Mitgliederschwund der Parteien Linke im freien Fall - Grüne mit stärkstem Zuwachs
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07. Mai 2023, 12:09 Uhr
In Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt wird das Parteibuch seltener. Vor allem Linke und CDU haben in den vergangenen Jahren Tausende Mitglieder verloren. Gewachsen sind vor allem die Grünen. Nach wie vor sind Frauen in allen Parteien unterrepräsentiert.
2022 sei kein besonders gutes Jahr gewesen - auch für seine Partei nicht, kommentiert Lars Kleba, Geschäftsführer der sächsischen Linken, die aktuellen Mitgliederzahlen seines Landesverbands. Vor 20 Jahren waren es noch rund 17.500, vor zehn Jahren 10.000. Und heute? Sind gerade einmal 6.500 übriggeblieben. 700 Mitglieder verließen die Partei allein im vergangenen Jahr. Auf die Landespolitik ist dieser Schwund nur bedingt zurückzuführen.
Die innerparteiliche Haltung zum Ukraine-Krieg, der Zoff zwischen der Bundesparteispitze und Sahra Wagenknecht führten nachweislich zu einer massiven Austrittswelle. Bundesweit verlor die Linke im Jahr 2022 mehr als zehn Prozent ihrer Mitglieder.
23 Prozent der Mitglieder über 80 Jahre
In Thüringen, wo die Partei stärkste Kraft im Parlament ist und seit 2014 unter Ministerpräsident Bodo Ramelow eine rot-rot-grüne Regierung anführt, sieht es nicht besser aus. Bis zum vergangenen Jahr hatte die Linke dort noch die zweitmeisten Mitglieder hinter der CDU, jetzt fiel sie auch noch hinter die SPD zurück. Die Politik der aktuellen Landesregierung sei dafür jedenfalls nicht verantwortlich, heißt es vom Thüringer Landesverband. "Die Mitgliederentwicklung 2022 spiegelt die schwierige Situation unserer Bundespartei wider", so die vorsichtige Begründung.
Doch neben politischen Krisen nagt noch etwas anderes an der Partei: Mit über 60 Jahren hat sie in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt das höchste Durchschnittalter aller Parteien. Auch wenn in letzter Zeit wie in Thüringen eine Verjüngung durch Neueintritte zu beobachten ist - der Partei sterben die Mitglieder weg: Fast ein Viertel ist über 80 Jahre.
Auch der CDU sterben die Mitglieder weg
Das Thema trifft die CDU gleichermaßen. Mit einem Schnitt von knapp 60 Jahren in den drei Bundesländern sind die Unions-Anhänger ähnlich alt. Zwar halten sich Eintritte und Austritte die Waage, wie ein Parteisprecher der sächsischen Union mitteilte. Weil die Neueintritte die verstorbenen Mitglieder aber nicht kompensieren können, wird das schwarze Parteibuch seltener.
In den vergangenen fünf Jahren verlor die Union in Sachsen 2.100 Mitglieder, in Thüringen waren es 1.650 und in Sachsen-Anhalt 900. In den drei Bundesländern vollzieht sich das, was bundesweit zu beobachten ist. 2017 hatte die CDU Deutschland 426.000 Mitglieder. Ende 2022 waren es noch 372.000. Jedes sechste Mitglied der Union ist mittlerweile älter als 80 Jahre und nur jedes zwanzigste jünger als 30.
SPD in Sachsen trotzt Bundestrend
Die SPD fällt in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt in Sachen Bundestrend etwas aus dem Raster. Die Mitgliederbasis der Partei ist im Osten - auch aufgrund einer starken Linken - seit jeher schwächer aufgestellt als in den westlichen Ländern. Bundesweit stellen die Sozialdemokraten mit 380.000 die meisten Mitglieder - auch wenn die Richtung stetig nach unten zeigt. Eine Ausnahme war das Jahr 2017. Infolge der Kanzlerkandidatur von Martin Schulz traten wieder mehr Menschen in der SPD ein. Der Schulz-Effekte verpuffte bekanntermaßen nach einiger Zeit und die Mitgliederzahl sank wieder.
Auffallend präsentiert sich hier die SPD in Sachsen, die ihre Mitgliederzahl in den vergangenen 20 Jahren weitgehend stabil halten konnte. "Eintritte und Austritte halten sich nahezu die Waage. Der leichte Rückgang 2022 ist vor allem auf verstorbene Mitglieder zurückzuführen", heißt aus der dortigen Parteizentrale. Etwas stärkere Verluste mussten die Sozialdemokraten in Sachsen-Anhalt und Thüringen hinnehmen. Innerhalb von fünf Jahren verloren die beiden Landesverbände über sieben Prozent ihrer Mitglieder.
FDP im Osten kann nicht vom Bundestrend profitieren
Gewachsen sind hingegen die Grünen und die FDP. Bei den Liberalen können die ostdeutschen Landesverbände, die traditionell einen schweren Stand haben, jedoch nicht so recht vom Bundestrend profitieren. Auch wenn die Mitgliederzahl der FDP deutschlandweit im vergangenen Jahr von 77.300 auf 76.100 sank, verzeichneten die Liberalen im Bund in den Jahren davor einen starken Zuwachs. Innerhalb von fünf Jahren gewannen die Liberalen 12.000 Mitglieder. Die Partei ist nicht nur größer geworden, sondern auch jünger.
