Kolumne Wir sollten lernen, andere Meinungen auszuhalten

08. April 2023, 05:00 Uhr

Die letzten Corona-Beschränkungen sind aufgehoben. Hauptstadtkorrespondentin Kristin Schwietzer sieht das mit gemischten Gefühlen: Frei durchatmen! Oder doch immer mal Maske auf? Wünsche richtet sie an die Politik – und an die ganze Gesellschaft.

Maske runter und durchatmen. Herrlich. Gerade zu Ostern. Wie heißt es bei Goethe so schön: "Vom Eise befreit sind Strom und Bäche …." Bezogen auf die Corona-Maske: Endlich wieder frei – oder lieber doch nicht? Ich sehe das nach drei Jahren mit Beschränkungen, zwei Geburtstagen ohne Gäste und zwei hartnäckigen Erkältungen mit gemischten Gefühlen.

Durchatmen! Aber jene respektieren, die freiwillig Maske tragen

Gefühl Nummer eins: Dieses lästige Ding im Gesicht verschwindet endlich gänzlich aus unserem Leben, vorerst zumindest. Die Frischluftzufuhr wird durch die Maske verhindert, selbst die schönste Farbe kann das nicht wettmachen. Gut, dass es die Maskenpflicht flächendeckend längst nicht mehr gibt. Beim Einkaufen, in den Restaurants: eine Wohltat, endlich wieder ohne Maske unterwegs zu sein!

Gefühl Nummer zwei: Da hat mir doch an der Kasse im Supermarkt einer in den Nacken geniest. Mein erster Gedanke: Klasse, nächste Woche Urlaub und gleich wieder krank. Da wünscht man sich das lästige Ding fast schon wieder zurück. Ist das vielleicht nur Macht der Gewohnheit? Ist es ratsam, zumindest da, wo die Keime lungern – im Wartezimmer beim Arzt etwa –, lieber wieder die Maske aufzusetzen? Man sollte zumindest nicht über diejenigen lachen, die das künftig freiwillig tun.

Lockdown hat Betriebe, Kunst und Kultur fast erstickt

Nach der Pandemie ist vor der Pandemie – und das betrifft Gefühl Nummer drei. Es ist vielmehr ein Wunsch. Was machen wir beim nächsten Mal besser? Da sind Politik und Gesellschaft gleichermaßen gefragt. Die Politik müsste die Zügel wieder anziehen. Aber bitte mit Fingerspitzengefühl. Alle Freiheiten zu beschränken, der absolute Lockdown, das hat Betriebe, Kunst und Kultur fast erstickt und uns vor Augen geführt, wie sehr wir soziale Nähe brauchen.

Vor allem aber müssen Politiker jetzt die Debatte führen, wie man sich in Zukunft besser in solchen pandemischen Lagen aufstellt. Neben wissenschaftlicher Expertise braucht es auch die Meinung von gesellschaftlich-relevanten Gruppen, die die Bedürfnisse von älteren Menschen, von Kindern aber auch die Interessen von Künstlern und natürlich Unternehmern im Blick haben.

Haben wir zu oft zu Lasten anderer überreagiert?

Und wir alle sollten uns, finde ich, einmal fragen, ob wir manchmal zu Lasten anderer überreagiert haben. Wie oft haben wir, im Nachhinein betrachtet, beharrlich den eigenen Standpunkt behauptet und dabei die Argumente der jeweils anderen Seite gar nicht mehr zugelassen. Das konnte man auf jeder Demonstration spüren, in jeder Talkshow sehen und vermutlich in jeder Familie beobachten.

Kaum etwas hat uns so persönlich berührt wie diese Pandemie. Die Angst vor dem Virus und die Enge der Beschränkungen – haben eine Polarisierung hervorgerufen, die ihre Spuren hinterlassen hat. Unsere Bereitschaft, die jeweils andere Position auch mal auszuhalten, ohne sie gleich wegzuwischen, war oftmals nur wenig ausgeprägt. Wie ein Beißreflex, auf beiden Seiten. Ich finde, davon sollten wir uns zu Ostern 2023 auch befreien.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 07. April 2023 | 19:30 Uhr

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