Ampel-Koalition Scharfe Kritik an Einigung im Haushaltsstreit
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14. Dezember 2023, 13:10 Uhr
Was lange währt, wird endlich gut? Was die Einigung der Ampel auf einen Haushaltskompromiss angeht, ist das aus Sicht der Opposition und gesellschaftlicher Akteure fragwürdig. Die Reaktionen fallen deutlich aus.
- Oppositionsführer Friedrich Merz spricht von "Trickserei"
- In Sachsen-Anhalt wird um den Umweltschutz gebangt
- Milliardenzuschüsse für ostdeutsche Chipfabriken bleiben
- Sozialverbände beklagen fehlende Planungssicherheit
Ein höherer CO2-Preis, der Abbau umweltschädlicher Subventionen, aber möglichst keine Aussetzung der Schuldenbremse im kommenden Jahr: Die Ampel-Koalition hat eine Lösung gefunden, um die Lücke von 17 Milliarden Euro im Bundeshaushalt 2024 zu schließen, wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin verkündete.
Merz holt aus, AfD spricht von ruiniertem Wirtschaftsstandort
Die Reaktionen der Opposition fallen deutlich aus: CDU-Chef Friedrich Merz warf dem Kanzler "Tricksereien" vor. Was Scholz zuvor zur Lage in der Ukraine gesagt habe, sei schon die Ankündigung, dass die Ampel in den kommenden Monaten erneut eine Notsituation verkünden und so die Schuldenbremse aussetzen wolle. Dies sei aber nach dem Grundgesetz nur bei einer unvorhersehbaren Notlage zulässig. "Diesen Trick lassen wir Ihnen nicht durchgehen", kündigte Merz an.
Die Ampel hatte zuvor mitgeteilt, dass sie zwar die Regeln der Schuldenbremse einhalten wolle, eine erneute Aussetzung aber nicht auszuschließen sei mit Blick auf die Ukraine: Das könnte der Fall sein, wenn sich die militärische oder finanzielle Situation der Ukraine im kommenden Jahr deutlich verschlechtern sollte.
Scharfe Kritik kam auch von den Linken: Die Bundesregierung kürze und streiche "ohne Verstand", sagte Janine Wissler den Funke-Medien. Dabei gebe es gute Alternativen zum Sparhaushalt. "Wir sollten die Schuldenbremse endlich abschaffen sowie Superreiche und Konzerne stärker besteuern, dann wäre genug Geld da", forderte die Parteivorsitzende.
AfD-Chef Tino Chrupalla sprach davon, dass ein höherer CO2-Preis im neuen Jahr die Inflation anheizen und den Wirtschaftsstandort weiter ruinieren würde.
Lindner verteidigt Vorgehen
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) verteidigte indes die geplante Erhöhung des CO2-Preises. Der stärkere Anstieg auf 45 Euro pro Tonne CO2 im kommenden Jahr bringe dem Staat Mehreinnahmen von 1,3 Milliarden Euro, sagte Lindner am Mittwoch im ZDF. Durch Senkungen bei der Lohn- und Einkommensteuer würden die Menschen gleichzeitig um 15 Milliarden Euro entlastet. Diese Entlastung sei damit "wesentlich größer als der höhere CO2-Preis", der Heizen und Tanken verteuert.
Sorgen in Sachsen-Anhalt
In Sachsen-Anhalt sorgt sich Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) um den Umweltschutz und die Strompreise. Wer Umweltschutz betreibe und erneuerbare Energien ausbaue, werde bestraft, sagte er mit Blick auf die Netzentgelte.
Sachsen-Anhalts Energieminister Armin Willingmann hat es als ärgerlich bezeichnet, dass die Bundesregierung die Zuschüsse für die Netzentgelte im kommenden Jahr streichen will. Der SPD-Politiker sagte MDR AKTUELL, es sei vernünftig gewesen, mit Bundeszuschüssen den Anstieg der Netzentgelte abzupuffern. Dass das nun wegfalle, passe nicht in die Zeit.
Die Netzentgelte sind ein Bestandteil des Strompreises. Die Spitzen der Ampel-Koalition wollen einen geplanten milliardenschweren Zuschuss zu den Entgelten streichen. In den Ländern im Norden und Osten wird inzwischen mehr Windstrom erzeugt, als dort verbraucht wird. Weil für den Transport in den Süden das Stromnetz für viel Geld ausgebaut werden muss, steigen die bislang regional berechneten Netzentgelte. Die Länder im Nordosten fordern deshalb schon länger eine stärkere Angleichung der Netzentgelte, so dass am Ende die Stromkosten dort günstiger sind, wo viel Energie aus Wind und Sonne entsteht.
