verwaltungsmitarbeiter und 45 Beschäftigten in den Kindertagesstätten schlagen mit 850.000 Euro zu Buche, dazu kommen gestiegene Kreditzinsen: 300.000 Euro, nur weil geliehenes Geld teurer geworden ist. Mit Gewerbesteuereinnahmen in der ländlich geprägten Region des Landkreises Wittenberg ist das nicht aufzufangen – denn diese liegen konstant auf einem niedrigen Niveau.
Für eine Anwohnerin sind die Folgen der Bad Schmiedeberger Armut nicht mehr zu übersehen. "Wir waren früher ein Aushängeschild, konnten unseren schönen Häuser und die Landschaft gut präsentieren. Und jetzt? Die Straßen haben Löcher, überall wächst das Unkraut. Es ist zum Fremdschämen. Unterste Schublade."
Kurgesellschaft leidet unter Erscheinungsbild der Stadt
Unter dieser Entwicklung leidet zunehmend auch die Kurgesellschaft, die jedes Jahr mehr als 160.000 Übernachtungen zählt. Die Stadt Bad Schmiedeberg ist Mitgesellschafterin der Kur, deshalb spricht Kur-Direktor Deddo Lehmann auch von einer Schicksalsgemeinschaft. " Die Kurgäste schreiben es uns ins Buch, dass sie mit dem Erscheinungsbild der Stadt nicht zufrieden sind. Wir nehmen das ernst, denn es geht auch darum, ob sie wiederkommen."
Die Kurgesellschaft versucht auf eigenem Grund und Boden, ihre Hausaufgaben zu machen. Kurpark und Kurpromenade wirken gepflegt, doch um die Verödung des Stadtzentrums kann sie sich nicht kümmern. Eindeutig Sache der Stadt. Bürgermeisterin Dorczok verweist wieder auf das Geld – ein Teufelskreis.
Sie steht auf dem Marktplatz vor dem Springbrunnen, der in den vergangenen Jahren auch durch privates Engagement saniert worden war und trotzdem nicht sprudelt. "Da ist irgendwas mit der Pumpe. Kann ich aber nicht reparieren lassen. Sonst sagt wieder jemand, für einen Springbrunnen haben sie Geld, für wirklich wichtige Sachen aber nicht." Ein Alltagsbeispiel von vielen.
Wie raus aus der Krise?
Doch gibt es einen Ausweg? Ein reiner Schuldenschnitt, wie ihn Kurdirektor Lehmann fordert, würde nur bedingt helfen, so die Bürgermeisterin. Da jedes Jahr die Ausgaben höher seien als die Einnahmen, würden die Schulden schnell wieder zu einem Berg anwachsen.
Heike Dorczok plädiert deshalb für einen Erlass der Altschulden und für einen jährlichen Pauschalbetrag, mit dem Städte auszukommen haben – unabhängig von der eigenen Finanzkraft. "Dann hätte ich viel mehr Planungssicherheit. Könnte schauen, was ist wichtig, was kann später gemacht werden."
Diese Forderung vertritt sie nicht allein. Bad Schmiedeberg hat sich jetzt auch dem Bündnis finanzschwacher Städte angeschlossen, dem unter anderem Cottbus, Cuxhaven und Dortmund angehören.
MDR (André Damm, Lucas Riemer) | Erstmals veröffentlicht am 30.04.2024
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 30. April 2024 | 12:00 Uhr
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