5 Jahre Corona Was bleibt von der 1,6 Milliarden Euro "Neustart Kultur"-Förderung?
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12. März 2025, 03:30 Uhr
Für Künstlerinnen und Künstler war der erste Lockdown im März 2020 der Beginn einer langen Zeit ohne Aufträge und Auftritte. Viele Existenzen waren bedroht. Deshalb startete die Bundesregierung bereits im Mai 2020 ein Soforthilfeprogramm. "Neustart Kultur" sollte Abhilfe schaffen. Auch Künstlerinnen und Künstler aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben profitiert. An der langfristigen Wirkung des Programms gibt es rückblickend Kritik.
- "Neustart Kultur" hat während der Pandemie zur viele Künstlerexistenzen gesichert.
- Künstlerverbände kritisieren, dass die Förderung keine langfristigen Effekte hatte .
- In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist die Förderung unterschiedlich verteilt worden.
"Neustart Kultur" war das zentrale Förderprogramm der Bundesregierung für Künstlerinnen und Künstler während der Pandemie. Im Rückblick bewerten es die Betroffenen durchaus unterschiedlich. Das ergab eine Recherche von MDR KULTUR.
Positiv bewertet es zum Beispiel Susann Hoch, eine Bildende Künstlerin in Leipzig. Ihre Galerie und Werkstatt "Hochdruckpartner" betreibt sie mit drei weiteren Kunstschaffenden in Leutzsch. Die vier gehören zu denjenigen, die durch "Neustart Kultur" finanziell unterstützt wurden. 2021 bewarben sie sich auf die Förderung und konnten in der Folge auf ihrer Homepage einen Webshop einrichten.
Der Nutzen kam später, aber dauert dafür heute noch an.
Von diesem profitieren sie noch heute, sagt Susann Hoch. Das mache das Programm für sie nachhaltig. "Jetzt, einige Jahre, später merken wir, dass immer mehr diesen Webshop nutzen. Es werden jetzt auch höherwertige Drucke gekauft, das Vertrauen ist gestiegen. Der Nutzen kam später, aber dauert dafür heute noch an."
"Neustart Kultur": Akute Hilfe und Weichenstellung für Zukunft?
Im Fall von Susann Hoch und ihren Geschäftspartnern sind die Ideen von "Neustart Kultur" aufgegangen. Künstlern helfen, konkrete Projekte während der Pandemie umzusetzen und sie so langfristig stärken – das waren die erklärten Ziele des Förderprogramms. Kunstschaffende sollten so ermutigt werden, ihre Arbeit fortzuführen, sagte die damalige Kulturministerin Monika Grütters MDR KULTUR in einem Bilanzgespräch. Grütters rief das Förderprgramm mit einem Volumen von einer Milliarde Euro 2020 ins Leben, später wurde es auf 1,6 Milliarden Euro aufgestockt.
Es hat sich nicht verstetigt. Wir haben jetzt wieder die gleichen Herausforderungen mit sogar noch schwereren Bedingungen.
Als Akuthilfe während der Pandemie leistete "Neustart Kultur" einen wichtigen Anteil, Kunstschaffende zu stärken, bilanziert die Vorsitzende des Landesverbands der freien Theater Sachsen, Josephine Bock. Von Mitgliedern ihres Verbandes habe sie nicht gehört, dass Häuser aufgrund fehlender Einnahmen schließen mussten oder Mitglieder aufgehört haben. "Dass erstmals faire Löhne gezahlt worden sind und man nicht nur eine auskömmliche Bezahlung bekommen hat, das ist natürlich ein großer Vorteil gewesen." Insofern habe die Szene profitiert.
Kritik an nachhaltiger Hilfe durch Neustart Kultur
Das Ziel einer langfristigen Hilfe durch "Neustart Kultur" über die Pandemie hinaus sieht Josephine Bock im Bereich freie Theater allerdings nicht umgesetzt: "Es hat sich nicht verstetigt. Wir haben jetzt wieder die gleichen Herausforderungen mit sogar noch schwereren Bedingungen."
