Im Vordergrund hält eine Hand ein Smartphone ("D-Ticket") vor einem Bahnsteig mit haltender Regionalbahn
Die Rückmeldungen der MDRfragt-Mitglieder zeigen: An vielen Stellen gibt es noch Skepsis. Bildrechte: IMAGO / imagebroker

MDRfragt Mehrheit findet 49-Euro-Ticket zu teuer

30. April 2023, 05:00 Uhr

Wer das sogenannte Deutschland-Ticket gebucht hat, kann ab 1. Mai für einen monatlichen Fixpreis von 49 Euro fast überall in Straßenbahn, Bus oder Regionalzug ein- und aussteigen. Die Mehrheit der MDRfragt-Mitglieder befürwortet die Idee, findet das Ticket mit 49 Euro jedoch zu teuer. Das zeigt die nicht repräsentative, aber gewichtete Befragung von MDRfragt. Rund 16.000 Menschen aus Mitteldeutschland haben darin berichtet, ob und wie sie das Ticket nutzen wollen - und was sie kritisch sehen.

Wenn es nach den Mitgliedern des MDR-Meinungsbarometers MDRfragt geht, dann ist es richtig, dass es jetzt langfristig ein bundesweit gültiges Nahverkehrsticket gibt. In einer aktuellen Befragung kurz vor dem Start des 49-Euro-Tickets befürworteten 85 Prozent der befragten MDRfragt-Mitglieder die Einführung - nur 14 Prozent stehen ihr kritisch gegenüber.

Obwohl die prinzipielle Zustimmung zum Deutschland-Ticket also sehr hoch ist, will nur ein kleiner Teil das Angebot selbst nutzen: Jeder Fünfte gab an, das Ticket selbst kaufen zu wollen, oder es vor dem Start bereits gekauft zu haben.

Start des 49-Euro-Tickets Ticket gekauft oder Kauf geplant
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Eine Frage des Preises

Ein Hauptgrund, der viele Befragte vom Kauf abhält: Der Preis des Tickets. Gefragt nach ihrer persönlichen Grenze, die sie monatlich für ein bundesweites Ticket ausgeben würden, gab die deutliche Mehrheit Werte unter dem jetzigen Preis von 49 Euro an: Nur ein Viertel der Befragten (24 Prozent) würde den jetzigen Preis oder mehr zahlen. Jeder Vierte meint, Nahverkehr sollte generell für alle kostenlos sein, jeder Fünfte würde maximal 30 Euro ausgeben.

Persönliche Preisgrenze für bundesweites Nahverkehrsticket
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Grundsätzlich gut, aber für den Nahverkehr ist dieses Ticket immer noch zu teuer, da hätte ich mir 29 Euro oder ähnliches gewünscht.

Gerd, 72 Jahre, Saalekreis

Zu teuer für Familien, kein genügender Anreiz, auf Autos verzichten zu können. Ohne (mitgedachten) Ausbau der ÖPNV-Infrastruktur und Rückbau/Entsubventionierung von Individualverkehr nur begrenzt sinnig.

Nils, 52 Jahre, Leipzig

Immer wieder regten MDRfragt-Mitglieder an, dass es zusätzlich zum bundesweit gültigen Fahrschein - oder stattdessen - ein regional begrenztes Ticket geben sollte: zu einem niedrigeren Preis, aber dafür auch nur auf ein Bundesland beschränkt.

Es müsste ein günstigeres für Städte und einzelne Regionen geben und eines deutschlandweit...

Elli, 31 Jahre, Dresden

Außerdem plädieren Befragte dafür, dass es vergünstigte Deutschland-Tickets für Rentnerinnen und Rentner, Schülerinnen und Schüler, Studierende oder auch Geringverdiener geben sollte.

Warum ignoriert die Politik Forderungen der Rentner nach kostenlosem Nahverkehr nach dem Beispiel anderer europäischer Länder? Hier muss in unserem Land endlich neu gedacht werden.

Ralf, 77 Jahre, Dresden

Deutliche Unterschiede abhängig von bisheriger ÖPNV-Nutzung

Dabei hängen die persönlichen Pläne vor allem davon ab, wie stark die MDRfragt-Mitglieder bisher bereits auf Bus und Bahn gesetzt haben. Unter jenen, die eher regelmäßig mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, setzt die Mehrheit (57 Prozent) auf das 49-Euro-Ticket. Unter jenen, die bislang tendenziell ohne öffentliche Verkehrsmittel ihren Alltag bestreiten, wollen acht Prozent der Befragten jetzt das 49-Euro-Ticket kaufen.

