MDRfragt Drei Viertel der Befragten finden Straßenmusik bereichernd
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26. Juli 2024, 03:00 Uhr
Beim Einkaufen in größeren Städten kommt es des Öfteren vor, dass man von Musik durch die Straßen begleitet wird. Die Straßenmusikerinnen und -musiker müssen dabei viele Regeln beachten, die in allen Städten unterschiedlich sein können. Ein großer Teil der Passantinnen und Passanten empfindet die Musik auf der Straße als Bereicherung für die Stadt.
- Laut einer nicht-repräsentativen Umfrage vom MDRfragt in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen befürworten drei Viertel der teilnehmenden die Kunst von Straßenmusikern.
- Die Regeln, die für die Künstler im öffentlichen Raum gelten, unterscheiden sich von Kommune zu Kommune.
- Viele sehen in Straßenmusik eine kulturelle Bereicherung. Die Musik kann aber auch zum Störfaktor für Anwohnerinnen und Anwohner werden.
Gerade im Sommer dauert es nicht lange, bis man in Leipzig auf die erste Künstlerin trifft. Sie spielt die Geige und trägt ein aufwändiges Bach-Kostüm. Die meisten Menschen laufen vorbei und scheinen die Frau nicht zu beachten. Aber hin und wieder bleibt jemand stehen, schaut kurz zur Geigerin.
Eine Familie etwa hört aus sicherer Entfernung eine Weile zu. Ein Mann, der mit seiner Frau langsam an der Musikerin vorbeischlendert, kennt sie schon. "Ich finde es wunderschön, wir haben sie vorgestern schon mal vor der Thomaskirche erlebt. Ich finde es spitzenmäßig, sie spielt so eine feine Musik, das muss man erstmal hinkriegen."
Mehrheit der Befragten begrüßt Straßenmusik
Eine junge Frau wirft im Vorbeigehen Kleingeld in den Violinen-Koffer. Auf die Frage, was sie dazu verleitet hat, antwortet sie: "Es klingt schön und gefällt mir. Das wollte ich würdigen." Ihre Antwort deckt sich mit einem aktuellen Meinungsbarometer von MDRfragt. Die meisten Befragten (68 Prozent) geben den Musizierenden Geld, weil sie Spaß und Freude an der Darbietung haben. Demgegenüber gab ein Fünftel (20 Prozent) der Befragten an, Straßenmusikerinnen und Straßenmusikern generell kein Geld zu geben. Sechs Prozent spenden wiederum aus Mitgefühl.
Die Umfrage zeigt auch, dass ein Großteil der befragten Menschen Straßenmusik als eine Bereicherung ansieht. 75 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer begrüßen diese Art von Kunst in der Stadt. 16 Prozent empfinden Straßenmusik hingegen eher als Belästigung.
Dudelsack-Musik eher verzichtbar
Im Klamottenladen gegenüber der selbstgewählten Bühne der Geigerin erzählen die Mitarbeitenden, dass der Platz hier bei Straßenmusikern beliebt sei. "Manchmal kommt die Musik gut an. Aber es gibt auch Musik, auf die man verzichten kann", findet ein Mitarbeiter. Ihm gefalle zum Beispiel die Geigerin mit den ruhigen Melodien, weniger gut finde er Dudelsack-Musik oder starkes Getrommel.
Auch auf die Lautstärke komme es an: Wenn die Musik zu laut sei, dann störe das Mitarbeiter des Ladens sowie Kundinnen und Kunden. Eine andere Verkäuferin erzählt, dass die Musik manchmal sogar so laut sei, dass man die Kollegen oder Kunden gar nicht mehr verstehen könne.
Die Kommunen machen die Regeln für Musikerinnen und Musiker
Welche Regeln gelten, legt jede Kommune selbst fest. In Leipzig dürfen Straßenmusiker maximal 30 Minuten an einer Stelle stehen und müssen dann mindestens 200 Meter weiterziehen. Außerdem muss (ähnlich wie in Dresden) die Mittagsruhe zwischen 13 und 15 Uhr eingehalten werden. Wer mit Verstärker spielen möchte, braucht eine Erlaubnis dafür. Wenn es um Regeln für die Straßenmusik geht, fordern die Befragten laut der Ergebnisse von MDRfragt am ehesten (63 Prozent) die Begrenzung der Lautstärke und des Einsatzes von Verstärkern.