Auch Marcel Noack, Vorsitzender des Bundesverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler, kritisiert, dass "Neustart Kultur" nicht nachhaltig genug gewesen sei: "Man hat wirklich gehofft, dass nach Corona Wissen vorhanden war, wie wichtig Kultur ist und dass sie gefördert werden muss", sagt Noack. Nach Corona sei es auch um die Frage gegangen, die Kulturförderprogramme des Bundes zu verstetigen und mit mehr Geld auszustatten. "Der Schuss ging nach hinten los. Wenn wir sehen, dass der Kunstfond jetzt mit 40 Prozent weniger Geld auskommen muss, ist das, was man zu Coronazeiten durch Programme und Evaluation aufbauen konnte, wieder ad acta gelegt." Dass man mittlerweile bei der Kultur wieder den Rotstift ansetze, findet Noack fatal.
Förderung nach Branchen
Besonders kritisiert Noack die Verteilung der Gelder auf die unterschiedlichen Kulturbranchen. Seinen Angaben zufolge erhielt der Bereich Bildende Kunst vergleichsweise weniger Unterstützung: "Musik und darstellende Kunst sind sichtbarer in der Gesellschaft und sind eher in der Lage, häufiger zusammen aufzutreten, weil sie auch häufiger zusammenarbeiten." Das sei bei Bildender Kunst nicht der Fall. "Hier gibt es viele Soloselbstsändige." Insgesamt sei der Etat von "Neustart Kultur" viel zu gering gewesen, findet Noack.
Das bestätigt auch eine Recherche von Deutschlandfunk Kultur von vergangenem Jahr. Demnach sind bei "Neustart Kultur" im Bereich der Bildenden Kunst deutschlandweit ungefähr 30.000 Anträge gestellt worden, die dritthöchste Antragszahl im Vergleich zu anderen Branchen. Allerdings wurden nur etwa ein Viertel dieser Anträge bewilligt. Im Bereich der Theater wurden von 24.000 Anträgen etwas mehr als die Hälfte bewilligt. Damit kamen Theater insgesamt auf eine Fördersumme von 309 Millionen Euro. Die Bildende Kunst landete bei 91 Millionen Euro – der zweitniedrigste Wert aller Sparten. Weniger erhielt nur der Tanz.
Sebastian Weise ist Bildender Künstler aus Halle. Er hat sich auf ein Stipendium bei "Neustart Kultur" beworben, das auf ein halbes Jahr mit 18.000 Euro angelegt war – und wurde abgelehnt: "Das wäre für mich ein ganzes Jahr zu leben gewesen. Diese Fördersumme hätte mir ermöglicht, ausschließlich künstlerisch tätig zu sein und hätte mich künstlerisch weitergebracht." Das wäre für ihn essentiell und absolut beruhigend gewesen, sagt Weise.
Dass Förderanträge abgewiesen werden, sei für Künstlerinnen und Künstler alltäglich, sagt Weise. Er schätzt die Förderung durch "Neustart Kultur" als wichtig und richtig ein in der Zeit während der Pandemie. Trotzdem hätte er sich gewünscht, die Förderhöhe pro Person zu begrenzen und dafür mehr Menschen finanziell zu unterstützen. "In die Fläche gehen und schauen, dass es gerechter verteilt wird. Ich habe den Eindruck, dass da manchmal mit Scheuklappen agiert wird."
Sachsen weit vorn bei Pro-Kopf-Förderung pro Bundesland
Wertet man das Förderprogramm nach Bundesländern aus, werden große Unterschiede deutlich: Pro Kopf gab es in Sachsen-Anhalt und Thüringen 12 Euro. Damit liegen sie im Bundesvergleich weit hinten. In Berlin wurden zum beispiel 85 Euro pro Kopf verteilt. Sachsen liegt die Pro-Kopf-Förderung immerhin bei 23 Euro. Ein Grund hierfür könnte die große Dichte an Kunstschaffenden in Leipzig und Dresden sein.
Die Bildende Künstlerin Susann Hoch von "Hochdruckpartner" aus Leipzig sieht noch einen weiteren Grund in der hohen Förderung für Sachsen: Sie empfindet die Vernetzung der Kunstschaffenden untereinander als wichtige Stütze. "Man ist in Städten wie Dresden und Leipzig weniger auf sich allein gestellt. Man hat die Berufsverbände und Kollegen um die Ecke. Ich glaube, man macht sich gegenseitig mehr Mut, solche Sachen zu nutzen und erfährt vielleicht auch besser davon."
Für sie und ihre Kollegen hat "Neustart Kultur" den gewünschten künstlerischen Schub gebracht – und sendete auch ein wichtiges Zeichen für die Zukunft: Es geht weiter.
Quelle: MDR KULTUR (Gloria Weimer)
Redaktionelle Bearbeitung: bh
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 12. März 2025 | 15:40 Uhr