Wer will das 49-Euro-Ticket nutzen? Kauf nach Nutzungsgewohnheiten
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Bringt das 49-Euro-Ticket neue Nutzer für den öffentlichen Nahverkehr?

Zu den MDRfragt-Mitgliedern, die angaben, bisher - wenn überhaupt - nur unregelmäßig öffentliche Verkehrsmittel genutzt zu haben, jetzt aber das Deutschland-Ticket nutzen zu wollen, gehört der 38 Jahre alte Johannes aus Leipzig. Für ihn gehe mit dem Deutschland-Ticket ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung.

Ich konnte es nie verstehen, warum man nur Abo-Tickets für einen begrenzten Raum wie einen Verkehrsverbund kaufen kann.

Johannes, 38 Jahre, Leipzig

In seiner Heimatstadt sei er bisher überwiegend mit dem Fahrrad unterwegs, auch, weil für ihn die bisherigen Abo-Tickets zu unattraktiv waren, argumentiert er weiter. Das Deutschland-Ticket finde er als jemand, der am Wochenende gern mal in andere Städte pendele, aufgrund der Einfachheit hingegen sehr attraktiv. Der Leipziger will das Deutschland-Ticket auch aus grundsätzlichen Erwägungen kaufen: "Selbst, wenn sich das Ticket für mich nicht rechnen sollte, kaufe ich es, weil ich es für eine gute Investition in solidarische Mobilität für die Gesellschaft halte."

Kosten sparen durch Bahnfahren

Andere MDRfragt-Mitglieder wollen mit dem Ticket zumindest mal erproben, ob öffentliche Verkehrsmittel eine Alternative im Alltag sind.

Ich will das Ticket nutzen und das Auto stehen lassen.

Kerstin, 64 Jahre, Landkreis Bautzen

Michael aus dem sachsen-anhaltischen Landkreis Börde will hingegen den Staus entgehen, die er bisher als Autofahrer auf seinem täglichen Arbeitsweg nach Brandenburg regelmäßig auf der Autobahn 2 erlebt. Deshalb setzt er jetzt auf das Deutschland-Ticket:

Das reguläre Bahnticket ist mehrfach teurer als die Benzinkosten. Zudem dauert die Fahrt mit der Bahn eine Stunde länger als mit dem Auto. Mit dem 49-Euro-Ticket sind die Kosten mit der Bahn deutlich günstiger.

Nicht nur unter den MDRfragt-Mitgliedern gibt es einige Menschen, die mit dem Ticket mehr Bus und Bahn in ihren Alltag integrieren wollen. Einzelne Verkehrsbetriebe berichten bereits vor dem Start, dass sie das Deutschland-Ticket auch an Neukunden verkauft haben:

Was gegen das Deutschland-Ticket spricht

Der mit Abstand am häufigsten genannte Grund, warum MDRfragt-Mitglieder sich kein 49-Euro-Ticket kaufen, heißt: Es fehlt an sinnvollen Verbindungen auf ihren wichtigsten Alltagsstrecken. Auch die vielen Verspätungen und Ausfälle im öffentlichen Nahverkehr wirken abschreckend, ebenso wie der Eindruck, es sei zu kompliziert und unkomfortabel, mit Bus und Bahn zu fahren.

Gründe gegen die Nutzung des 49-Euro-Tickets
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Unter denjenigen Befragten, die im ländlichen Raum wohnen, gaben sogar fast drei Viertel an, dass die fehlenden und schlechten Bus- und Bahn-Verbindungen für sie das Deutschland-Ticket unattraktiv machen. Mehrere MDRfragt-Mitglieder haben dazu vor wenigen Tagen auch im "Fakt ist"-Studio in Magdeburg mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Wirtschaft diskutiert.

Bisherige ÖPNV-Nutzer vermissen beliebte Extras der Abokarten

Auch unter jenen, die sich selbst zu den regelmäßigen Nutzerinnen und Nutzern von Bus und Bahn zählen, verzichtet ein großer Teil (42 Prozent) jetzt auf das Deutschlandticket. Ein Grund dafür wurde von vielen MDRfragt-Mitgliedern genannt: Das 49-Euro-Ticket ist an einen konkreten Fahrgast persönlich gebunden.

Immer wieder verweisen MDRfragt-Mitglieder darauf, dass ihre bisherige Monatskarte übertragbar ist - also je nach Bedarf von verschiedenen Personen genutzt werden kann. Andere können mit ihren bisherigen Ticketarten am Wochenende eine weitere Person kostenlos mitnehmen, oder jederzeit ihr Fahrrad ohne Extra-Ticket mit in die Bahn nehmen. Das ist mit dem Deutschlandticket nicht möglich.