In Sachen Verstärker haben einige Städte und Gemeinden seit 2022 die Vorgaben verschärft. So ist es in Dresden mittlerweile nicht mehr erlaubt, Musik zu spielen, die lauter als 80 Dezibel ist. In Halle ist das Ordnungsamt regelmäßig unterwegs, um Musikerinnen und Musiker zu verwarnen, die ihre Verstärker zu laut aufgedreht haben. In den meisten Gemeinden ist generell eine Erlaubnis notwendig, um einen Verstärker einsetzen zu dürfen, so auch in Leipzig.
Am Leipziger Markt treffen sich an diesem Tag drei Männer mit Instrumenten. Gitarre, Kontrabass und Saxophon sind schnell vor einem Café ausgepackt, und schon stimmen die drei den Jazz-Klassiker "Take Five" vom Dave-Brubeck-Quartett an. Sie haben einen Verstärker dabei – aber nur für die Gitarre, versichert einer der drei Musiker.
Die Passanten in Leipzig haben gemischte Meinungen zu Regeln für Straßenmusik. Ein Mann, dessen kleine Tochter Kleingeld in den Hut des Jazz-Trios geworfen hat, freut sich über die Performance. Straßenmusik mache die Stadt moderner und interessanter, sagt er. Er hat aber auch Mitgefühl für die Anwohner des Leipziger Markts: "Wenn man hier wohnt, ist das bestimmt schon störend, wenn es die ganze Zeit so laut ist und kein Ende nimmt." Ein bisschen Regulierung brauche es schon, aber ansonsten solle man den Musikern auch die Freiheit lassen zu spielen, findet er.
Musik machen, um die Rente aufzubessern
Die drei Männer an den Instrumenten machen Straßenmusik, um ihr Einkommen zu verbessern. Pedro, Christian und Sandro heißen sie und treffen sich regelmäßig, um auf der Straße in Leipzig Musik zu spielen. Man merkt ihnen an, dass es ihnen Spaß macht. Sie freuen sich aber auch über das Kleingeld. "Meine Rente ist klein und ich spiele hier an der Straße, um ein bisschen Geld zu bekommen für mich, meine Freunde, meine Miete, Zigaretten und was zu essen", erzählt Pedro.
"Deutschland ist meine Nummer eins, wenn es um Straßenmusik geht". Pedro lacht: In Deutschland hätten die Menschen besonders viel Herz, findet er. Mit den Leuten hier habe er nur gute Erfahrungen gemacht. Manchmal beschwerten sich die Leute wegen der Lautstärke: "Dann wechseln wir den Platz und machen woanders weiter."
Straßenkunst als kulturelle Bereicherung für die Stadt
Im Café gegenüber freuen sich die meisten Besucher über den Auftritt der Musiker. MDRfragt zufolge lehnt zwar eine Mehrheit (65 Prozent) es ab, wenn Künstler aktiv um Spenden bitten. Insgesamt sehen aber drei Viertel der Befragten Straßenmusik grundsätzlich als Bereicherung an. Das scheint auch in Leipzig an diesem Tag der Fall zu sein.
Für einen Mann, der den Musikern auf dem Leipziger Markt zuhört, gehört Straßenmusik zum Stadtbild. Er findet aber auch: "Insgesamt ist es schon störend, wenn ich ruhig irgendwo sitzen will und einer jodelt mir zwei Stunden in die Ohren rein." Geld gebe er trotzdem regelmäßig, um die Kultur zu erhalten und die Leute zu unterstützen.
Hinweise zur Erhebung von MDRfragt:
Die Befragung vom 5. bis 12. Juli 2024 stand unter der Überschrift: Straßenmusik – Freude oder Ärgernis?
Insgesamt sind bei MDRfragt 67.483 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 15. Juli 2024, 12:00 Uhr). 19.056 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen.
Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Allerdings wurden sie in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen wurden. Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.
redaktionelle Bearbeitung: tis
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 26. Juli 2024 | 06:30 Uhr