Eine Krankenpflegerin reicht einem Patienten in der Onkologie im Klinikum in Nürnberg (Bayern) ein Glas Wasser (Foto vom 01.07.2015).
Seit 2020 ist Sterbehilfe in Deutschland unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Bildrechte: picture alliance / dpa | Daniel Karmann

Passive Sterbehilfe Selbstbestimmtes Sterben ist auch in Deutschland möglich

01. Mai 2025, 05:00 Uhr

Seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor fünf Jahren ist die so genannte Beihilfe zum Freitod in Deutschland erlaubt. Die Deutsche Gesellschaft für humanes Sterben (DGHS) bietet dazu Beratung und Unterstützung an. Laut der DGHS-Kontaktstelle Mitteldeutschland ist die Nachfrage in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Mehrfacherkrankungen seien der häufigste Grund, warum sich Menschen an die DGHS wenden.

Der kleine Saal im Gebäude der AOK in Leipzig füllt sich so schnell, dass der Platz kaum noch ausreicht. Am Ende muss sogar auf einen größeren Raum ausgewichen werden. Hier soll eine Veranstaltung zur Selbstbestimmung am Lebensende stattfinden, wie es die Deutsche Gesellschaft für humanes Sterben, kurz DGHS, nennt.

Sie haben suizidale Gedanken oder eine persönliche Krise?

Die Telefonseelsorge hilft Ihnen! Sie können jederzeit kostenlos anrufen:

  • 0 800 111 0 111
  • 0 800 111 0 222
  • 116 123.


Auf der Webseite
www.telefonseelsorge.de finden Sie weitere Hilfsangebote, etwa per E-Mail oder im Chat.

Fast alle Besucher sind im Rentenalter und wollen Infos, auch zur eigenen Absicherung: "Weil ich humanes Sterben wichtig für mich finde, wenn ich nicht mehr kann. Oder gelähmt im Bett liege. Oder blind werde, wie er grad erzählt hat. Dann kann ich besser schlafen, wenn ich weiß, irgendwann kann ich erlöst werden", sagt eine der Interessierten.

Assistiertes Sterben seit 2020 möglich

Das assistierte Sterben ist durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts seit 2020 in Deutschland möglich, sagt der Vertreter der DGHS in Mitteldeutschland, Rolf Knoll: "Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, jeder Mensch hat das Recht, sein Leben selbstbestimmt zu beenden und er hat das Recht, sich Hilfe dazu zu holen." Voraussetzung sei, dass die sterbewillige Person entscheidungsfähig ist.

Während die aktive Sterbehilfe als "Tötung auf Verlangen" weiterhin verboten ist, bieten Gesellschaften wie die DGHS die so genannte Beihilfe zum Freitod an. Die Betroffenen müssen seit mindestens einem halben Jahr Mitglied in der Gesellschaft sein und Beratungstermine besucht haben. Dann können sie sich nach einem erfolgreichen Antrag durch einen vermittelten Arzt und einen Juristen passiv beim Sterben unterstützen lassen. Das tödliche Schlafmittel müssen die Betroffenen dann aber selbst einnehmen.

Hauptgrund: Mehrfacherkrankungen

Die Gründe für einen Antrag auf Unterstützung können vielfältig sein, erklärt Rolf Knoll von der DGHS: "Man kann eben sagen 'Ich habe das Leben satt. Ich habe keinen Krebs, ich habe vielleicht nicht einmal Schmerzen. Aber ich packe das Leben nicht mehr.'"

Diese Lebenssattheit ist einer der Gründe, warum Menschen im hohen Alter sterben wollen. Am häufigsten werden aber Mehrfacherkrankungen angegeben. Im Durchschnitt sind die Antragsteller 79 Jahre alt. 2023 gab es 413 durch die DGHS begleitete Tode, im vergangenen Jahr dann 639. Wegen der vielen neuen Mitglieder und Anträge wird die Zahl in diesem Jahr weiter steigen, prognostiziert Knoll.

Kreuz, Tabletten und Spritze, Symbolfoto Sterbehilfe 3 min
Bildrechte: imago/Christian Ohde
3 min

Was brauchen Menschen, die sich mit dem Gedanken an einen Suizid beschäftigen? Eine Diskussion über assistierten Suizid und Suizidprävention. Oliver Buchholz fasst sie zusammen.

