Unter der Lupe – die politische Kolumne Vor der Ministerpräsidentenkonferenz: Mut zum Optimismus!

05. November 2023, 05:00 Uhr

Eine Ministerpräsidentenkonferenz steht vor der Tür. Am Montag geht es vor allem um das drängende Thema Asylpolitik. Hauptstadtkorrespondent Torben Lehning fordert: Mut zum Optimismus, dass Bund und Länder sich einigen.

Morgen ist es wieder soweit. Das Kanzleramt ruft zur Ministerpräsidentenkonferenz – kurz MPK. Schwarze Limousinen aus der ganzen Republik rollen in die Bundeshauptstadt. In ihnen sitzend und die letzten Absprachen festzurrend: die Regierungschefinnen und -chefs der Länder. Kaum sind sie ausgestiegen, entlädt sich schon ein Blitzlichtgewitter. Reporterinnen und Reporter halten den mehr oder weniger Weitgereisten Mikrofone unter die Nasen und stellen alle die eine wichtige Frage: Was fordern sie vom Bundeskanzler?

Die große Einigkeit

Am Montagmittag dürften wir dann feststellen, dass die Antworten der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten auf diese Frage sich sehr ähneln. Die letzten Konferenzen ohne Kanzlerbeteiligung sind nicht umsonst gewesen – die Länder sprechen nahezu mit einer Stimme. Parteiübergreifend wurde Konsens erzielt. Das ist bei weitem nicht immer so gewesen und stimmt positiv.

Die letzten MPKs waren dadurch gekennzeichnet, dass Scholz, eingekeilt zwischen den Positionen von FDP und Grünen, kaum Verhandlungsmasse mitbrachte, mit der er die Länder hätte befrieden können.

Scholz inszeniert sich als Vermittler

Auch wenn FDP und Grüne immer noch ordentlich gegeneinander austeilen, hat sich Scholz mittlerweile ein Stück weit freigeschwommen. Auch die Grünen zeigen sich in der Asyl- und Migrationspolitik kompromissbereiter. Kurz vor der MPK scheint die Koalition zwar nicht geschlossen hinter ihrem Kanzler zu stehen, aber FDP und Grüne haben es in wesentlichen Punkten nicht hinbekommen, der Debatte ihren Stempel aufzudrücken und wirken daher eher wie Zuschauer.

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Noch dazu hat Scholz am Freitag vor der MPK die CDU-Fraktionsspitzen Merz und Dobrindt zu sich eingeladen, um Kompromisslinien auszuloten. Den Länderchefs der CDU dürfte nicht gefallen, dass Merz ihnen vorweg die Show stiehlt. Den Kanzler kümmert das nicht. Auch ohne, dass er auf den von der Union geforderten Deutschland-Pakt mit 26 asylpolitischen Forderungen eingeht, steht er bereits vor der MPK als vermittelnder Staatsmann da.

Asylstreit

Das alles beherrschende Thema ist erneut die Migrations-, aber vor allem die Asylpolitik. Bundesländer und Kommunen fordern mehr Geld vom Bund, um Flüchtlinge unterbringen und integrieren zu können. Die Forderung: "ein atmender Deckel". Klingt nach einer Yoga-Position, meint aber ein Finanzierungssystem, das nach Bedarf anwächst und wieder abschmilzt, je nachdem wie viele Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Mindestens aber fordern die Länder 10.500 Euro pro Flüchtling pro Jahr.

Gerade bei den Finanzen sieht es jedoch nicht danach aus, als ob Bundeskanzler und Finanzminister nach wochenlangem Haushaltsstreit jetzt plötzlich umlenken würden. Es wird nicht viel mehr Geld für Länder und Kommunen geben, allen Forderungen und Wehklagen zum Trotz.

