Parteien Erwartbar erfolgreich: Die AfD im Umfragehoch

03. Juni 2023, 05:00 Uhr

Die AfD landet im aktuellen ARD-Deutschlandtrend bei 18 Prozent und zieht mit der SPD gleich. Das ist weder überraschend noch unerklärbar. Die Stärke der AfD ist immer auch die Schwäche ihrer politischen Konkurrenz – und die schwächelt gerade gewaltig. Noch dazu kann die AfD mit ihren Kernthemen punkten und erfreut sich dabei einer Öffentlichkeit, die offenbar immer weniger ein Problem mit dem Demokratieverständnis der national-völkischen Partei hat.

Wäre am kommenden Sonntag Bundestagswahl, würde die CDU mit Abstand gewinnen. Das Rennen um Platz zwei würde sich wohl zwischen der SPD und der AfD entscheiden. 18 Prozent für die Alternative für Deutschland. So stark war die Partei des rechten Randes seit September letzten Jahres nicht mehr. Im Osten liegt die AfD sogar flächendeckend vorn und malt sich bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr eine Regierungsbeteiligung aus, die ihr allerdings nach derzeitigem Stand mangels Koalitionsalternativen verwehrt bleiben dürfte. Nichtsdestotrotz, die AfD strotzt vor Selbstvertrauen. So gut wie jetzt lief es lange nicht mehr für die Partei. Dafür gibt es Gründe.

Mit diesen Themen punktet die AfD  

Die AfD ist immer dann erfolgreich, wenn sie polarisieren kann. Von Heizungsgesetz bis Gaspreisbremse kann sie derzeit sogar Themen besetzen, die man bislang nicht mit ihr in Verbindung brachte. Ernstzunehmende Gegenvorschläge braucht sie in der Klimapolitik nicht zu machen. Außer den einen: Es wäre doch schön, wenn alles so bliebe, wie es ist.

Dazu gewinnt ein Kernthema der AfD immer weiter an Bedeutung. Die Migrationspolitik wird von vielen Bürgerinnen und Bürgern als immer wichtiger erachtet. Die SPD kündigt an, die außereuropäischen Grenzen zu verschärfen, Sachsens Ministerpräsident fordert stationäre Grenzkontrollen an der deutschen Grenze und Leistungskürzungen für Asylbewerber. Über den Überbietungswettbewerb in Wort und Tat freut sich am Ende vor allem die AfD. Wer keine Flüchtlinge in Deutschland will, wendet sich an das Original.

Darüber hinaus hat die AfD mit ihrem stark russlandfreundlichen Kurs ein Alleinstellungsmerkmal in der deutschen Parteienlandschaft. Die Botschaft: So ausweglos und verwirrend müsste die weltpolitische Lage gar nicht sein. Mit uns wäre alles so geblieben, wie es war. Dazu kommt eine enorme Verunsicherung in der Bevölkerung. Die Inflation steigt, die Lohnsteigerungen kommen nicht mit. Ein Drittel der deutschen Bevölkerung empfindet seine persönliche wirtschaftliche Lage momentan als weniger gut oder schlecht. Das ist der bislang höchste Wert im seit 1997 bestehenden ARD-Deutschlandtrend.

Norbert Kleinwächter, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der AfD im Bundestag, fühlt sich bestätigt. "Die Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland bekommen die Leute gerade immer stärker zu spüren. Egal, ob bei Öl, Gas oder Strom. Die finanzielle Lage hat sich verschärft. Davor haben wir immer gewarnt. Wir hätten sie gerne davor bewahrt." Die AfD muss dabei selbst keine Orientierung oder Gegenvorschläge liefern, sondern immer nur betonen, dass die Unsicherheit in der Bevölkerung wächst. Mit letzterem hat sie recht und arbeitet zeitgleich daran, dass es auch so bleibt.

Die Schwäche der anderen

Seit dem Tag ihrer Gründung war die AfD immer dann besonders stark, wenn ihre politische Konkurrenz schwächelte. Das lässt sich belegen. Laut ARD-Deutschlandtrend erklären zwei Drittel der Menschen, die die AfD wählen wollen, dies mit ihrer Enttäuschung und Distanz zu den anderen Parteien. Nur ein Drittel begründet ihre Präferenz damit, dass sie von der Politik der AfD überzeugt seien. Der AfD kann das herzlich egal sein, solange aus Unterstützern bei Wahlumfragen auch Wähler am Wahltag werden.

