Eingang einer Filiale der Deutschen Rentenversicherung
Nicht alle Leistungen der Rentenversicherung können durch die Beiträge finanziert werden. Doch über die genaue Höhe herrscht Unklarheit – das könnte sogar vom Gesetzgeber gewollt sein. Bildrechte: IMAGO / Schöning

Deutsche Rentenversicherung Rentenexperte: Unklarheit über staatliche Rentenbezuschussung politisch gewollt

01. Juni 2024, 12:54 Uhr

Gewisse Leistungen der Deutschen Rentenversicherung müssen durch den Staat bezuschusst werden, da die Beiträge nicht ausreichen. Das gilt zum Beispiel für die höhere Bewertung von Rentenzeiten in den neuen Bundesländern oder die Berücksichtigung von beitragsfreien Zeiten des Mutterschutzes. Über die genaue Höhe dieser Zahlungen herrscht jedoch Unklarheit. So gibt es zum einen Forderungen nach Transparenz und zum anderen die Vermutung einer Absicht, um freier über Gelder verfügen zu können.

"Nicht beitragsgedeckt" – so nennt die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Leistungen, die der Gesetzgeber beschlossen hat, ohne dafür "eine direkte Erstattung vorzusehen". Die Zuschüsse, die der Bund an die Rentenkasse überweist, sollen sie abdecken.

Auf Nachfrage, was genau zu diesen Leistungen zählt, antwortet die DRV schriftlich: "Eine höhere Bewertung von Rentenzeiten in den neuen Bundesländern, von Zeiten der Berufsausbildung und von Beitragszeiten Kindererziehender mit unterdurchschnittlichem Arbeitsentgelt, zudem die Zahlung von Altersrenten vor Erreichen des regulären Rentenalters ohne entsprechende Abschläge [...] sowie die rentensteigernde Berücksichtigung von beitragsfreien Zeiten der Fachschulausbildung und des Mutterschutzes sowie vieles mehr."

Höhe der nicht beitragsgedeckten Leistungen im Dunkeln

Wie viel mehr, dazu schreibt die Rentenversicherung nichts. Und auch das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BAMS) wird nicht genauer. Auf Nachfrage von MDR AKTUELL schreibt das BMAS: "Diese nicht beitragsgedeckten Leistungen lassen sich nicht exakt beziffern, denn es existiert in Wissenschaft und Praxis keine eindeutige und konsensfähige Abgrenzung dieser Leistungen. Damit lässt sich auch deren Volumen nicht eindeutig bestimmen."

Ganz so unklar sind Umfang und Volumen dann allerdings doch nicht. Die jüngsten Zahlen der Rentenversicherung für das Jahr 2020 beziffern die Ausgaben je nach Abgrenzung zwischen 63 und gut 112 Milliarden Euro. Dem gegenüber stehen Bundeszuschüsse aus Steuermitteln in Höhe von 75 Milliarden Euro. Wer an dieser Stelle nicht mehr mitkommt, muss sich nicht schämen. Der Bundesrechnungshof schafft das nämlich auch nicht.

Im Dezember vergangenen Jahres hat er dem BMAS empfohlen, Transparenz herzustellen. In dem Bericht heißt es: "Das BMAS sollte regelmäßig veröffentlichen, was zu den versicherungsfremden Leistungen gehört und wie hoch sie sind. Derzeit können weder Parlament noch Öffentlichkeit einschätzen, ob die dafür aufgewendeten Bundeszuschüsse angemessen sind."

Rentenexperte: Staatliche Zuschüsse bleiben offenbar gewollt vage

In seinem jährlichen Rentenversicherungsbericht äußere sich das Ministerium dazu nicht, bemängelt der Rechnungshof. Auch der Rentenexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Johannes Geyer hält das für geboten. "Es wäre vermutlich sinnvoll, das transparent zu machen und zu sagen: welche Leistungen der Rentenversicherung finanzieren wir eigentlich über Steuermittel – dann könnte man auch über die Sinnhaftigkeit dieser Finanzierung und der Leistung sprechen – und welche werden über Beiträge finanziert." Das wolle die Bundesregierung nicht. Er glaube, ein wichtiger Grund sei, dass dieses etwas Vage eben auch eine gewisse Freiheit beim Gesetzgeber bleibe, "mit diesem Geld etwas zu machen was er braucht".

Das zeige sich immer wieder, sagt Geyer. Zuletzt habe die Bundesregierung ihre Zuschüsse leicht heruntergefahren, um Löcher im Haushalt zu stopfen. Immerhin: Beim Ministerium für Arbeit und Soziales ist der Rüffel des Rechnungshofes offenbar auf offene Ohren gestoßen. Das Ressort von Minister Heil will noch in dieser Legislaturperiode zusammen mit der DRV eine Abschätzung der nicht beitragsgedeckten Leistungen aufstellen und dem Haushaltsausschuss zur Verfügung stellen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 01. Juni 2024 | 06:07 Uhr

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