Gesetze und Urteile Wo die EU Arbeitnehmer und Verbraucher gestärkt hat
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05. Juni 2024, 00:09 Uhr
Kritiker werfen der EU oft vor, sich durch überbordende Bürokratie in den Alltag der Menschen einzumischen und diesen zu verkomplizieren. Der Rückblick auf die vergangene Legislaturperiode zeigt aber auch: Die EU stärkt an vielen Stellen Verbraucher und Arbeitnehmer. USB-Kabel, abgeschaffte Roaming-Gebühren, Passagierrechte – wichtige Entscheidungen im Überblick.
Weiter keine Roaminggebühren
Schon 2017 wurden Roaminggebühren innerhalb der EU ausgesetzt. Verbraucher mussten seitdem keine Extra-Gebühren zahlen, wenn sie mit ihren mobilen Endgeräten im Ausland auf Daten- und Mobilfunknetze zugriffen. 2022 wurde diese Aussetzung bis 2032 verlängert. Seitdem haben Nutzer dabei außerdem Anspruch darauf, dass die Datennutzung in gleicher Qualität wie im Heimatland möglich ist. Verbraucher sollten trotzdem vorsichtig sein: Die Nutzung außerhalb der EU, also beispielsweise in der Schweiz, der Türkei, oder dem Vereinigten Königreich, verursacht weiterhin Roaminggebühren. Bei Aufenthalten in Grenznähe ist es außerdem möglich, dass sich Geräte bereits in ausländische Netze einwählen, auch wenn ihr Nutzer sich noch im Inland befindet – auch hier ist bei der Datennutzung also Vorsicht geboten.
USB-C-Kabel und Recht auf Reparatur: Maßnahmen gegen Elektroschrott
11.000 bis 13.000 Tonnen Elektroschrott pro Jahr fallen laut EU-Kommission allein durch Ladegeräte an. Diese Zahl soll nun deutlich schrumpfen. Deswegen müssen ab Ende 2024 alle neuen mobilen Endgeräte mit einer USB-C-Ladebuchse ausgestattet sein – für Laptops gilt eine Übergangsfrist bis 2026.
Das USB-C-Kabel wird damit zum Standard-Ladekabel. Das soll einerseits das Leben der Verbraucher vereinfachen, andererseits soll dadurch die Menge an Elektroschrott sinken – genau wie beim Recht auf Reparatur: Hersteller müssen künftig auch über die Garantiezeit hinaus die Reparatur der verkauften Geräte anbieten. Darüber hinaus sind sie verpflichtet, Ersatzteile an freie Werkstätten zu verkaufen und dürfen Reparaturen nicht absichtlich, etwa durch bestimmte Software-Einstellungen, erschweren.
Sammelklage
Musterfeststellungsklagen gibt es in Deutschland schon seit 2018. Sie ermöglichen es zum Beispiel Verbraucherzentralen, gegen Unternehmer zu klagen, die eine große Zahl an Personen geschädigt haben – wie beim Dieselskandal. Nur: Bisher mussten Geschädigte ihre Ansprüche nach der Musterfeststellungsklage noch selbst einklagen. Diesen Schritt macht die neue Form der Sammelklage überflüssig, die 2023 eingeführt wurde. Nach einer erfolgreichen Sammelklage müssen Geschädigte ihre Ansprüche jetzt nicht mehr selbst einklagen, sondern können über einen Sachverwalter ihre Ansprüche einfach auszahlen lassen. Geschädigte Verbraucher kommen so einfacher und risikofreier zu ihrem Schadenersatz.
Kostenlose Sofortüberweisung
Bislang erheben Banken für eine Echtzeitüberweisung, die innerhalb von Sekunden auf dem Konto des Empfängers ankommt, in der Regel eine Gebühr. Ab 2025 werden Banken verpflichtet, diesen Service zum gleichen Preis wie Standardüberweisungen anzubieten – diese sind meistens kostenlos. Die Regelung gilt vorerst nur für Überweisungen in Euro, nach einer Übergangsfrist wird sie aber auch für Überweisungen in anderen Währungen eingeführt. Kunden können für die Sofortüberweisungen selbst ein Limit festlegen, Banken werden außerdem verpflichtet, ihre Kunden vor Betrug per Sofortüberweisung zu schützen. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, sollen Kunden Schadenersatzansprüche gegen ihre Bank haben.
Stärkung von Fluggastrechten
Zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) stärken die Rechte von Flugreisenden gegenüber Fluggesellschaften. So gelten Flüge, die um mehr als eine Stunde vorverlegt werden, als annulliert – Kunden können sich den Ticketpreis also zurückerstatten lassen. Darauf geklagt hatten Fluggäste aus Österreich und Deutschland. (Az. C‑263/20)
Ein weiteres Urteil: Airlines müssen Ticketkosten auch dann rückerstatten, wenn sie den Flug eines Gastes umbuchen – auch wenn sie ihren Fluggast darüber rechtzeitig informieren. (Az. C‑238/22)
Stärkung von Arbeitnehmerrechten
Der EuGH stellte sich in einigen Urteilen auch auf die Seite von Arbeitnehmern. Kann ein Arbeitnehmer seinen Urlaub nicht nehmen, weil zum Beispiel das Arbeitsvolumen zu hoch ist, verjährt der Urlaubsanspruch nicht einfach innerhalb der zivilrechtlichen Frist von drei Jahren. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer vielmehr ausdrücklich darauf hinweisen, dass seine Ansprüche verjähren, und es ihm ermöglichen, den Urlaub zu nehmen. Erst wenn das passiert ist, beginnt die Verjährungsfrist. (Az. C-120/21 u.a.)
In einem weiteren Urteil stellte der EuGH klar: Bereitschaftszeit kann Arbeitszeit sein. Geklagt hatte ein Offenbacher Feuerwehrmann, den die Stadt verpflichtet hatte, aus seiner Ruhebereitschaft binnen 20 Minuten in Dienstfahrtzeug und voller Montur an jedem beliebigen Punkt im Stadtgebiet zu sein. Der EuGH entschied: Das ist Arbeitszeit. Grund dafür ist die erhebliche Einschränkung der Freizeit des Mannes. Zur Vergütung dieser Arbeitszeit machte das Gericht jedoch keine Vorschriften. (Az. C-580/19)
Auch die Rechte von Leiharbeitern stärkte der EuGH: Sie müssen nach einem Urteil von 2022 ihren festangestellten Kollegen gegenüber gleichgestellt werden. Dabei ist es weiterhin zulässig, dass Leiharbeiter weniger verdienen. Der Lohnunterschied muss dann aber durch andere Vorzüge ausgeglichen werden – zum Beispiel durch mehr Urlaubstage. (Az. C-311/21)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 04. Juni 2024 | 21:45 Uhr