Kritik an digitalem Deutschlandticket

Nicht wenige MDRfragt-Mitglieder schreckt es ab, dass sie das 49-Euro-Ticket derzeit vielerorts nur als digitale Variante für das Smartphone kaufen können und stören sich daran, dass es das Deutschland-Ticket nur als Abo-Modell gibt.

MDRfragt-Nutzerin Ursula, 68 Jahre, aus dem Raum Chemnitz ist nur eine von zahlreichen Befragten, die findet, dass die Macher des 49-Euro-Tickets die ältere Generation nicht genügend berücksichtigen:

Viele haben kein Internet, kein entsprechendes Handy, haben aus den oben genannten Gründen, Angst vor der Handynutzung. Was ist, wenn das Handy spinnt, man kein Netz oder wenn man das Handy vergisst?

Ursula, 68 Jahre, Raum Chemnitz

Sie habe viele Bekannte, die zwar gern reisen und wandern, aber lieber auf das teurere Senioren-Ticket setzten, weil sie sich mit der digitalen Variante weniger sicher fühlten, berichtet die 68-Jährige.

Manche Verkehrsverbünde bieten bereits zum Start des 49-Euro-Tickets auch Chipkarten an - beispielsweise in Leipzig und Dresden melden die Unternehmen großen Andrang.

Wird der ländliche Raum benachteiligt?

Es liegt auf der Hand, dass der Nutzen des 49-Euro-Tickets für jeden Einzelnen sehr davon abhängt, wie gut das Angebot mit öffentlichen Verkehrsmitteln an seinem Wohn- und Arbeitsort ist.

Die Anbindung variiert je nach Gemeinde stark, wie eine aktuelle Auswertung von MDR Data ergab: Jede dritte Gemeinde in Mitteldeutschland ist an Werktagen ab spätestens 20 Uhr nicht mehr mit dem öffentlichen Nahverkehr zu erreichen. Mit einem ausgedünnten Angebot am Abend, an Wochenenden und in den Schulferien sind vor allem ländliche Gebiete konfrontiert.

Wir der ländliche Raum beim Deutschlandticket benachteiligt? Ein Großteil der MDRfragt-Mitglieder sagt: ja.

Benachteiligt das 49-Euro-Ticket Menschen, die im ländlichen Raum leben?
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In den ausführlichen Begründungen zeigt sich jedoch, dass viele Befragte sehr differenziert auf das Thema blicken. Für manche passt es in ein allgemeines Bild im Verhältnis von Stadt und Land. Die 72 Jahre alte MDRfragt-Teilnehmerin Barbara aus Suhl meint, die Landbevölkerung werde systematisch benachteiligt. "Das ist mal wieder ein Geschenk für die Bewohner der Ballungszentren", meint sie mit Blick auf das Deutschland-Ticket.

Benachteiligt nicht, eher hat man auf dem Land eher keinen Vorteil davon, da einfach die Angebote fehlen, um es zu nutzen. Dennoch finanzieren wir es von unseren Steuern mit. Nur ein günstiges Ticket einzuführen, reicht nicht aus, wenn der Bus trotzdem nur einmal die Stunde fährt und dreimal so lange braucht wie ich mit dem Auto auf Arbeit.

Corinna, 36 Jahre, Landkreis Leipzig

Andere Befragte weisen die Benachteiligung der ländlichen Regionen zurück. So schreibt Ines, 60, aus Dresden: "Soweit ich es verstehe, können alle das Deutschlandticket nutzen, egal, ob Stadt oder Land. Landbewohner haben in der Regel mehr von der Pendlerpauschale als Städter."

Tankrabatt, Dienstwagenprivileg, Steuervorteile, Pendlerpauschale, es gibt ausreichend - um nicht zu sagen zu viele - Entlastungen für den motorisierten Individualverkehr.

Johannes, 28 Jahre, Jena

Über diese Befragung Die Befragung vom 14.04. - 17.04.2023 stand unter der Überschrift:

Künstliche Intelligenz - Fluch oder Segen? Darin haben wir auch Fragen zum ÖPNV und dem 49-Euro-Ticket gestellt.

Insgesamt sind bei MDRfragt 65.388 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 17.04.2023, 16.00 Uhr).

15.996 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen.

Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 223 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 2.489 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 8.335 Teilnehmende
65+: 9.486 Teilnehmende

Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 10.678 (52 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 4.978 (24 Prozent)
Thüringen: 4.877 (24 Prozent)

Verteilung nach Geschlecht:
Weiblich: 8.638 (42 Prozent)
Männlich: 11.840 (58 Prozent)
Divers: 55 (0,2 Prozent)

Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.

Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Fakt ist! | 24. April 2023 | 22:10 Uhr