Ein Mann geht am Hauptbahnhof mit seinem Fahrrad zwischen der Werbung für das Deutschlandticket und einer Regionalbahn vorbei.
Für 49 Euro können Bahnkunden seit Mai den Regionalverkehr nutzen. Trotz Startschwierigkeiten möglicherweise ein Erfolgskonzept. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

Erstes Fazit nach 14 Tagen Guter Start für Deutschlandticket – mit Luft nach oben

18. Mai 2023, 05:00 Uhr

Mit einem Ticket überall hin: Das 49-Euro-Ticket ist am 1. Mai gestartet und jetzt nach 14 Tagen schon ein Kassenschlager. Verkehrsbetriebe und Bahngesellschaften ziehen ein erstes positives Fazit, der Bahnfahrerbund Pro Bahn sieht jedoch Ausbaupotenzial.

MDR San Mitarbeiter Lars Frohmüller
Bildrechte: MDR/punctum.Fotografie/Alexander Schmidt

Volle Züge und Bahnsteige oder Bahngäste, die zusehen mussten, wie der überfüllte Zug vor ihrer Nase abfährt: All das blieb beim Start des 49-Euro-Tickets aus. Trotzdem ziehen die Verkehrsbetriebe und Bahnen ein gemischtes Fazit.

Der Verkehrsverbund Mittelthüringen beispielsweise teilte dem MDR mit, bereits vor dem Start des 49-Euro-Tickets gab es spürbar mehr Fahrgäste auf ihren Stecken in Thüringen. Die Verkehrs- und Betriebsgesellschaft Gera meldet ebenfalls steigende Fahrgastzahlen. Demnach haben diese bereits das Vor-Corona-Niveau deutlich überschritten. Der Mitteldeutscher Verkehrsverbund leitet bereits jetzt aus den Zahlen der ersten Wochen einen Anstieg der Fahrgäste von 15 Prozent durch das Deutschlandticket ab. Andere Verkehrsbetreiber wagen nach 14 Tagen noch keine Prognose über die Nutzerzahlen.

Schwierigkeiten durch Chipmangel

Das Abo des Deutschlandtickets ist bequem mit dem Handy buchbar. Wer jedoch kein Smartphone besitzt oder lieber etwas in der Hand haben möchte, was im Zweifel keinen Akku braucht: Für den gibt es eine Chipkarte fürs 49-Euro-Ticket. Genau diese Technik war in den ersten Tagen mancherorts ein Problem.

Durch die große Nachfrage kommt es jedoch aktuell beim Chipkartenhersteller zu Verzögerungen.

Sprecherin Ostdeutsche Eisenbahn (ODEG)

Bei der Ostdeutsche Eisenbahn (ODEG) fehlt es beispielsweise noch immer an Chipkarten "Durch die große Nachfrage kommt es jedoch aktuell beim Chipkartenhersteller zu Verzögerungen, sodass wir hier noch auf die Nachbestellung warten", so eine Sprecherin des Unternehmens. Beim Verkehrsverbund Oberelbe ist noch nicht jeder Antrag abgearbeitet: "Die Unternehmen arbeiten weiterhin mit Hochdruck an der Abarbeitung der Bestellungen. Die Fahrgäste können daher auch mit ihrer Bestellbestätigung fahren."

Die Probleme treten jedoch nicht flächendeckend auf, wie auch der Fahrgastverband "Pro Bahn" bestätigt: "In einigen Unternehmen musste man sich in der Startphase mit Ausdrucken und QR-Codes behelfen, aber in der Masse scheint das Deutschlandticket planmäßig angelaufen zu sein," so der Thüringer Landesvorsitzende Olaf Behr.

Aus Sachsen-Anhalt kommt jedoch Kritik an der Technik: "Unzufrieden sind wir mit dem Vertrieb für Fahrgäste ohne Internetzugang. Hier wurde leider erst kurz vor dem Start Lösungen angeboten, über welche man eine Chipkarte auch für jene Regionen kaufen kann, die sonst keine Chipkarten anbieten. Hier wünschen wir uns kurzfristig noch pragmatische Lösungen in den nächsten Wochen", so Pro Bahn Sachsen-Anhalt-Vorstand Markus Haubold.

Bahnbetreiber klagen über Kosten

Für die Verkehrsgemeinschaft Mittelthüringen war es ein guter Start in das Deutschlandticket: "Was bei der Kurzfristigkeit der Einführung fast ein Wunder war, denn es gab viel zu wenig Zeit zur Vorbereitung. Insbesondere wichtige Entscheidungen haben lange auf sich warten lassen." Vor allem die hohen Anschaffungs- und Personalkosten sind ein Problem: "Dafür mussten die Unternehmen hohe Summen investieren, sonst hätten sie das Deutschlandticket nicht verkaufen können. Was jetzt noch unklar ist, ist, wer für diese Kosten aufkommt oder ob die Unternehmen auf diesen Ausgaben sitzen bleiben." Für die GVB Gera sind ebenfalls die Kosten ein Problem: "Die Bereitstellung des Deutschlandtickets hat die GVB mit Investitionen im sechsstelligen Bereich konfrontiert, die nicht eingeplant waren und im Vorjahr auch gar nicht geplant werden konnten." Auch die Magdeburger Verkehrsbetriebe blicken auf die Kosten, ohne zu wissen, wie viel sie tragen müssen: "Die Einnahmeverluste, die aus dem Absatz des Deutschlandtickets resultieren, können noch nicht zweifelsfrei quantifiziert werden."

Pro Bahn sieht viel Potenzial im Deutschlandticket

Gerade für Pendler ist das 49-Euro-Ticket eine finanzielle Erleichterung. Das sehen auch die Bahntreiber: "Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage insbesondere auf langen, mehrere Tarifzonen durchmessenden Strecken überproportional wachsen wird, da der Preisvorteil durch das Deutschlandticket hier am ehesten gegeben ist", so die Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft. Auch Abellio sagt: "Wochenendausflüge in den Harz mit dem Zug scheinen etwas beliebter geworden zu sein, ebenso das Pendeln nach Wolfsburg aus Richtung Stendal und die Fahrt zum Shoppen oder anderem in die großen Städte der Region."

Damit das Ticket jedoch langfristig ein Erfolg bleibt, sieht Pro Bahn insbesondere die Bahnbetreiber in der Pflicht: "Ich würde mir vor allem wünschen, dass die Aufgabenträger der Länder die Situation sehr stark im Blick behalten und auf den Strecken, wo es droht, eng zu werden, dann eben auch entsprechend mit dem Ausbau von Kapazitäten, also sprich von längeren Zügen, reagieren," so der Thüringer Vorsitzende Behr. "Wir haben nichts gekonnt, wenn wir der Bevölkerung zwar in Form dieses sehr attraktiven Tickets den Zugang zum Schienenverkehr attraktiv gestalten, sie dann aber wieder abschrecken, weil die Züge überfüllt sind."

MDR (Lars Frohmüller)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 17. Mai 2023 | 19:00 Uhr

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