Abendstimmung mit warmen Farben: Große Rauch- oder Dampfwolken aus Kohlekraftwerk, dahinter tiefstehende Sonne die durch Dampf scheint, umgeben von Windkraftanlagen, Schleierwolken am Horizont
Strom aus erneuerbaren Quellen soll in Deutschland klimaschädlichen Kohlestrom ablösen. Bildrechte: imago/imagebroker

"Geisterstrom" Experte: Für Energiewende fehlen Stromleitungen und -speicher

12. Februar 2023, 05:00 Uhr

Der Ausbau von Stromnetzen und der Aufbau von Speicherkapazitäten dauere zu lange, heißt es von Kritikern der Maßnahmen zur Energiewende. Strom aus erneuerbaren Quellen verpuffe mitunter als teurer "Geisterstrom". Zugleich drohten Stromausfälle bei Dunkelflauten. Was hat es damit auf sich?

Die FDP fordert Korrekturen bei der Energiewende. Der energiepolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Michael Kruse, sagte MDR AKTUELL, es reiche nicht, nur die Erneuerbaren Energien auszubauen, sondern es müssten schneller die Leitungskapazitäten und Stromspeicher ausgebaut werden, um den Strom "mitzunehmen in die Zeiten, in denen nicht genug Wind bläst und in denen die Sonne nicht scheint".

Kruse verweist in dem Zusammenhang auf Strom, der durch Windräder oder Fotovoltaik produziert werde, aber nicht durch das Netz passe oder nicht gebraucht werde. Für diesen sogenannten Geisterstrom erhalten Produzenten eine Entschädigung. Dafür würden Hunderte von Millionen Euro ausgegeben, kritisiert Kruse.

Parteikollege Wolfgang Kubicki formulierte es mit Blick auf den grünen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck drastischer: Wer massiv zusätzlich Windkrafträder durchpeitsche, aber keine Speicher hat, löse keine Probleme, sondern verschlimmere sie, sagte Kubicki der "Bild"-Zeitung.

Zwei Prozent des Erneuerbaren Stroms verpuffen

Philipp Godron von der Denkfabrik und Lobby-Organisation "Agora Energiewende" bedauert, dass im vorigen Jahr zwei Prozent des erneuerbaren Stroms abgeregelt wurden wegen Engpässen im Stromnetz.

Deutschland brauche schnellere Genehmigungen auch im Stromleitungsbereich und zwischenzeitlich Lösungen, um den Strom vor Ort sinnvoll zu nutzen, statt ihn abzuregeln. Dazu könne man zum Beispiel mehr Wärmepumpen einsetzen oder perspektivisch neue Verbraucher in den Norden holen, wo viel Strom vorhanden sei. Denn der Bau der Stromtrassen von Nord nach Süd werde noch einige Jahre dauern. Trotzdem sieht Godron die Energiewende auf dem richtigen Weg.

Derzeitige Stromspeicher reichen nur für eine Stunde

André Thess, Professor für Energiespeicherung an der Universität Stuttgart, ist da eher skeptisch. Ohne riesige Speicherkapazitäten im Gigawattstundenbereich, bei Dunkelflauten ohne Licht und Wind sogar im Terawattstunden-Bereich, sei der Ausbau der Erneuerbaren ökonomisch nicht sinnvoll. Die momentan vorhandenen Speicher könnten den Strombedarf gerade mal für eine halbe bis eine ganze Stunde abdecken. Man habe weder die Pumpspeicher-Kapazität noch die Batterie-Speicherkapazität. "Das heißt: mit den heute existierenden Speichern können wir weder eine Dunkelflaute und nicht mal die Dunkelphase während der Nacht überbrücken."

Mit den heute existierenden Speichern können wir weder eine Dunkelflaute und nicht mal die Dunkelphase während der Nacht überbrücken.

André Thess Professor für Energiespeicherung, Universität Stuttgart

Der Experte denkt, dass es besser wäre, die Energiewende in ihrer derzeitigen Form noch einmal zu überdenken. Er verweist auf die Berichte des Weltklimarates IPPC. Dort stehe eindeutig drin, dass die CO2-neutralen Energiequellen der Zukunft Wind, Sonne, Kernenergie, Geothermie und fossile Quellen mit CO2-Abscheidung seien.

Und Thess empfiehlt, noch einmal darüber nachzudenken, die deutschen Kernkraftwerke weiterlaufen zu lassen. Die Ziele der Energiewende – nämlich preiswerter und klimaneutraler Strom sowie Versorgungssicherheit – seien alle bisher nicht erreicht worden. So sei der CO2-Abdruck in Deutschland doppelt so groß wie in Frankreich. Außerdem habe Deutschland mit die höchsten Stromkosten in Europa.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 12. Februar 2023 | 06:00 Uhr

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