Energiepreisbremse Mit "Doppel-Wumms" ins Haushaltsloch
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16. Dezember 2023, 20:53 Uhr
An sich haben die Energiepreisbremsen 2023 den Bund weniger gekostet als befürchtet. Zum Ende des Jahres aber kommen sie die "Ampel"-Koalition teuer zu stehen, da auch sie mit wohl unzulässigen Schulden finanziert waren.
- Finanzierung vermutlich verfassungswidrig
- Kosten und Nutzen der Energiepreisbremsen
- Verlängerung an der Haushaltskrise gescheitert
- Folge: Keine Gewähr gegen steigende Preise
Am 24. Dezember vor einem Jahr sind die Energiepreisbremsen in Kraft getreten, bekannt auch unter dem Namen "Doppel-Wumms". Die "Ampel"-Koalition unter SPD-Kanzler Olaf Scholz wollte damit den rasanten Anstieg der Energiepreise bremsen und alle Leute "gut durch den Winter" bringen.
Das an sich ist gelungen. Nach Ansicht der "Wirtschaftsweisen" Veronika Grimm vom Expertenrat der Regierung wurden Konjunktur und Konsum auch durch die Energiepreispremsen gestützt, weil sie Unsicherheit reduzierten. Im Herbst führte Grimm die langsamere Inflation auf die Preisbremsen zurück, um wie die Bundesregierung für ihre Verlängerung zu plädieren.
Eine vorsichtige, aber ähnlich positive Abschätzung der Wirkungen der Gaspreisbremse hatte der Sachverständigenrat schon im März vorgelegt. Eine Analyse für Strom steht noch aus. Dass aber auch Strompreise dann weniger stark stiegen und beide Preisbremsen den Bund dadurch weniger gekostet haben, ist durchaus schon ein Hinweis auf ihre Wirkung.
Fragwürdige rechtliche Grundlage
Das Problem: Sie haben Geld gekostet und das war nicht da. Denn finanziert wurde das mit 200 Milliarden Euro auch laut Kanzler "gigantische" Paket über neue Kredite und den Wirtschafts-Stabilisierungsfonds (WSF).
Aus diesem "Sondervermögen", von Scholz & Kollegen im Herbst 2022 mit Kreditermächtigungen prall gefüllt, sollten bei Bedarf bis zu 83,3 Milliarden Euro zur Deckelung der Gas-, Fernwärme und Strompreise fließen.
Politisch publik wurde das Problem jedoch erst durch die im November 2023 erfolgreiche Verfassungsbeschwerde von CDU und CSU in Karlsruhe gegen den rot-grün-gelben Klima- und Transformationsfonds (KTF).
Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Umwidmung ungenutzter Kreditermächtigungen für Corona-Nothilfen in einen Klima-Fonds für nichtig. Beschlossen waren die Mittel noch von der schwarz-roten Bundesregierung mit Scholz als Finanzminister, um Notlagen durch die Coronavirus-Pandemie zu lindern. Und das Gericht sagte jetzt: Der Bund darf mögliche Notfall-Ausnahmen bei der Schuldenbremse des Grundgesetzes nicht auf Vorrat und nicht für andere Vorhaben in späteren Jahren ohne Notlage nutzen.
Der Klima- und Tranfsformationsfonds (KTF)
Diesen Sondertopf des Bundes außerhalb regulärer Haushalte gibt es schon seit Ende 2010. Erst hieß er Energie- und Klimafonds, Mitte 2022 wurde er umbenannt. Er wird regulär mit Einnahmen aus dem Emmissionsrechte-Handel und der CO2-Abgabe gefüllt, um Klimaschutz und Umbau der Wirtschaft zu unterstützen.
Dem KTF waren 60 Milliarden Euro nicht genutzte Kredit-Ermächtigungen aus Corona-Notfallmitteln zugeschlagen worden, was das Verfassungsgericht stoppte. Seine Bewirtschaftung wurde ausgesetzt, da allein für 2024 nunmehr 13 Milliarden Euro fehlten, 2023 ausgegebene Mittel wurden per Nachtragsetat legalisiert.
Ähnlich wie der KTF wurde aber auch der WSF mit einer sogar noch viel größeren Kredit-Finanzierung auf Vorrat ausgestattet. Das war 2022 möglich, da für dieses Jahr die Schuldenbremse noch wegen der Corona-Pandemie und wegen der Energiekrise durch den Ukraine-Krieg offiziell ausgesetzt war.
Der Wirtschafts-Stabilisierungsfonds (WSF)
Der WSF wurde im März 2020 aufgelegt, unter Bundesfinanzminister Scholz, um Folgen der Coronavirus-Pandemie zu lindern. Im November 2022 wurde er um 200 Milliarden Euro an Krediten erweitert, für Maßnahmen gegen die Energiekrise als eine Folge des Ukraine-Kriegs. Eigene reguläre Einnahmen wie der KTF hat er nicht. Auch die WSF-Bewirtschaftung wurde nach dem Urteil aus Karlsruhe gestoppt und der verbleibende Bedarf für 2023 durch eine nachträgliche Notlage-Erklärung und einen Nachtragsetat gedeckt. Ende des Jahres wird der WSF nun geschlossen.
