eine Nase ragt in Qualm
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Abstimmung über EU-Grenzwerte In diesen Landkreisen ist die Feinstaubbelastung zu hoch

07. September 2023, 07:46 Uhr

Am 11. September stimmt das Europäische Parlament über die Festlegung neuer Grenzwerte für Feinstaubbelastung ab. Würden die neuen Grenzwerte jetzt schon gelten, hätten vier sächsische Landkreise 2022 den zulässigen Jahresdurchschnitt gerissen. Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen hätten dieses Jahr schon mehrmals das Tagesmaximum überstiegen. Wie gut die Luftqualität in Ihrem Landkreis ist, zeigt eine Analyse von MDR Data.

Das Europäische Parlament entscheidet am 11. September über neue, niedrigere Feinstaub-Grenzwerte. Würden die geplanten EU-Grenzwerte jetzt schon gelten, würde ein Viertel der Menschen in Sachsen in Gebieten leben, in denen die Luft zu sehr mit Feinstaub belastet ist.

Nach einem Vorschlag der Europäischen Kommission darf die durchschnittliche jährliche Feinstaub-Konzentration nicht über zehn Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen. Damit soll das Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung gesenkt werden. Im Osten Sachsens sind 25 Prozent der Menschen über diesem Limit belastet. Bundesweit folgt Sachsen damit auf Platz drei hinter Berlin und Nordrhein-Westfalen.

Feinstaubbelastung im Osten besonders hoch

Das zeigen Satellitenmessungen des Copernicus Atmospheric Monitoring Service (CAMS), die MDR Data gemeinsam mit der Deutschen Welle und dem European Data Journalism Network ausgewertet hat. Gemessen wird die Konzentration von Feinstaubpartikeln mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometer.

Die Messungen zeigen, dass sich die Feinstaubkonzentration regional stark unterscheidet. Besonders schlecht ist die Luft im Osten Sachsens und Sachsen-Anhalts.

Was ist Feinstaub?

Als Feinstaub bezeichnet man Teilchen in der Luft, die eine gewisse Zeit in der Atmosphäre bleiben. Staubpartikel werden in verschiedene Größen eingeteilt. Als Feinstaub (PM10⁠) bezeichnet man Partikel mit einem Durchmesser von weniger als zehn Mikrometern. Feinstaub (PM2,5) beinhaltet alle Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometern. Je kleiner die Feinstaubpartikel sind, desto tiefer können sie in den menschlichen Körper eindringen und desto schädlicher können sie für die Gesundheit sein.

In Ballungsräumen ist die größte Feinstaubquelle der Straßenverkehr. Er wird nicht nur von Motoren ausgestoßen, sondern entsteht auch durch Bremsen- und Reifenabrieb und Aufwirbelung von Staub von der Straßenoberfläche. Außerdem entsteht Feinstaub durch Kraft- und Fernheizwerke, Öfen und Heizungen in Wohnhäusern, bei der Metall- und Stahlerzeugung oder auch beim Umschlagen von Schüttgütern. Er kann aber auch natürlichen Ursprungs sein, beispielsweise als Folge von Bodenerosion.

Professor Hartmut Herrmann ist Wissenschaftler am Leibnitz-Institut für Troposphärenforschung. Im Interview mit MDR Data erklärt er die hohe Feinstaubbelastung im Osten Deutschlands so: "In der Grenzregion zu Polen und Tschechien gibt es einen Import von Luftmassen, die mit Feinstaub beladen sind." Feinstaub werde mit dem Wind aus Südosteuropa antransportiert, wo es noch viel Kohle- und Holzverbrennung gebe. Dadurch gebe es eine Art Hintergrundbelastung, die dann vor allem in Städten durch lokale Feinstaubquellen weiter verstärkt werde. Lokale Feinstaubquellen können zum Beispiel industrielle Anlagen, viel Verkehr oder Holzheizungen sein.

Feinstaub senkt die Lebenserwartung dreimal stärker als Alkoholkonsum

Dass Feinstaub sich negativ auf die Gesundheit auswirkt, ist längst bekannt. Insbesondere kleine Feinstaubpartikel können tief in den menschlichen Körper eindringen und sich auf die Atemwege, das Herz-Kreislaufsystem, den Stoffwechsel und das Nervensystem auswirken.

