Jürgen Resch (l-r), Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Franziska Heß, Rechtsanwältin und Prozessvertreterin, und Olaf Bandt.
Der Deutschen Umwelthilfe wird vorgeworfen, sich als NGO nicht stark genug von der Politik abzugrenzen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

Hörer machen Programm NGOs: Wo die Grenze zu staatlichen Aufgaben verläuft

30. August 2024, 05:00 Uhr

Sie engagieren sich für Umweltschutz, Entwicklungshilfe oder dafür, dass Menschen ein Dach über dem Kopf oder etwas zu essen haben - die Rede ist von Nichtregierungsorganisationen, kurz NGOs. MDR AKTUELL-Hörer Kurt Löhnicker möchte wissen, wo die Abgrenzung zwischen staatlichen Pflichtaufgaben und denen von NGOs liegt. Ihre Finanzierung erfolge oft aus Steuermitteln, was zu Interessenskonflikten führen könne.

Jan Kröger, Moderator und Redakteur
Bildrechte: MDR/Karsten Möbius

Über 21.000 NGOs sind global aktiv, dazu kommen noch viele Zehntausend nationale Organisationen. Als Non-Profit-Initiativen engagieren sie sich für Anliegen wie Umweltschutz, Entwicklungshilfe oder Menschenrechte. Sie finanzieren sich über Spenden, bekommen aber auch staatliche Fördergelder. Sind damit Interessenkonflikte vorprogrammiert? Wie erfolgt die Abgrenzung zu staatlichen Pflichtaufgaben?

NGOs und staatliche Verantwortung

Eine klare Grenze, wie weit sich eine Nichtregierungsorganisation engagieren darf, gibt es nicht. Aber einige Beispiele können zeigen, wo es kritisch wird. Die Politologin Luise Molling denkt da an die Tafeln. Denn es sei nicht Aufgabe eines Vereins, dafür zu sorgen, dass alle genug zu essen haben.

Dann ersetzt man ein Bürgerrecht durch ein freiwilliges Almosensystem. Und der Staat kann sich darauf ausruhen.

Luise Molling Politologin

"Da seh ich ein Problem, wenn eine zivilgesellschaftliche Organisation einen staatlichen Rückzug abfedert und jetzt sogar immer mehr staatliche Unterstützung verlangt", sagt Molling. "Dann ersetzt man ein Bürgerrecht auf ausreichende Absicherung der Existenz durch ein freiwilliges Almosensystem. Und der Staat kann sich immer mehr darauf ausruhen."

Umwelthilfe in der Kritik für Lobbyarbeit

Ein zweites, ganz anderes Beispiel ist die Deutsche Umwelthilfe. Ihr Generalsekretär Sascha Müller-Kraenner sagt ganz bewusst, sein Verein kümmere sich um eine eigentlich staatliche Aufgabe: die Einhaltung von Umweltstandards. "Deswegen gibt es eine Reihe von anerkannten Verbraucherschutzorganisationen – da führt das Justizministerium eine Liste – die berechtigt sind, Verbrauchervorschriften zu kontrollieren und dann eben auch Dinge abzumahnen", erklärt er.

Doch mit ihren Klagen, etwa für Diesel-Fahrverbote, hat sich die Umwelthilfe nicht nur Freunde gemacht. Der CDU-Verkehrspolitiker Christoph Ploß findet, "dass es auf der einen Seite ein Abmahnverein ist, auf der anderen Seite dort Lobbypolitik gemacht wird. Wir können nicht länger sagen, dass solche Vereine auch noch finanziell unterstützt werden."

Zuletzt hatten Ploß und andere Unionspolitiker kritisiert, dass die Umwelthilfe Fördermittel für eine Kampagne gegen Verkehrslärm erhalten hatte – vom grün geführten Umweltministerium. Der Vorwurf: Dort arbeiten zwei Institutionen mit ähnlicher politischer Ausrichtung Hand in Hand.

Für Umwelthilfe-Generalsekretär Müller-Kraenner ist es dagegen ein ganz normaler Vorgang: "Wir bewerben uns auf Projekte bei öffentlichen Ausschreibungen, zum Beispiel Projekte im Naturschutzbereich." Insgesamt würden diese Ausschreibungen etwa zehn Prozent des Gesamthaushalts der Umwelthilfe ausmachen. Das sei ein "überschaubarer Bereich", sagt Müller-Kraenner.

Foodwatch: Finanzierung nur durch Spenden

Andere Organisationen sind da strenger. Etwa "Foodwatch" – der Verein, für den Politologin Luise Molling arbeitet. Er finanziert sich nur aus Beiträgen und Spenden. "Für eine Organisation, die ja Druck ausüben will auf die Politik, und wir arbeiten natürlich auch mit öffentlichen Kampagnen in erster Linie, wäre es unheimlich schwierig, wenn wir jetzt staatliche Gelder nehmen würden", erklärt Molling. "Wenn ich Geld von jemandem bekomme, kann ich ihn ja nicht mehr so stark und öffentlich kritisieren."

Doch auch für Luise Molling gibt es Ausnahmen. Sie denkt dabei an Organisationen, die humanitäre Hilfe in Krisengebieten leisten. Das sei ohne staatliche Gelder gar nicht möglich. Zusammengefasst: Auf die Fragen von MDR AKTUELL-Hörer Kurt Löhnicker gibt es keine eindeutige Antwort, aber viele Ansätze, um weiter darüber zu diskutieren.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 30. August 2024 | 06:28 Uhr

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