Coswig und Bad Schmiedeberg Warum zwei junge Bürgermeister im Landkreis Wittenberg nicht erneut kandidieren
Hauptinhalt
20. April 2023, 09:08 Uhr
Nach nur einer Legislaturperiode wollen zwei junge Bürgermeister aus dem Landkreis Wittenberg nicht erneut kandidieren. Der Sozialdemokrat Martin Röthel wird bei Bürgermeister-Wahl im Mai in Bad Schmiedeberg nicht mehr antreten. Der parteilose Coswiger Rathauschef Axel Clauß zieht sich im Juni kommenden Jahres zurück. Was ihre Gründe sind.
- Martin Röthel tritt nicht erneut als Bürgermeister von Bad Schmiedeberg an.
- Ein großes Problem: Arbeit und Freizeit lassen sich kaum trennen.
- Auch Axel Clauß will kein zweites Mal Bürgermeister von Coswig sein. Das Amt empfindet er gleichermaßen als Privileg und Bürde.
Martin Röthels Amtszeit als Bürgermeister von Bad Schmiedeberg steht kurz vor dem Ende. Der 37-Jährige wird sich nicht noch einmal um den Posten bewerben. Er will mehr Zeit für seine Familie haben. "Die Gründe liegen ausschließlich im familiären Bereich. Ich habe vier Kinder und meine jüngsten Kinder werden dieses Jahr eingeschult." Die Kinderbetreuung sei zeitintensiv und mit dem Bürgermeisteramt schwer zu vereinbaren. Röthel fehlt nach eigener Aussage einfach die Zeit, vor allem abends. Derzeit sei in der Woche jeder Abend verplant.
Tatsächlich haben hauptberufliche Bürgermeister meist einen vollen Terminkalender. Tagsüber ist die Verwaltungsarbeit zu organisieren, in den frühen Abendstunden steht die Arbeit in den Fach-Ausschüssen an, dann gibt es Sitzungen im Stadtrat und im Kreistag. Hinzu kommen Termine in Verwaltungsräten, Jurys und Gremien. Und am Wochenende wird natürlich ein Besuch des Bürgermeisters bei jedem Volksfest erwartet, zwischendurch sollte noch einem hochbetagten Jubilar gratuliert werden.
Martin Röthel und Axel Clauß wollen nach ihrer Amtszeit in andere Berufe gehen. Sie gehören mit 37 beziehungsweise 42 Jahren zu den jüngeren Bürgermeistern in Sachsen-Anhalt:
Röthel: Trennung von Arbeit und Alltag kaum möglich
Zur hohen Arbeitsbelastung gesellt sich in Kleinstädten wie Bad Schmiedeberg noch ein weiteres Phänomen: Es fehlt der Abstand. Martin Röthel sagt, wenn er privat einkaufen geht, werde er angesprochen und gefragt, warum die Straße noch Löcher habe oder die Straßenbeleuchtung nicht funktioniere.
Und manchmal stehe jemand am Wochenende an der Haustür, um sich zu beschweren. Ihn beschäftige auch, dass mitunter seine Frau stellvertretend für ihn Rede und Antwort stehen müsse. "Man steht in einer Stadt wie Bad Schmiedeberg immer im Fokus, man steht immer zur Verfügung. Und das betrifft die ganze Familie."
Man steht in einer Stadt wie Bad Schmiedeberg immer im Fokus, man steht immer zur Verfügung. Und das betrifft die ganze Familie.
Im Mai wird in Bad Schmiedeberg ein neues Stadtoberhaupt gewählt. Martin Röthel, der der SPD angehört, will in der Kurstadt weiter wohnen und etwas im Bereich Bildung machen, vielleicht als Lehrer arbeiten.
Auch Coswigs Bürgermeister Axel Clauß hört auf
Auch der 42-jährige Bürgermeister der Elbstadt Coswig, Axel Clauß, will sich beruflich neu orientieren. Unlängst erklärte er vor dem Stadtrat, dass seine Amtszeit im Juni kommenden Jahres enden und er nicht neu kandieren werde. Clauß war früher Zollbeamter und könnte auch wieder zum Zoll zurückkehren. Noch will er sich aber nicht festlegen. Seine Beweggründe ähneln denen von Martin Röthel.
Auch er will mehr Zeit für seine Familie, weil während seiner Amtszeit seine Kinder geboren wurden. "Das Leben besteht aus Veränderungen, darauf muss man reagieren. Und das habe ich getan." Wer glaube, das Arbeitspensum einer Bürgermeisters mit einem Familienleben vereinbaren zu können, täusche sich, so Clauß. "Da komme nur ein fauler Kompromiss heraus, der immer zu Lasten der Familie gehe."
Bürgermeister: Privileg und Bürde zugleich
Die Arbeit als Bürgermeister sieht Clauß zwiespältig. "Es ist ein Privileg, den Bürgermeister in seiner Biografie stehen zu haben. Die Anforderungen an dieses Amt sind zu Recht hoch." Anderseits seien in den vergangenen Jahren viele Sachen zu kurz gekommen, was Stadtentwicklung und Gestaltungsmöglichkeiten angeht. Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und Energie-Krise hätten die Kommune stark beschäftigt. Dazu komme, dass die notorisch finanzklammen Kommunen kaum finanziellen Spielraum hätten und viele Projekte sich nur langsam umsetzen ließen. "Gerade, wenn Sie mit einer neuen Dynamik ins Rathaus kommen, bekommen Sie Probleme damit, dass viele Verfahren sehr lange dauern.“
Gerade, wenn Sie mit einer neuen Dynamik ins Rathaus kommen, bekommen Sie Probleme damit, dass viele Verfahren sehr lange dauern.
Im Gegensatz zu Martin Röthel will der parteilose Axel Clauß sich aus der Kommunalpolitik ab 2024 komplett zurückziehen. Er werde nicht im Coswiger Stadtrat sitzen, den Rückzug aus dem Wittenberger Kreistag hat bereits vollzogen. Röthel dagegen lässt offen, bei der kommenden Kommunalwahl für die SPD als Stadtrat zu kandieren.
MDR (André Damm, Annekathrin Queck) | Erstmals veröffentlicht am 19.04.2023
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 19. April 2023 | 15:10 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/7b81a3b5-5acd-4f80-8e47-4dabe0f889d2 was not found on this server.