Illustration - Handy mit geöffnetem App Store für TEMU-Download vor Logo-Hintergrund
Mit verschiedenen Strategien will Temu Kundinnen und Kunden schnell zu Käufen verleiten. Bildrechte: IMAGO/onemorepicture

Kundenmanipulation Zweifel am Einlenken des chinesischen Online-Händlers Temu

16. Mai 2024, 09:28 Uhr

Die Plattform Temu nutzt viele Druck- und Lockmittel, wie zum Beispiel willkürliche Rabatte und fragwürdige Bewertungen, um Kundinnen und Kunden dazu zu bringen, schnell einen Kauf abzuschließen. Die Verbraucherzentrale Bundesverband hat den Online-Händler deswegen abgemahnt und eine Unterlassungserklärung abgegeben. Temu muss diese Manipulationsstrategien nun abschaffen. Experten vermuten aber, dass Temu trotz der Unterlassungserklärung Tricks zum Kundenfang nutzen wird.

Schön, dass Temu eingelenkt habe, sagt Frank Düssler, Sprecher beim Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland. Blauäugig dürfe man da aber nicht sein. Er glaubt nicht, dass das Thema für Verbraucherschützer und Marktaufsicht damit erledigt ist: "Denn wenn wir vom optimistischen Fall ausgeben und Temu tatsächlich diese manipulativen Praktiken unterlässt, dann hieße das auch, dass die Plattform auf einen Großteil des eigenen Geschäftsmodells verzichtet."

Denn das besteht nicht im Handel mit Waren, wie bei Otto oder Zalando. Temu bietet eine Plattform für Händler, sorgt für den Kundenstrom und verdient bei jedem Geschäft mit. Nach Aussage von Düssler geht es um Daten: "Es geht darum, dass man die Aufmerksamkeit zu Geld macht. Letzten Endes ist es das alte Werbemodell: Man bezahlt nicht unbedingt mit hohen Preisen, aber man bezahlt immer mit seiner Lebenszeit."

Temu wie Teleshopping-Kanal

So sind Plattformen wie Temu nicht nur Konkurrenten für andere Warenhändler, sondern auch – und das ist neu – für Konzerne wie Meta oder Google. Deren Geschäft stehe auf den gleichen Säulen, Werbung und Reichweite, erklärt der E-Commerce-Unternehmer Alexander Graf.

Wie erfolgreich die Konkurrenz ist, zeigt sich in China. Dort verbrächten Temu-Nutzer teilweise 30 bis 40 Minuten am Tag in der App und nutzten es wie ein soziales Netzwerk, erklärt Graf. Leute tauschten sich auf Temu aus, chatteten mit dem Kundendienst und ließen sich durch Produktvideos inspirieren.

Laut dem E-Commerce-Unternehmer ist Temu wie ein Teleshopping-Kanal, der sehr individualisiert an die einzelnen Nutzer ausgespielt wird. "Das ist zum ersten Mal so, dass es einer E-Commerce-Plattform gelungen ist, die Nutzungszeit auf der Plattform unabhängig vom Kaufinteresse massiv zu erhöhen", sagt Graf. Weil Temu funktioniere wie ein Teleshopping-Kanal, sei in Deutschland vor allem die ältere Generation potentielle Kundschaft.

Neue Shoppingplattform auch von TikTok

Die Jüngeren hat eine andere chinesische Plattform mit ähnlichem Modell im Visier: TikTok betreibt eine eigene Shoppingplattform. In China ist sie schon jetzt extrem erfolgreich. Mit 250 Milliarden Euro Umsatz vergangenes Jahr – mehr als 25 Mal so viel wie Zalando weltweit.

Seit einem Dreivierteljahr gibt es das auch in den USA und bald wahrscheinlich bei uns. Spätestens im Juli, schätzt Graf. Und: Wenn die TikTok-Shoppingplattform in Europa und in den USA genauso schnell wachsen sollte wie in China, dann verändere das die Handelslandschaft stark.

Andere Händler, Umwelt und Verbraucher durch strengere Regeln zu schützen, sei schwierig, sagt Graf. Solche schnell wachsenden Unternehmen seien der Gesetzgebung immer einen Schritt voraus, die Umsetzung gehe langsam. Das gelte auch für den aktuellen Fall: Graf ist sich sicher, dass Temu noch viele Tricks zum Kundenfang auf Lager hat, die von der Unterlassungserklärung nicht abgedeckt sind.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 16. Mai 2024 | 06:50 Uhr

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