Laut Schätzungen der EU-Umweltagentur waren 2020 rund 28.900 frühzeitige Todesfälle in Deutschland auf schlechte Umgebungsluft durch Feinstaub zurückzuführen. Feinstaub senkt laut einer Studie der Universität Chicago die Lebenserwartung genauso stark wie Rauchen und mehr als dreimal so stark wie Alkoholkonsum.

Weil die Schäden durch Feinstaub inzwischen so gut erforscht sind, gelten die aktuell gültigen EU-Grenzwerte für Feinstaub als veraltet. Deshalb hat die Europäische Kommission im Oktober 2022 einen Vorschlag für eine überarbeitete Luftqualitätsrichtlinie vorgelegt. Darin sollen unter anderem die Grenzwerte für Feinstaub herabgesetzt werden und damit den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angeglichen werden. Würde das EU-Parlament zustimmen, müssten die Grenzwerte überall in Europa ab 2030 eingehalten werden.

Feinstaub-Grenzwerte vor allem in Sachsen überschritten

Würden die vorgeschlagenen Grenzwerte jetzt schon gelten, lägen Görlitz, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Dresden und Bautzen 2022 über dem zulässigen Jahresdurchschnitt. Das Limit für die durchschnittliche jährliche Belastung soll von aktuell 25 auf zehn Mikrogramm pro Kubikmeter ab 2030 gesenkt werden. Außerdem dürfte an einem Tag die Luftbelastung nicht höher als 25 Mikrogramm pro Kubikmeter sein.

Danach wäre der Grenzwert dieses Jahr in Sachsen schon an sechs, in Sachsen-Anhalt an drei und in Thüringen an vier Tagen in mindestens einem Landkreis überschritten worden (Stand: 20.08.2023). Ob EU-Grenzwerte tatsächlich eingehalten werden, wird in der Praxis an Messstationen festgestellt. Messstationen gibt es allerdings nur in bestimmten Städten und Orten mit einer hohen Feinstaubbelastung.

Über die Daten

Die Daten zur Feinstaubbelastung basieren auf Satellitenmessungen des Copernicus Atmospheric Monitoring Service (CAMS). Die Daten für 2023 stammen aus der CAMS Prognose, die Daten für die Jahre 2018 bis 2022 aus der CAMS Reanalyse. Die Reanalyse gilt als zuverlässiger, da die Daten nach der Erhebung zusätzlich geprüft werden. Die Prognose ist dagegen aktueller und zeigt ähnliche Trends, weshalb sie für das aktuelle Jahr verwendet wird.

Die Einhaltung von Grenzwerten wird ausschließlich über Messstationen überprüft, die es nur in bestimmten Städten und Gebieten mit einer hohen Feinstaubbelastung gibt. Satellitendaten helfen allerdings bei der Beurteilung der Feinstaubbelastung, da flächendeckend Daten erhoben werden können.

Die Bevölkerungszahlen stammen aus dem Global Human Settlement Layer (GHSL) Datensatz. Der Datensatz weicht leicht von den offiziellen Volkszählungen ab, da er anhand von Satellitenbildern erstellt wird. Die Bevölkerungszahlen wurden für das Jahr 2020 berechnet.

Kategorisierung nach European Air Quality Index Die Höhe der Feinstaubbelastung lässt sich anhand des European Air Quality Index in Stufen einteilen. Das Level "schlecht" liegt bei 25 bis 50 Mikrogramm pro Kubikmeter und zeigt somit, wann und wo der neue EU-Grenzwert von 25 Mikrogramm pro Kubikmeter überschritten wird.

In der folgenden Grafik ist zu sehen, an wie vielen Tagen in den entsprechenden Landkreisen und kreisfreien Städten die Levels aus dem European Air Quality Index erreicht wurden. Europäische Umweltagentur

Grenzwerte der Weltgesundheitsorganisation nirgendwo eingehalten

Der Vorschlag der Kommission richtet sich nach den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die jedoch um einiges strenger sind. Während die Kommission einen Jahresdurchschnitt von zehn Mikrogramm pro Kubikmeter für angemessen hält, setzt die WHO das Limit bei fünf Mikrogramm pro Kubikmeter.