"GEAS" als Geschenk

Diese harte Linie lässt sich nicht ohne Gegenleistungen halten. Und Scholz hat Geschenke mitgebracht. Die Ampel hat seit der letzten MPK Erfolge bei den EU-Reformbestrebungen für eine gemeinsame europäische Asylpolitik (GEAS) erzielt und verstärkt darüber hinaus ihre Bemühungen, Migrationsabkommen mit Heimatländern von Flüchtlingen auszuhandeln. Weiter hat die Bundesregierung stationäre Grenzkontrollen an der deutsch-polnischen und deutsch-tschechischen Grenze installiert, das Strafmaß für Schleuser erhöht und Abschieberegeln verschärft.

Während die letzten Punkte von Expertinnen und Experten übereinstimmend als populistischer Aktionismus der Marke "harte Hand" gewertet werden, liefert die GEAS das, was Länder und Kommunen wollen. Zumindest zum Teil. Wird die EU-Asylreform wie derzeit geplant verabschiedet, werden die Asylverfahren von Flüchtlingen, die keine große Aussicht auf einen Bleibestatus haben, bereits an der Grenze verhandelt. Viele werden, wenn sich die EU-Partnerinnen und -partner daran halten, gar nicht in Deutschland ankommen.

Migrationsabkommen statt Obergrenze

Moldau und Georgien will die Ampel jetzt zu sicheren Herkunftsländern erklären. Damit allein dürfte es nicht getan sein, weitere sollen folgen. Der Grund: Wenn Flüchtlinge in Deutschland keinen Asylstatus bekommen, können sie in vielen Fällen nicht abgeschoben werden, weil ihre Heimatländer sie nicht zurücknehmen. Es braucht also ebenjene Migrationsabkommen, die die Bundesregierung derzeit anstrebt.

Die Union fordert, die nordafrikanischen Maghreb-Staaten auch zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Die Auslandsreise der Innenministerin nach Marokko lässt darauf schließen, dass sich in der Ampel hier auch etwas bewegt. Die Länderchefinnen und -chefs sehen die Bemühungen der Bundesregierung und befinden sie für gut. Sie wissen, dass es nicht anders geht. Auch eine Obergrenze, wie die unionsgeführten Länder und Unions-Fraktion sie fordern, würde nichts daran ändern, dass Flüchtlinge ohne Aufenthaltsrecht nicht abgeschoben werden können.

Sachleistungen statt Geldleistungen

Gutscheine und Sachleistungen anstelle von Bargeld für Flüchtlinge. Viele Bundesländer setzen bereits auf dieses Mittel und die Bundesregierung wird nicht müde zu betonen, dass all jene, die bundesweit einheitliche Bezahlkarten für Flüchtlinge fordern, sich bei ihren Ministerpräsidentenkolleginnen und -kollegen auch dafür einsetzen können, ein gemeinsames System zu finden. Dafür braucht es keine Gesetzgebung des Bundes. Die Länder selbst haben es in der Hand. Vorstellbar ist, dass der Bund hier auf die Länder zugeht und die Organisation des Bezahlsystems übernimmt. Zahlen werden die Länder am Ende aber wohl selbst.

Mit Einigkeit ist allen geholfen

So vielfältig und problematisch das große Feld der Asylpolitik doch ist: Bund und Länder wissen, dass die finanziellen Mittel derzeit begrenzt sind und ein Erfolg der GEAS sowie weitere Migrationsabkommen Erleichterung bringen könnten. Zieht Deutschland an einem Strang, ist auch die deutsche Position in der EU stärker und alle kommen schneller zum Ziel.

Zu hoffen bleibt, dass neben dem großen Aushandlungskomplex der Asylpolitik auch noch andere Fragen geklärt werden. Vom Bürokratieabbau bis zur weiteren Finanzierung des Deutschlandtickets oder bei der Digitalisierung von Schulen und der Planungsbeschleunigung gibt es genug Klärungsbedarf.

Vermutlich werden trotzdem die meisten Beteiligten nach der Ministerpräsidentenkonferenz sagen, es habe sich zu wenig bewegt. Allen wäre geholfen, wenn sie damit nicht recht behielten.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 06. November 2023 | 19:30 Uhr

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