Kommentar Warum ein früherer Kohleausstieg im Osten nicht sinnvoll wäre

23. März 2023, 17:53 Uhr

Eigentlich ist der gesetzliche Kohleausstieg in Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt für 2038 geplant. Doch die Grünen wollen die Kraftwerke acht Jahre früher als bislang geplant stillgelegen, um die Klimaziele zu erreichen. Das könnte jedoch Steuergelder kosten und zugleich die eigenen Reserven aufbrauchen. Wie sinnvoll ist ein frühreres Kohle-Aus?

Das Thema lässt die Grünen einfach nicht los: Sie wollen den Kohleausstieg unbedingt auf 2030 vorziehen. Auch in Ostdeutschland. Auf ihrer Klausur in Weimar beraten sie, wie das gelingen kann. Doch macht es überhaupt Sinn, den Ausstieg auf Biegen und Brechen nach vorn zu ziehen?

Vielleicht sollten wir uns alle mal entspannen. Auch die Grünen. In einem haben Sie ja womöglich Recht. In Deutschland wird das Licht nicht ausgehen, wenn schon 2030 das letzte Kohlekraftwerk vom Netz geht. Ob der Strom dann aber auch noch für Elektroautos und Wärmepumpen reicht, ist schon weniger klar.

Weil der Strombedarf wächst, wird es für die abgeschalteten Kohlekraftwerke auch eine fossile Alternative geben müssen. Diese Alternative heißt selbst bei grüner Politik erst einmal Erdgas. Das muss aber aus dem Ausland beschafft werden. Die Kohle hingegen ist schon da. Und wenn man sie bis 2038 nutzen kann, sollte man sich dieser Möglichkeit meiner Meinung nach nicht berauben.

EU will Emissionsrechte Jahr für Jahr verknappen

Ich will nicht falsch verstanden werden: Natürlich sollte der Ausstieg so schnell kommen wie möglich. Aber das wird ohnehin passieren, wenn wir endlich die Alternativen schneller ausbauen.

Jedes Unternehmen, das in der Europäischen Union CO2 ausstößt, muss dafür Emissionsrechte kaufen. Kohlekraftwerke stoßen besonders viel CO2 aus. Die EU hat vereinbart, dass sie die Emissionsrechte Jahr für Jahr verknappt. Kohlestrom wird damit automatisch immer teurer. So teuer, dass er nach 2030 ohnehin nur noch dann gefragt sein dürfte, wenn kein anderer liefern kann.

Früherer Kohleausstieg auf Kosten von Steuergeldern und Energiereserven

Das ist der Grund, warum RWE seine Kraftwerke in Westdeutschland freiwillig 2030 stilllegen will. Diesen Schritt auch für alle anderen Kraftwerke zu erzwingen, ist politisch aber töricht. Denn wenn die Regierung ein neues Ausstiegsdatum gesetzlich festschreibt, werden betroffene Kraftwerksbetreiber wieder Entschädigungen verlangen. Man würde Steuergeld ausgeben und sich zugleich seiner eigenen Reserven berauben.

Und noch etwas sollte man sich klarmachen: Nur, weil Deutschland ein Kohle-Kraftwerk abschaltet, spart die Welt noch kein CO2. Die erwähnten Emissionsrechte sind in der Menge festgeschrieben. Schaltet ein deutsches Kraftwerk ab, bleiben seine Emissionsrechte übrig. Sie gehen in den europäischen Rechtehandel ein, wo sie ein anderes Unternehmen kaufen und nutzen kann. Das CO2 entsteht dann einfach nur woanders.

Kohle-Aus: Früheres Ausstiegsdatum rein deutsche Symbolik

Wer das Klima schützen will, muss an diesen Markt-Mechanismus ran und den CO2-Ausstoß konsequent teurer machen. Doch Wirtschaftsminister Robert Habeck hat vergangenes Jahr darauf verzichtet, die CO2-Rechte abgeschalteter Kraftwerke bei der EU zusätzlich streichen zu lassen. Sein Ministerium berief sich darauf, dass die erlaubten Mengen von Jahr zu Jahr ohnehin sinken würden. Mit dieser Argumentation aber bleibt ein früheres Ausstiegsdatum rein deutsche Symbolik.

Die Debatte um 2030 kennt inzwischen nur noch Verlierer. Sie beschädigt die Grünen. Sie beunruhigt die Kohle-Kumpel. Sie nimmt der Politik ihre Glaubwürdigkeit, die sich ja erst vor drei Jahren auf 2038 verständigt hatte. Vor allem aber hilft die verbissene Fokussierung auf dieses Datum dem Klima nicht. Dem hilft vor allem, wenn viel Geld in erneuerbare Energien fließt. Deswegen: Lasst das Datum, wie es ist. Beschleunigt den Ausbau der Alternativen. Haltet die CO2-Emissionsrechte knapp und teuer. Der Rest ergibt sich.

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