2022 haben alle Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland diesen Grenzwert überschritten. Dabei würde die durchschnittliche Lebenserwartung um 2,3 Jahre steigen, würden die Empfehlungen der WHO überall eingehalten, ergab eine Studie der Universität Chicago.

Umweltbundesamt befürwortet niedrigere Grenzwerte

Ute Dauert, Fachgebietsleiterin für Beurteilung der Luftqualität am Umweltbundesamt, befürwortet die niedrigeren Limits: "Wir haben uns schon seit langem dafür stark gemacht, dass die Grenzwerte angepasst und in Richtung der WHO-Empfehlungen abgesenkt werden müssen. Das hat der Richtlinienentwurf soweit aufgegriffen."

Allerdings hält sie den Vorschlag, der im EU-Parlament abgestimmt werden soll, für sehr ambitioniert. Man müsse bei der Einführung verbindlicher Werte auch immer Machbarkeit und Kosten abwägen: "Der Grenzwert, der auf Grundlage der WHO-Empfehlung abgeleitet wird, ist in gewisser Weise immer ein Kompromiss."

Gerade im Bereich Verkehr ist schon immens viel passiert.

Ute Dauert Umweltbundesamt

Auch Troposphärenforscher Hartmut Herrmann ist sich nicht sicher, ob die Absenkung der Grenzwerte auf WHO-Niveau etwas bringen würden. Dadurch, dass ein großer Teil des Feinstaubs in Ostdeutschland durch Luftmassen aus Südosteuropa antransportiert werde, seien die Möglichkeiten begrenzt, lokal Maßnahmen zu ergreifen. Wo es möglich ist, sei Deutschland schon relativ weit. Das sagt auch die Expertin aus dem Umweltbundesamt: "Gerade im Bereich Verkehr ist schon immens viel passiert. Da haben wir hinsichtlich Feinstaub bereits eine ganze Menge erreicht."

In Thüringen hat sich die Luftqualität am meisten verbessert

Vor allem in Thüringen, aber auch in Teilen Sachsen-Anhalts und Sachsen, zeigt sich, dass vergangene Maßnahmen schon einiges bewirkt haben. Dort hat sich die Luftqualität von 2018 bis 2022 deutlich verbessert.

Im bundesweiten Vergleich fallen viele Kreise in Thüringen positiv auf. In Gera, Saale-Holzland-Kreis und Greiz ist der Jahresdurchschnitt der Feinstaubbelastung um jeweils ein Drittel und damit bundesweit am meisten zurückgegangen. In Sachsen-Anhalt hat sich die Luftqualität im Burgenlandkreis am stärksten verbessert, in Sachsen in Zwickau.

Gebiete mit einer hohen Belastung an Schadstoffen halten Gegenmaßnahmen in Luftreinhalteplänen fest. Vor Ort wurden beispielsweise Geschwindigkeitsbegrenzungen und Umweltzonen in Städten eingeführt, der öffentliche Personennahverkehr ausgebaut, die Straßenreinigung intensiviert und die Verbrennung von Gartenabfällen verboten.

Ute Dauert sagt, die neuen Grenzwerte seien trotzdem auch für Deutschland ehrgeizig: "Es ist nicht so, als hätten wir in Deutschland kein Problem, die einzuhalten." Werden Grenzwerte nicht eingehalten, müssen laut Gesetz vor Ort Luftreinhaltepläne aufgestellt werden. Dafür müsse man zuerst herausfinden, welche Ursachen die Schadstoffbelastung in dem Gebiet genau hat. Das können beispielsweise industrielle Anlagen sein, in Städten der Verkehr oder die Nutzung von Holzheizungen in den Wintermonaten: "Man muss sich das immer konkret vor Ort anschauen, damit man dann die geeigneten Maßnahmen findet."

Mehr zum Thema: Feinstaub

MDR (Katharina Forstmair)

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