Das Geld sollte allerdings vor allem 2023 und als Energiepreispremse sogar noch bis zum Frühjahr 2024 fließen. Allein 2023 wurden nach Angaben des Wirtschaftsministeriums rund 67 Milliarden Euro an WSF-Krediten ausgezahlt, rund 103 Milliarden Euro wollte der Finanzminister auf 2024 übertragen.
Doch im Licht des ersten Schuldenbremsen-Urteils aus Karlsruhe zeigte sich das Loch auch im WSF, der demnach ebenfalls mit nicht legalen Schulden auf Vorrat geplant wurde. Zudem finanzierte mit diesen Energiepreisbremsen der Staat wirklich reine Konsum-Ausgaben auf Pump und keine Investition.
Preisbremsen "günstiger" als gedacht
Wettbewerbshüter waren gegen eine Verlängerung der Preisbremsen, der Wirtschafts-Sachverständigenrat und die Bundesregierung aber dafür, weil ihr dämpfender Effekt auch auf die Inflation erkennbar zu sein schien.
Auch zeigte sich schon bald nach dem Öffnen des Weihnachtspakets von 2022, dass der Bund besser wegkommt als gedacht. Die Energiepreise stiegen nicht so wie befürchtet und von dagegen einsetzbaren 83,3 Milliarden Euro waren nach Zahlen aus dem Wirtschaftsministerium bis Herbst 2023 "nur" 31,2 Milliarden nötig. Einer Verlängerung bis Ende März 2024 hätte weitere rund 14 Milliarden Euro kosten können. Dazu aber kam es nicht mehr.
2024: Schuldenbremse sticht Preisbremse
Schon kurz nach dem Haushaltsurteil im November wurde die geplante Verlängerung der Energiepreisbremsen gestrichen, die als Absicherung auch für diesen Winter noch bis in das Frühjahr 2024 hätte gelten sollen.
Auch will die Koalition laut ihrer späten Einigung zum Haushalt 2024 den Klima- und Transformationsfonds nun bis 2027 um 45 Milliarden Euro kürzen, E-Auto-Kaufprämien früher beenden, der Solarbranche weniger Geld geben und neben weiteren Kürzungen die CO2-Abgabe stärker erhöhen, was Heizen und Autofahren verteuert – um die Schuldenbremse einzuhalten.
Unter anderem für Energiepreisbremsen 2023 geflossene Mittel wurden zweieinhalb Wochen vor Jahresende im Bundestag fixiert – begründet mit der rückwirkenden Feststellung einer anhaltenden Notlage wie 2021 und 2022 per Nachtragshaushalt und neuen Schulden von 43,2 Milliarden Euro. So wurde unter 2023 ein Strich gemacht der Ansatz einer Lösung für 2024 gefunden.
Vor allem Strompreise könnten steigen
Das Ende der Preisbremsen und neue Einsparungen zum Stopfen der Haushalts-Löcher könnten sich 2024 nun als nationale Energie-Preistreiber erweisen, die höhere CO2-Abgabe etwa und steigende Netzentgelte, denn eine Gewähr gegen steigende Preise gibt es vorerst nicht mehr.
Auch zahlen Gas- und Fernwärmekunden ab 2024 wieder die volle Mehrwertsteuer von 19, statt ermäßigte sieben Prozent. Dabei gab es jetzt weniger die Befürchtung stark steigender Gaspreise, da die Belieferung auch ohne Russland sicher schien und Speicher zu Winter-Beginn voll waren.
Auch könnte bei Gas der Wettbewerb die Preise noch etwas drücken. Fernwärme dagegen könnte – ohne die Möglichkeit des Anbieterwechsels – doch deutlicher teurer werden.
Und trotz Wechselmöglichkeit könnte das auch bei Strom so sein. Mit der Schließung des WSF fällt der geplante Bundeszuschuss zur Finanzierung der Netzentgelte von bis zu 5,5 Milliarden Euro weg. So müssen Strom-Kunden wohl gleich zu Beginn des neuen Jahres mit höheren Preisen rechnen.
Tatsächlich kündigten die vier deutschen Übertragungsnetz-Betreiber Amprion, Tennet, Transnet und 50Hertz umgehend an, die Netzentgelte auf 6,43 Cent pro Kilowattstunde zu verdoppeln. Nach Rechnungen von Industrie- und Handelskammern müssen Unternehmen mit bis zu 20 Prozent höheren Stromkosten rechnen, trotz Vergünstigungen bei der Stromsteuer.
Privat-Haushalte müssen nach stetig gestiegenen Strompreisen für 2024 nun mit Steigerungen zwischen acht und neun Prozent rechnen, bei drei Personen mit etwa 35 Euro mehr im Jahr. Die Vergleichsportale Check24 und Verivox errechneten für einen Verbrauch von bis zu 5.000 Kilowattstunden jetzt zusätzliche Stromkosten von rund 100 Euro für das neue Jahr.
Längerfristig werden sogar Preise von 60 bis 80 Cent pro Kilowattstunde befürchtet, sollte der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht mithalten. Aus dem Bundeswirtschaftsministerium kommen dagegen deutlich moderatere Szenarien – mit Strompreisen um etwa 40 Cent die Kilowattstunde.
Und bei exakt diesem Wert waren die Strompreise für Verbraucher jetzt gedeckelt worden. Ob er auch ohne staatliche Bremse hält, muss sich zeigen. Die aber ist vorerst nun Geschichte – und ihre Bilanz nicht ohne Makel.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 15. Dezember 2023 | 13:00 Uhr
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