Umweltaktivisten von Campact, dem Verkehrsclub VCD und Greenpeace protestieren gemeinsam vor Beginn der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) mit dem Kanzler vor dem Bundeskanzleramt für den Erhalt des 49-Euro-Tickets
Organisationen wie Compact setzen sich für ihre Themen ein und stellen auch Aktivisten in der Organisation an. Bildrechte: picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka

Nichtregierungsorganisationen Gibt es den Beruf "Vollzeit-Aktivist"?

26. Juli 2024, 14:46 Uhr

Egal, ob man als Identitärer einen Protest gegen Migranten organisiert, als Abtreibungsgegner von Tür zu Tür geht oder sich als Klimaschützer auf die Straße klebt: Eines hat man gemeinsam: Man setzt sich für etwas ein, man ist Aktivist. Manche investieren wenig Zeit, manche viel. Ein MDR-AKTUELL-Hörer fragt, ob Vollzeit-Aktivismus ein Beruf sein könne, wie er bezahlt würde.

Fürs Demonstrieren bezahlt werden? Das kann man unter anderem als Aktivist beim Kampagnennetzwerk Campact. Das ist eine NGO (Nichtregierungsorganisation), die sich für progressive Politik, Demokratie und Menschenrechte einsetzt, erklärt Astrid Deilmann, die Geschäftsführerin von Campact. Mitarbeitende sucht die Organisation zurzeit in den Bereichen Presse und Social Media, und zwar über die normalen Jobplattformen.

Aktivisten per Stellenanzeige gesucht

Deilmann erklärt: "Bei uns arbeiten politisch besonders aktive Menschen, denen es wichtig ist, das Gemeinwohl im Blick zu haben und auf Ungerechtigkeiten hinzuweisen, Menschenrechte für alle durchzusetzen. Das Entscheidende bei uns ist: Wir sind eine Organisation, die sich alleine über Spenden finanziert. Wir haben noch nie Geld vom Staat bekommen, wir haben kein Geld von Wirtschaftsverbänden oder Unternehmen angenommen."

Astrid Deilmann findet, dass Aktivismus auch ein Beruf sein kann. Bei Campact arbeiten rund 100 Aktivisten mit Arbeitsvertrag und Gehalt, vor allem aber in der Organisation von Kampagnen. Woher das Geld kommt, wohin es fließt, kann man im Transparenzbericht auf der Webseite nachlesen. Es sei wichtig, dass Menschen dafür bezahlt werden, wenn sie sich in Vollzeit für eine gute Sache einsetzen, meint Deilmann.

"Die großen Veränderungen, die unsere Gesellschaft gerechter und demokratischer gemacht haben, die wurden immer erst von Bewegungen erstritten. Also von Menschen, die sich aus einer persönlichen Motivation heraus, jenseits ihres sonstigen Lebens, Berufs, Verpflichtung, auf die Straße oder auf den Wege gemacht haben, um etwas zu erstreiten", betont die Geschäftsführerin.

Die großen Veränderungen, die unsere Gesellschaft gerechter und demokratischer gemacht haben, die wurden immer erst von Bewegungen erstritten.

Astrid Deilmann, Geschäftsführerin von Campact

Gewerkschafter waren die Wegbereiter

Campact ist nicht die einzige NGO, die Aktivisten einstellt. Im vergangenen Jahr berichteten Medien, dass die Klimaaktivisten der Letzten Generation monatlich bis zu 1.800 Euro erhalten. Neu ist das nicht, erklärt Johanna Wahl von der TU Berlin, Soziologin am Institut für Protest- und Bewegungsforschung. Im Grunde seien schon die ersten Gewerkschafter und Kämpferinnen für Frauenrechte Vollzeit-Aktivisten gewesen, sowie später auch die Mitarbeiter von Amnesty International und Greenpeace. 

Die Soziologin Wahl erklärt: "Ich würde schon sagen, dass im ganzen 20. Jahrhundert auch Protestaktivismus immer wieder bezahlt wurde von den jeweiligen Organisationen. Und ich finde auch, dass Aktivismus eine monetäre Entschädigung braucht, um sich politisch äußern zu können in der Regelmäßigkeit."

Ich finde [...], dass Aktivismus eine monetäre Entschädigung braucht, um sich politisch äußern zu können in der Regelmäßigkeit.

Johanna Wahl, Soziologin an der TU Berlin
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Angestellte Aktivisten gibt es in fast allen Bereichen

Vollzeit-Aktivisten suchen vor allem Organisationen, die sich für Menschenrechte, Umwelt- und Tierschutz, aber auch für Demokratie, Medienfreiheit, Transparenz oder politische Teilhabe einsetzen. Doch auch zutiefst undemokratische und umstürzlerische Bewegungen stellen Aktivisten ein und bezahlen sie über Spenden, sagt Johanna Wahl. "Allein den Begriff Vollzeit-Aktivistin würde ich jetzt erstmal wertneutral betrachten und somit auch einen Martin Sellner als Aktivist bezeichnen, eben wenn auch mit nationalistischen Zielsetzungen."

Der rechtsextreme Martin Sellner, der ehemalige Pegida-Chef Lutz Bachmann, die Querdenker-Organisatoren, gegen den Staat hetzende TikTok-Inflluencer, AfD-Mitarbeiter, die sich von China bezahlen lassen – sie alle, so Johanna Wahl, könne man im Grunde als bezahlte Vollzeit-Aktivisten bezeichnen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 26. Juli 2024 | 06:23 Uhr

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