Die Sonne lässt 2021 das verfärbte Herbstlaub rund um ein Windrad aufleuchten.
Mit dem Grundgesetz in Thüringen ist ein grundsätzliches gesetzliches Verbot von Windrädern in Wäldern nicht vereinbar. Das Verbot wollen CDU, AfD und FDP umgehen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Nicolas Armer

Erneuerbare Energien CDU, FDP und AfD erschweren Bau von Windrädern in Thüringer Wäldern

08. Dezember 2023, 19:32 Uhr

Keine neuen Windräder im Wald: CDU und FDP verbündeten sich erneut mit der AfD und verabschiedeten im Thüringer Landtag ein Gesetz gegen den Willen von Rot-Rot-Grün - und trotz erheblicher Bedenken der Landtagsverwaltung und obwohl Unternehmen Nachteile befürchten. Für das Vorhaben gibt es eine längere Vorgeschichte, bei der auch das Bundesverfassungsgericht eine entscheidende Rolle spielte.

"Eine Änderung der Nutzungsart zur Errichtung von Windenergieanlagen ist nicht zulässig." Es war ein einfacher Satz. Auf Betreiben der Thüringer CDU wurde er 2020 ins Thüringer Waldgesetz geschrieben. Damals hatte Rot-Rot-Grün dem Verbot von neuen Windrädern im Wald mit Zähneknirschen zugestimmt. Und im Gegenzug CDU-Stimmen für den Landeshaushalt 2021 bekommen. Im Herbst 2022 wurde der Satz dann durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes wieder gestrichen. Ersatzlos. Sofort.

Nicht vereinbar mit dem Grundgesetz, das hatte das höchste deutsche Gericht entschieden. Ein grundsätzliches gesetzliches Verbot von Windrädern in Thüringer Wäldern - der erste Versuch war damit gescheitert. 

CDU, AfD und FDP arbeiten seit einem Jahr zusammen gegen Windräder im Wald

Das war eine schwere Schlappe für die Thüringer CDU. Das Windrad-Verbot im Wald ist für die Partei eines ihrer zentralen politischen Themen, seit die Partei 2014 von der Regierungs- zur Oppositionspartei wechselte. Seitdem kämpft auch die AfD als parlamentarische Kraft gegen jeden Fortschritt beim Ausbau der Windenergie. Und die Energiewende allgemein.

Und seit 2019 sitzt die FDP wieder im Thüringer Landtag. Es ist die dritte politische Kraft, die mit scharfen Worten ihrer Ablehnung von Windanlagen im Wald immer wieder Nachdruck verleiht. Ihre Version eines Gesetzes, das Windenergieanlagen im Wald verhindern soll, wird im Thüringer Landtag seit einem Jahr diskutiert.

Erste Lesung, Debatten im Ausschuss, Anhörung. Gemeinsam haben die drei Parteien die Gesetzesänderung jetzt vom Ausschuss zurück ins Plenum gebracht. Die zweite Lesung war am Freitag. Dass sich CDU und FDP die Mehrheit für ein politisches Vorhaben gegen die Minderheitsregierung von der AfD sichern lassen, ist inzwischen erprobt. Und ist beim Thema Windräder im Wald schon länger verabredet. 

Windräder im Wald
Am Freitag wollen FDP, CDU und AfD für ein Gesetz gegen Windräder stimmen. Bildrechte: IMAGO / Hans Blossey

FDP schreibt kaum überwindbare Hürden ins Gesetz

Wenn Wald in Thüringen anders genutzt werden soll, müssen vielfältige Interessen abgewogen werden. Das ist gesetzliche Voraussetzung für eine Genehmigung. Die FDP will der Aufforstung geschädigter Flächen und der Suche nach anderen Standorten für Projekte im Wald Vorrang einräumen im Gesetz.

Für eine weitere Ergänzung des Waldgesetzes gab es dann aber verfassungsrechtliche Bedenken im Landtag und im Ausschuss. Sie betreffen die Pflicht, dass für jede Fläche, auf der Wald quasi beseitigt wird, die also mit Genehmigung anders genutzt wird, innerhalb von zwei Jahren an anderer Stelle aufgeforstet werden muss. Wer ein Windrad im Wald baut, muss also eine Fläche finden, dort Bäume pflanzen und das selbst bezahlen.