Das Durchschnittsalter der Mitglieder ist von 52 Jahre auf 47,9 Jahre gesunken, heißt es aus der Berliner Zentrale, was man vor allem auf Themen wie die Digitalisierung oder die Aktienrente bei der vergangenen Bundestagswahl zurückführt. Bei Jung- und Erstwählern schnitt die Partei besonders gut ab. Vom Bundestrend profitieren am ehesten noch die Liberalen in Sachsen, während die Mitgliederzahlen in Thüringen und Sachsen Anhalt bestenfalls stagnieren.
Frauen stark unterrepräsentiert
Eine weitere Sache bewegt die Liberalen: Mit einem Frauenanteil von rund 20 Prozent der Mitglieder bewegt sich die Partei am unteren Rand des Parteienspektrums. Nur bei der AfD sind es mit 19 Prozent noch weniger Frauen. Deutliche Worte dafür findet der Geschäftsführer der FDP Sachsen-Anhalt, Franz Teresiak, der sich damit "nicht zufrieden" zeigt. "Wir haben an unsere Politik den Anspruch, alle Menschen in Sachsen-Anhalt zu repräsentieren und ihnen Lebenschancen zu ermöglichen. Dieser Anspruch sollte sich auch im Frauenanteil bei unseren Mitgliedern wiederfinden."
Über Parteigrenzen hinweg sind Frauen teils deutlich unterrepräsentiert. Bei CDU und SPD in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt liegt die Quote bei 30 Prozent und darunter. Bei der Linken sind es 41 (Sachsen-Anhalt), 42 (Sachsen) und 43 (Thüringen) Prozent und damit am höchsten - noch höher als bei den Grünen, bei denen der Anteil der Frauen bei 40 Prozent und darunter liegt. Damit unterscheiden sich die drei Länder von der Entwicklung im Bund: Dort sind mehr Frauen bei den Grünen (42 Prozent) als bei der Linken (37 Prozent) aktiv.
Grüne legen am stärksten zu
Führend beim Mitgliederzuwachs sind die Grünen. Die Partei hat ihre Zahl binnen zehn Jahren verdoppeln können und so viele Mitglieder wie noch nie. Ähnlich stark gewachsen ist die Partei in Thüringen und Sachsen-Anhalt - und noch stärker in Sachsen. Lediglich im vergangenen Jahr stagnierte die Zahl oder ging leicht zurück wie in Sachsen-Anhalt.
Die dortige Landesvorsitzende Madeleine Linke spricht von einer neuen Rolle, die die Partei mit Eintritt in die Bundesregierung eingenommen habe. "Wir ducken uns in diesen schwierigen Zeiten nicht weg und tragen auch harte Entscheidungen mit", was neue Mitglieder anziehe.
"Gleichzeitig gibt es aber auch solche, die deshalb die Partei verlassen haben, was wir bedauern." Die Grünen sind mit Abstand auch die jüngste Partei. In Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt liegt der Schnitt bei 43 bis 44 Jahren.
AfD in Thüringen und Sachsen-Anhalt entgegen dem Trend
Die AfD ist nicht mal seit zehn Jahren Teil der Parteienlandschaft Deutschlands. Seitdem etablierte sie sich nicht nur in den Parlamenten, sondern wuchs im Jahr 2019 zwischenzeitlich auf 34.750 Mitglieder an. Bis Ende vergangenen Jahres sank die Zahl auf 29.400, wie die Partei auf Anfrage mitteilte. Vor allem in den westlichen Bundesländern verliert die AfD Mitglieder - aber auch in Sachsen. Die Partei führte dies in der Vergangenheit auch auf die Bereinigung der Mitgliederkartei zurück.
Auch ein Sprecher der AfD Thüringen spricht von einer Verzerrung angesichts der Bereinigung. Die Entwicklung in seinem Landesverband schätzt er positiv ein, auch weil die Zahl der Neueintritte wieder steige und sich im Vergleich mit anderen AfD-Landesverbänden im oberen Bereich befinde. In Thüringen und Sachsen-Anhalt sind die Mitgliederzahlen entgegen dem Bundestrend relativ stabil. Im vergangenen Jahren stellten beide Landesverbände den eigenen Angaben nach einen neuen Mitgliederrekord auf.
Anmerkung zur Erhebung Die aktuellen Zahlen zu den Mitgliedern wurden von den Landesverbänden der Parteien und den Bundesparteien erhoben. Keine Auskunft gab es von der AfD Sachsen. Die CDU Sachsen gab einen gerundeten Wert an. Als Quelle dienten weiterhin die Erhebungen der Mitgliederzahlen des Parteienforschers Oskar Niedermayer.
MDR (sar)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 03. Mai 2023 | 07:00 Uhr