Digitalisierung Gewerkschaften haben wenig Zugang zu Belegschaft im Homeoffice
Hauptinhalt
28. Januar 2025, 07:45 Uhr
Dürfen Gewerkschaften Zugriff auf die Mailadressen von Arbeitnehmern haben? Über diese Frage entscheidet am Dienstag das Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Aber warum wollen Gewerkschaften diese Mailadressen überhaupt? Weil sie die Arbeitnehmer einfach nicht mehr erreichen können. Denn viele sitzen nicht mehr im Büro, sondern im Homeoffice – ein Recht, für das sich auch die Gewerkschaften eingesetzt haben.
- Homeoffice bietet für viele Mitarbeiter Vorteile, aber der Austausch mit Kollegen zu Problemen kann so zu kurz kommen.
- Gewerkschafter, die sonst in den Unternehmen mit den Arbeitnehmern ins Gespräch kommen, haben nun Schwierigkeiten in Kontakt zu kommen.
- Gewerkschaften müssen digitale Wege finden, um Beschäftigte zu erreichen, die von zu Hause aus arbeiten.
Der schnelle Austausch in der Kaffee-Küche, die hitzige Diskussion in der Kantine oder der kurze Schnack zum Feierabend. Traditionell tauschen sich hier Arbeitnehmer über ihre Sorgen und Ärgernisse auf Arbeit aus. Und oft mit dabei: die Gewerkschaften.
So beschreibt es auch Volker Geyer, stellvertretender Bundesvorsitzender des DBB Beamtenbund. Früher sei es so gewesen, dass Kolleginnen und Kollegen, die sich für die Gewerkschaft engagieren, durch die Dienststelle gelaufen sind oder auch in der Kantine und im Pausenraum waren, mit den Beschäftigten sprechen konnten, sagt er.
Probleme gehen im Home-Office leichter unter
Doch mit dem Corona-Virus setzte sich das Homeoffice immer mehr durch. Das hatte viele Vorteile für die Arbeitnehmer. Doch schnell zeigten sich für Gewerkschaften auch die Schattenseite des mobilen Arbeitens: Berufliche Probleme und Konfliktfälle gehen leichter unter.
So beobachtet Peter Voigt, Justiziar der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, "dass die psychische Belastung, wenn man losgelöst aus einem Team und für sich alleine arbeiten muss, natürlich auch zunehmen kann, wenn dieser Austausch vor Ort nicht mehr gegeben ist und man einige Probleme auch nicht mehr mit Kolleginnen und Kollegen besprechen kann".
Gewerkschaften haben schwierigeren Zugang wegen Home-Office
Auch wie es um den Arbeitsschutz im Homeoffice steht, könnten Gewerkschaften so kaum noch überprüfen. Trotzdem: Die verschiedenen Gewerkschaften haben sich dafür stark gemacht, dass Arbeitnehmer auch nach der Pandemie weiter ein Recht auf Homeoffice haben. Auch wenn sie die Arbeitnehmer dort kaum noch erreichen könnten, sagt Norbert Reuter, Leiter Tarifpolitik beim Verdi-Bundesvorstand: "Die Kolleginnen und Kollegen sind nicht mehr an einem Ort, sind verstreut in ihrem eigenen Homeoffice." Um eben trotzdem einen Zugang zu den Kollegen zu Hause zu haben, brauche man andere Zugangsmöglichkeiten.
Die Kollegen sind nicht mehr an einem Ort, sondern verstreut im Homeoffice.
Zum Beispiel über die beruflichen Mailadressen. Ob die Gewerkschaften diese einfach erhalten dürfen, darüber muss das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entscheiden. Generell haben laut dem Betriebsverfassungsrechtgesetz Gewerkschaftsmitglieder ein Zutrittsrecht zu Betrieben. Doch reicht dieses Recht bislang nicht in die digitale Arbeitswelt.
Auch Gewerkschaften brauche digitale Lösungen
Der Kontakt schwindet also zwischen Gewerkschaften und Arbeitnehmern. Und das bei seit Jahrzehnten sinkenden Mitgliederzahlen. Ist da das Homeoffice nicht eher eine Bedrohung für die Gewerkschaften? Sicherlich, sagt Norbert Reuter von Verdi: "Aber es ist ein Zug der Zeit. Sich gegen digitale und technische Entwicklungen zu stellen ist, glaube ich, keine gute Lösung, sondern wir müssen gucken, dass wir entsprechende Regelungen finden."
Sich gegen digitale und technische Entwicklungen zu stellen ist keine gute Lösung.
Sollte das Urteil des Bundesarbeitsgerichts nicht im Sinne der Gewerkschaften ausfallen, hofft der DBB auf die Politik. Und dass die die entsprechenden Gesetze für eine digital wirksame Gewerkschaftsarbeit anpasst. Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie hat bereits jetzt mit verschiedenen Arbeitgeberverbänden sogenannte Sozialpartnervereinbarungen geschlossen. Dadurch kann sie schon jetzt Arbeitnehmer per Mail erreichen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 28. Januar 2025 | 06:12 Uhr