Interview mit ifo-Experten Ist die Wehrpflicht billiger als eine Berufsarmee?
Hauptinhalt
11. März 2025, 19:33 Uhr
Was kostet die Wiedereinführung der Wehrpflicht? Eine Studie des ifo-Instituts zeigt, womit Staat und Wehrpflichtige rechnen müssten. Was ist kurzfristig günstiger und was langfristiger? Und wie sieht es mit den Renten aus? Wir haben Mit-Autor Timo Wochner dazu befragt.
Warum wäre die Wehrpflicht eine kostengünstigere Lösung?
Timo Wochner: Für den Staat wäre eine Wehrpflicht auf den ersten Blick gesehen sehr attraktiv. Dies liegt darin, dass den Wehrpflichtigen ein relativ geringer Sold gezahlt werden müsste. Im Kontrast müsste bei einer Marktlösung und damit einer Berufsarmee die Bundeswehr als normaler Arbeitgeber so attraktiv werden, dass sich Bewerber von selber finden. Dies bedeutet auch deutlich höhere Löhne, die sich am Marktumfeld orientieren. In einem Szenario, in dem die Wehrpflicht wieder eingesetzt wird und 100 Prozent eines Einberufungsjahrgangs, einschließlich Frauen, entweder für die Wehrpflicht oder im Rahmen eines sozial freiwilligen Pflichtjahres herangezogen werden, müsste der Staat jährlich etwa zwölf bis 13 Milliarden Euro mehr für die Löhne der 780 000 Wehrpflichtigen ausgeben. Bei einer Marktlösung müsse der Staat deutlich tiefer in die Tasche greifen: Dort würden etwa 30 Milliarden Euro mehr Staatsausgaben nötig, um die Löhne der Soldaten zu zahlen – also 17 Milliarden mehr für dieselbe Anzahl von Personen.
Zuletzt waren aber 50 Prozent des Einberufungsjahrgangs ausgemustert. Wie sähe es da mit den Kosten aus?
Dies kommt stark auf das konkrete Szenario an. Bei einem "Schweden"-Modell, würde der Anteil der Eingezogenen etwa fünf Prozent betragen. Dies würde 39.000 Soldaten entsprechen und nur Kosten von 0,6 Milliarden Euro verursachen. Bei einem Szenario, dass die "alte" Wehrpflicht repräsentiert, würden 25 Prozent eines Einberufungsjahrgangs eingezogen (hier: 195.000 Soldaten). Der Anstieg der Staatsausgaben würde dann 3,2 Milliarden Euro betragen. Wenn die gleiche Anzahl von Soldaten über eine Marktlösung gewonnen werden soll, dann steigen die benötigten Staatsausgaben auf 1,5 Milliarden bei einem Modell ähnlich der Schweden und 7,7 Milliarden Euro bei Größenördnungen der "alten" Wehrpflicht.
Bei den Kosten für den Wehrsold der Wehrpflichtigen bliebe es für den Staat aber nicht?
Wir haben in unserer Studie vor allem die direkten Kosten betrachtet, die die Gehälter der Soldaten betreffen. Auf den Staat kämen noch viele weitere Kosten zu, um die Wehrpflicht umzusetzen, etwa für die Musterung der Soldaten. Man denke auch an die Unterbringung der Soldaten in Kasernen, an zusätzliche Ausbilder oder an die Ausstattung, die benötigt wird, um die Soldaten adäquat zu versorgen. Diese Kosten sind tatsächlich noch nicht richtig quantifizierbar. Es ist aber daher davon auszugehen, dass die von uns berechneten Steigerungen der Staatsausgaben, die sich aus den direkten Kosten ergeben, tatsächlich eher eine Untergrenze darstellen. Es ist klar, dass der deutsche Staat auch in Zukunft deutlich mehr Geld für Verteidigung ausgeben muss. Bei einer Berufsarmee und dadurch höheren Staatsausgaben wären höhere Steuersätze auf Arbeitseinkommen auf kurze oder lange Sicht notwendig.
Wehrpflichtige selber müssten noch mit vielen Einbußen leben?
Neben den direkten Kosten durch den Wehrsold für den Staatshaushalt gibt es aber Kostenblöcke, die die Einberufenen direkt betreffen. Das sind insbesondere Auswirkungen auf den privaten Vermögensaufbau, weil Individuen keine optimalen Bildungs- und Berufsentscheidungen treffen können. Während des Wehrdienstes müssen zudem niedrigere Gehälter in Kauf genommen werden. Das Studium wird vielleicht nicht mehr aufgenommen. Diese indirekten Effekte können über den ganzen Lebenszyklus relativ drastisch sein. Wir schätzen zum Beispiel, dass der private Konsum der einbezogenen Individuen über das gesamte Leben im Vergleich zum Status Quo um drei Prozentpunkte zurückgeht. Wenn man diese indirekten Effekte zusammenrechnet, sieht man, dass eine Wehrpflicht volkswirtschaftlich deutlich ineffizienter ist als eine Marktlösung mit alleiniger Berufsarmee – selbst wenn man annimmt, dass der Anstieg der Soldaten bei beiden Modellen gleich sein soll.
Mit Blick auf die Rente: Wer wäre besser gestellt, der Wehrpflichtige oder der Berufssoldat?
Unser Bericht zeigt, dass die ökonomischen Kosten für die Wehrpflichtigen gegenüber den Nicht-Wehrpflichtigen erheblich sein können. Wehrpflichtige verzeichnen im Vergleich zu Nicht-Wehrpflichtigen ein deutlich niedrigeres Vermögen bei Renteneintritt, wenn die Wehrpflicht umgesetzt wird. Dieser Effekt kommt vor allem durch den schleppenden Verlauf der Vermögensbildung über den Lebenshorizont zustande. Wir schätzen, dass das Vermögen, und damit die Rente, von Wehrpflichtigen bei Renteneintritt im Alter von 67 Jahren etwa sieben Prozent niedriger liegen wird. Berufssoldaten würden während ihrer aktiven Zeit bei der Bundeswehr deutlich höhere Löhne erhalten und wären daher weniger stark von diesen negativen Effekten betroffen.
MDR (cbr)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 11. März 2025 | 20:15 Uhr