Anfeindungen, Blockaden, Vorwürfe und jede Menge Streit. Die rot-grün-gelbe Bundesregierung lässt derzeit nur wenige Fettnäpfchen aus. Im Kampf um die Wählergunst schleppen sich die Koalitionäre von einer Landtagswahl zur nächsten und vermitteln dabei immer weniger das Bild einer Fortschrittskoalition. Für Fortschritt bräuchte es schließlich eine gemeinsame Richtung, in die man gehen will.

Die Grünen manövrieren sich immer wieder an den Pranger, die FDP fungiert als regierungsinterne Opposition und die SPD scheitert an ihrem Anspruch, als Macherin aufzutreten, und an der Führungsschwäche ihres Kanzlers.

Acht von zehn Deutschen sind der Ansicht, dass die Bundesregierung derzeit zu lange braucht, um politische Lösungen zu finden. Acht von zehn Deutschen sind der Meinung, dass der Kanzler stärker die Richtung vorgeben sollte. Die Ampel wirkt kopf- und ideenlos und hat sich das, angesichts ihrer Selbstdemontage auf offener Bühne, auch selbst zuzuschreiben.

Was will die CDU?

Auffallen um jeden Preis, so könnte man die Kommunikationsstrategie der Union in diesen Tagen zusammenfassen. Thüringens CDU-Vorsitzender Voigt bezeichnet die geplante Heizdatenerfassung der kommunalen Wärmeplanung als "Energie-Stasi" und das Konrad-Adenauer-Haus produziert eine "Fair-Heizen"-Werbekampagne, die suggeriert, die Bundesregierung würde mutwillig die Rentenkasse an ideologische Projekte der Grünen verfeuern. Sachsens Ministerpräsident Kretschmer spricht von "ökologischem Irrsinn".

Mit Sachlichkeit hat das wenig zu tun, mit dem Erfolg der Union in den Umfragen noch weniger, meint der Politikwissenschaftler Johannes Kiess von der Universität Leipzig. Mit einer Wortwahl, die staatlichen Institutionen vorwerfe, absichtlich gegen das Wohl der Bevölkerung zu arbeiten, so Kiess, würden am Ende eben jene gewinnen, die den Staat, wie er ist, gerne maßgeblich verändern würden – oder am liebsten abschaffen.

Was ist mit der Zivilgesellschaft?

Die Kernwählerschaft der AfD ist seit ihrer Gründung immer weitergewachsen – die Partei ist dabei immer weiter nach rechts gewandert. Von Lucke über Petry und Meuthen, Parteiaustritten und Häutungen, hat sich die völkisch-nationale Partei immer weiter ihrer national-konservativen Anteile entledigt. Was bleibt ist eine Bundespartei, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft wird und die keine Anzeichen erkennen lässt, sich von ihrer als gesichert rechtsextrem eingestuften Jugendorganisation Junge Alternative zu distanzieren.

Die Unterstützerinnen und Unterstützer der AfD scheint dieser Umstand nicht zu stören. Im Gegenteil. Genau dort, wo die AfD besonders radikal auftritt, etwa in Thüringen, ist die Partei besonders stark. Laut Politikwissenschaftler Kiess ist dies unter anderem mit einem sinkenden Demokratieverständnis in der Bevölkerung und einem wachsenden Misstrauen gegenüber demokratischen Institutionen zu begründen.

Für diesen Umstand lediglich eine zerstrittene Bundesregierung verantwortlich zu machen, wäre zu einfach und zu billig. Weder sollten Bundesregierung und Union ihren Anteil an den Umfrageergebnissen der AfD ignorieren noch sollte die Zivilgesellschaft der Illusion erliegen, dass es ein die Richtung vorgebender Kanzler oder eine geeinte Bundesregierung schon richten werden. Schließlich entspringt der erwartbar groß ausfallende Erfolg der AfD eben jener Zivilgesellschaft. Wenn knapp ein Fünftel der deutschen Wählerschaft mit der AfD sympathisiert, sollte die Debatte über diese Umfrageergebnisse nicht nur im Regierungsviertel geführt werden.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 03. Juni 2023 | 06:00 Uhr

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