Mehrheit im Landtag beschließt Gesetz am Freitag

Diesen Passus hat die FDP am Freitag im Thüringer Landtag gemeinsam mit Stimmen der CDU und der in Thüringen als rechtsextrem eingestuften AfD verabschiedet. Die FDP hatte den folgenden Satz ergänzt: "Die Ausgleichsaufforstung soll nicht auf für den landwirtschaftlichen Betrieb bestimmten Flächen vorgenommen werden." Im Klartext: Äcker und Grünland sind dann tabu.

Flächen, die außerhalb von Wald und Feld dafür zur Verfügung stehen, sind im waldreichen, ländlichen Thüringen knapp. Kritiker befürchteten: Die von der FDP betriebene Änderung des Waldesgesetzes könnte bewirken, dass niemand mehr Waldflächen umnutzen kann.

Einfach, weil niemand mehr Flächen für das verpflichtende Anpflanzen von Wald an anderer Stelle findet. Praktisch, befürchten Experten, würde das bedeuten: Windräder im Wald werden mit dem neuen Gesetz unmöglich.

Abgeordnete warten vergeblich auf juristische Stellungnahme

Am 24. Oktober 2023 hatte der Ältestenrat des Landtages dazu entschieden, den wissenschaftlichen Dienst des Landtages zu befragen. Man bat die Juristen einzuschätzen, ob die Konsequenzen des Verbots, auf Landwirtschaftsflächen aufzuforsten, so gravierend sind, dass das Bundesverfassungsgericht auch sie für unzulässig erklären könnte. Bis zum Start der Plenarsitzung in dieser Woche sollte ein Gutachten vorliegen.

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Im Landtag soll über eine Gesetzesänderung auf FDP-Vorlage zum Ausbau von Windrädern abgestimmt werden. FDP-Chef Thomas Kemmerich will damit Windräder im Wald verhindern.

MDR THÜRINGEN - Das Radio Do 07.12.2023 21:45Uhr 05:43 min

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Doch die Abgeordneten hatten nichts mehr bekommen. Am Mittwoch sorgten CDU, FDP und AfD mit ihrer Stimmenmehrheit dafür, dass der Gesetzentwurf dennoch am Freitag behandelt wurde. Der Sprecher der parlamentarischen Gruppe der FDP, Thomas Kemmerich, sagt im Interview vor der Landtagssitzung am Freitag mit MDR THÜRINGEN, die parlamentarische Gruppe der FDP habe den Gesetzentwurf von juristisch erprobten Menschen erarbeiten lassen, sich mit Experten juristischer Fakultäten beraten. Die Abgeordneten seien sich so sicher, wie man sein kann, dass der Entwurf den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspricht. Davor habe man Respekt.

"Hoch risikobelastet": Landtagsdirektor rät zu späterer Abstimmung

Landtagsdirektor Jörg Hopfe war sich da nicht sicher. Am Donnerstagmorgen schickte er ein Schreiben an alle Landtagsabgeordneten. Er erinnerte an Zweifel, ob das Land die Kompetenz habe, Regelungen für den Wald zu beschließen, die in der Praxis einem Verbot gleichzusetzen wären. Eine abschließende Einschätzung dazu, so Hopfe auf Anfrage von MDR THÜRINGEN, könne der wissenschaftliche Dienst aktuell nicht geben.

Dazu müsse man die Folgen des Aufforstungsverbotes auf landwirtschaftlichen Flächen genau abschätzen. Vorläufig fehlten dafür Daten zu Flächen, die außerhalb der Landwirtschaft zur Verfügung stehen. "Diesen Ausführungen mögen Sie bitte entnehmen, dass ein etwaiger Gesetzesbeschluss zum jetzigen Zeitpunkt mit Blick auf die ungeklärten Sachverhalts- und Rechtsfragen in hohem Maße risikobehaftet wäre", schreibt Hopfe dem Parlament.