Milliardenzuschüsse für ostdeutsche Chipfabriken bleiben
Die Milliardenzuschüsse für die Intel-Fabrik in Magdeburg stehen trotz der Haushaltskrise nicht in Frage. Die Ampel-Koalition kündigte an, an den rund zehn Milliarden Euro festzuhalten.
Auch die Förderung für die Chipfabrik von TSMC bei Dresden ist nach Angaben des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundeswirtschaftsministerium, Michael Kellner gesichert. "Die Einigung der Ampel ist gut für Ostdeutschland", sagte er. Derselben Meinung ist auch der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider. Er lobte die Verständigung als wichtiges Signal.
Der US-Hersteller Intel plant bei Magdeburg den Bau einer neuen Chipfabrik. Die Investitionen liegen bei rund 30 Milliarden Euro, der Staat will rund zehn Milliarden Euro zuschießen. Der taiwanische Konzern TSMC plant eine Halbleiterfabrik in Dresden mit einem Investitionsvolumen von mehr als zehn Milliarden Euro. Hier soll der staatliche Zuschuss bei etwa fünf Milliarden Euro liegen.
Ein Lob aus Sachsen
Sachsen Vize-Regierungschef Wolfram Günther (Grüne) beurteilte das Bekenntnis der Ampel zum Klima- und Transformationsfonds als wichtig: "Denn für Arbeitsplätze, Wertschöpfung und internationale Wettbewerbsfähigkeit in einer künftig klimaneutralen Wirtschaft ist das die Basis."
Sozialverbände prangern Kommunikation an
Die Kommunikation der Bundesregierung zur Haushaltseinigung stößt zudem den Sozial- und Wohlfahrtsverbände auf. "Die Bundesregierung hat heute noch zu wenig Konkretes zu Einsparungen gesagt. Aber 1,5 Milliarden Euro bei Sozialausgaben zu sparen, ist nicht das richtige Zeichen", sagte die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele. Wer am Sozialen spare, sende keine Botschaft für Zusammenhalt und für echte Armutsbekämpfung.
Der Paritätische Gesamtverband beklagte, dass es zu keiner sofortigen Aufhebung der aktuellen Haushaltssperre für soziale Dienste gekommen sei. Da zudem kein zeitlicher Fahrplan zur Verabschiedung des Haushalts vorliege, wüssten viele soziale Träger nicht, was sie Planungssicherheit haben werden.
Verdi: Haushalt ist sozial unausgewogen
Die Gewerkschaft Verdi hält die Haushalts-Einigung der Bundesregierung für sozial unausgewogen. Vorsitzender Frank Werneke sagte der Augsburger Allgemeinen, die Vereinbarung habe eine harte soziale Schieflage. Mit der deutlichen Anhebung des CO2-Preises von 10 auf 45 Euro pro Tonne im kommenden Jahr würden vor allem Bürger mit nicht so hohem Einkommen und Berufspendler getroffen.
Zudem sei das versprochene Klima-Geld zum sozialen Ausgleich nicht in Sicht. Der Sozialverband VdK erklärte, das Klima-Geld sei ein Muss, damit Menschen, die jetzt schon wenig hätten, nicht noch ärmer würden.
Fridays for Future: stärkerer Abbau klimaschädlicher Subventionen
Die Klimaschutzinitiative Fridays for Future hat den von der Ampel-Koalition geplanten Abbau umweltschädlicher Subventionen als völlig unzureichend kritisiert. "Gemessen an der Tatsache, dass aktuell jährlich 65 Milliarden Euro in die Finanzierung von klimaschädlichen Subventionen fließen, ist eine Kürzung von drei Milliarden Euro ein schlechter Scherz", sagte die FFF-Aktivistin Pauline Brünger der "Rheinischen Post". Dies zeige "völlig irre Prioritäten" der Bundesregierung.
Scholz hatte mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) in den vergangenen Tagen intensiv um eine Lösung bezüglich des Haushalts gerungen. Die Karlsruher Entscheidung habe weitreichende Folgen, sagte Scholz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Sie bedeute Kürzungen und Einsparungen. "Die machen wir nicht gerne", sagte der Kanzler. "Sie sind aber nötig."
dpa/afp/MDR (lik)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 14. Dezember 2023 | 10:00 Uhr