MDR KULTUR - Das Radio Do 30.05.2024 21:14Uhr 03:28 min

https://www.mdr.de/kultur/videos-und-audios/audio-radio/audio-2652992.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Handeln aus freiem Willen muss sichergestellt sein

Doch es gibt auch Kritik an der aktuellen Sterbehilfe. Ansgar Heveling, Bundestagsabgeordneter der CDU, etwa kritisiert die unklare Rechtslage: "Wie man diese Freiverantwortlichkeit tatsächlich feststellt, dazu hat das Bundesverfassungsgericht keine näheren Auskünfte getroffen und dazu gibt es auch keine gesetzlichen Regelungen. Deshalb ist es zurzeit nur sehr schwer möglich, das einzugrenzen und zu klären, ob diese Freiverantwortlichkeit tatsächlich vorliegt." Freiverantwortlichkeit heißt, dass man sicherstellt, dass die Betroffenen auch wirklich aus freiem Willen handeln.

In der vergangenen Wahlperiode versuchte eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten um Ansgar Heveling, ein Gesetz zur Regelung des assistierten Sterbens zu schaffen, scheiterte dann aber. In der kommenden Legislaturperiode soll das Thema nochmal angegangen werden.

Wissen

Eine alte Frau liegt mit gefalteten Händen im Sterbebett. Die Zahl Zehn als Wasserzeichen. 10 min
Bildrechte: MDR / Panther Media
10 min

Was passiert im Augenblick des Todes? Sehen wir den Film unseres Lebens wirklich nochmal ablaufen? Was wissen wir über das Sterben?

MDR Mi 05.07.2023 12:00Uhr 10:25 min

Audio herunterladen [MP3 | 9,5 MB | 128 kbit/s] Audio herunterladen [MP4 | 19,2 MB | AAC | 256 kbit/s] https://www.mdr.de/wissen/podcast/zehnminuten/wie-geht-sterben-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Vor einem vollen Saal beginnt der Vortrag des Arztes Dr. Matthias Bernau von der DGHS: "Ich will Sie im Namen unserer Gesellschaft begrüßen und ich freue mich, dass Sie so überraschend zahlreich erschienen sind." Statt der erwarteten 40 sind am Ende mehr als 200 Interessierte zum Vortrag gekommen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 01. Mai 2025 | 06:00 Uhr

Mehr aus Deutschland

Das Schild der Waffenverbotszone in Halle 18 min
Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Sebastian Willnow | MDR
18 min 01.05.2025 | 05:00 Uhr

Ab 1. Mai gilt auch in Halle eine Waffenverbotszone – eine Maßnahme, die viele kritisch sehen. MDR AKTUELL Live hat mit Forscher Christoph Meißelbach über die generellen Erfolgsaussichten so einer Maßnahme gesprochen.

MDR aktuell live Do 01.05.2025 05:00Uhr 18:13 min

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Mehr aus Deutschland

Nachrichten

Piktogramm Doppelnamen 1 min
Was ist neu im Mai? Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
1 min 01.05.2025 | 02:59 Uhr

Es gibt neue Regelungen für gemeinsame Doppelnamen, das digitale Passfoto wird möglich und es gibt Änderungen bei der Entsorgung des Biomülls ab Mai.

MDR FERNSEHEN Di 29.04.2025 18:51Uhr 01:15 min

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/panorama/video-neu-mai-namen-foto-buergeramt-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video
Diplom-Meteorologin Michaela Koschak bei Sonne am See. 2 min
Diplom-Meteorologin Michaela Koschak gibt eine Wettervorschau. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
2 min 30.04.2025 | 19:42 Uhr

Der 1. Mai und der folgende Brückentag werden sonnig-warm. Aber die Eisheiligen sind noch nicht vorbei, warnt MDR-Meteorologin Michaela Koschak.

MDR FERNSEHEN Mi 30.04.2025 17:26Uhr 01:37 min

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/panorama/video-wetter-erster-mai-sommer-warm-regen104.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video