Seine dringende Empfehlung war: Den Gesetzentwurf weiter im Ausschuss besprechen, bis alle nötigen Informationen vorliegen. "Wenn wir Risiken sehen, ist es unsere Pflicht, den Finger zu heben", sagt Hopfe, der sich üblicherweise sehr selten öffentlich äußert.

Parteien und Unternehmen befürchten Nachteile

Dass die energiepolitischen Sprecher der Thüringer Regierungsfraktionen sich kritisch zum Inhalt des FDP-Gesetzes und zum Vorgehen von FDP, CDU und AfD äußern, war nicht anders zu erwarten. Ungewohnt ist, wie nachdrücklich andere Stimmen warnen.

Ein mobiler Grosskran, Autokran, hebt ein Rotorblatt zum Maschinenhaus auf den Turm.
Auch Thüringen muss bis 2032 Bundesvorgaben zum Windrad-Ausbau erfüllen. Bildrechte: IMAGO/Rupert Oberhäuser

Die Leiterin der Servicestelle Wind bei der Thüringer Energie- und Greentec-Agentur, Ramona Rothe, verweist auf die gesetzlichen Vorgaben des Bundes. Wenn Thüringen nicht bis 2032 2,2 Prozent der Landesfläche ausweise für Windräder, werde in Berlin darüber entschieden. 

Darüber hinaus seien energieintensive Betriebe aus der Stahl-, Glas und Papierindustrie besorgt, dass das Gesetz ihre Pläne für den Bau eigener Windenergieanlagen zur Versorgung der Produktion mit grünem Strom durchkreuze. Es "gefährdet deshalb aus unserer Sicht Arbeitsplätze, Steuereinnahmen für strukturschwache Gebiete und den Wirtschaftsstandort Thüringen", so Rothe. Thüringens Forstministerin Susanna Karawanskij (Linke) sagte, die Gesetzesänderung bringe keinen Mehrwert für den Schutz des Waldes, aber mehr Bürokratie.

Papierhersteller sieht Gefahr für Greizer Werk

Im Interview mit MDR THÜRINGEN macht der Geschäftsführer des Greizer Standortes der Köhler-Gruppe, Udo Hollbach deutlich, wie solche Schwierigkeiten praktisch aussehen. Greiz ist das einzige Werk des Papierherstellers, wo hochwertiges Recyclingpapier produziert wird. Mehr als die Hälfte davon werde exportiert, so Hollbach.

Das Werk konkurriere im internationalen Wettbewerb mit Firmen, in deren Ländern der Strompreis deutlich günstiger sei. Sein Unternehmen habe ein Konzept für preiswerten grünen Strom und sei bereit, die Anlagen selbst zu planen und zu bauen.

Es gäbe Gespräche mit Eigentümern in Ostthüringen. Auch im Wald. Doch man komme nicht voran. Das gefährde den Standort. Ähnlich hatte sich der Glashersteller Wiegand schon Mitte November in einem offenen Brief an die Thüringer Politik geäußert.

Rot-rot-grüne Energiewende mit der AfD aushebeln

FDP, CDU und AfD im Thüringer Landtag ließen trotz dieses Drucks nicht von ihrem Vorhaben ab. Thomas Kemmerich, Sprecher der parlamentarischen Gruppe der FDP, sagte vorab, der Erhalt und die Aufforstung des Waldes stünden im Vordergrund. Das bloße finanzielle Interesse von Personen, die ihren Wald nutzen wollen, um Windräder zu errichten, müsse hinter den Schutz des Waldes zurücktreten.

Das würden die Bürger erwarten. Politisch ist die Bedeutung dieses Gesetzes gar nicht zu überschätzen. Alle drei Parteien arbeiten - mit unterschiedlicher Ausrichtung - gegen einzelne Ziele der Energiewende oder insgesamt dagegen. Das Thema hat für die oppositionelle CDU und FDP in Thüringen zehn Monate vor der Landtagswahl ganz offensichtlich sehr großes Gewicht. Mehr als die absehbare Empörung über ein weiteres Gesetz, das mithilfe der AfD explizit gegen die politischen Kernziele von rot-rot-grün zustande kommt.

MDR (ost,jn)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 08. Dezember 2023 | 07:00 Uhr

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