"Der Komet" Theater-Premiere in Dresden: Wie eine Stadt und eine Liebe untergehen
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25. Januar 2025, 12:06 Uhr
Wenige Tage vor dem 80. Jahrestag der Zerstörung von Dresden am 13. Februar 1945 bringt das Staatsschauspiel ein Stück auf die Bühne, das auf besondere Weise zeigt, wie es dazu gekommen ist. Die literarische Vorlage lieferte Durs Grünbein mit seinem Roman "Der Komet". Darin zeigt der gebürtige Dresdner die zerstörerische Wirkung der NS-Diktatur und des von ihr entfesselten Weltkrieges auf das Liebespaar Dora und Oskar. Die Bühnenfassung konzentriert sich auf deren Ringen um Selbstbehauptung.
- "Der Komet" erzählt von einem Paar, dass in Dresden Nazi-Diktatur und Krieg durchlebt.
- Die Inszenierung bleibt eng an der literarischen Vorlage, die auch eine Liebeserklärung des Autors Durs Grünbein an seine Geburtsstadt ist.
- Grünbein zeigt die schleichende Faschisierung, die Inszenierung geht zu wenig über die Dresden-Historie hinaus, um auf die Gegenwart zu verweisen, findet unser Kritiker.
Die Platzierung der Premiere drei Tage vor dem Holocaust-Gedenktag am 27. Januar und kurz vor dem Dresdner Zerstörungsgedenken am 13. Februar trifft schon eine Aussage. Die "schönste Stadt der Welt" war in der Hitlerzeit eben keine unschuldige Stadt, sondern sogar eine dem Führerkult und dem Größenwahn besonders verfallene. Und ihrer Zerstörung durch britische und amerikanische Bomben 1945 ging die Vernichtung von Millionen Menschen, ihren Träumen und Schicksalen voraus.
Noch stärker als Durs Grünbeins Romanvorlage konzentriert sich die Dresdner Inszenierung auf die persönliche Betroffenheit von Dora und Oskar. Sie kommen mit hohen Erwartungen in ihre Traumstadt, und eigentlich sind die Jahre ab 1935 bis zum Kriegsbeginn ihre "goldenen", in denen zwei Töchter geboren werden.
Aber die Indoktrinationen eines gleichgeschalteten, militarisierten Systems vergiften auch die menschlichen Beziehungen und das Klima in der fanatisierten Stadt. Oskar bleibt schließlich an der Ostfront verschollen, Dora und die Kinder überleben knapp das Bombardement Dresdens.
Eng an der Vorlage: Kraftvolles Sprechtheater, tolles Ensemble
Tilmann Köhler war auch als junger Hausregisseur in der Ära von Intendant Wilfried Schulz bis 2016 kein Krawallregisseur am Dresdner Staatsschauspiel. Heute verlangt es angesichts der Sehgewohnheiten beinahe schon wieder Mut, sich eng an eine literarische Vorlage zu halten. Die sieben Spielerinnen und Spieler erzählen die Prosa des ohnehin an Dialogen armen Romans mit verteilten Rollen szenisch nach. Einschließlich der originalen Rückblenden und Zeitsprünge.
Köhler braucht keine modischen Impressionsverstärker, ruft nicht benachbarte Genres zu Hilfe, sondern vertraut der ursprünglichen Kraft des Sprechtheaters. Keine Videos, keine agitatorischen Predigten, keine Drastik, musikalisch beschränkt er sich auf eine zurückhaltende Gitarre. Die Bühne steht schräg mit einem stilisierten Dresdner Stadtplan.
Sparsamkeit erweist sich als Gewinn, wenn man solche genau und sensibel agierenden Spieler zur Verfügung hat. Man kann sie eigentlich nur im Kollektiv loben, aber Karina Plachetka und Henriette Hölzel kommen auf natürliche und sinnliche Weise Vorstellungen von den beiden Hauptfiguren Dora und ihrer Freundin Trude besonders entgegen.
Starke Fixierung auf Dresden-Historie
Die Textauswahl, gemeinsam von den sieben Akteuren und dem Regisseur Köhler komponiert, erzählt Geschichte als Summe von Geschichten. Schon die Romanvorlage personalisiert und subjektiviert in hohem Maße. So wirkt die Inszenierung menschlich nah und warm, aber Grünbeins auch nachlesbare Zeitkontextualisierungen sind ins Hintertreffen geraten.
Nur angerissen werden beinahe essayistischen Passagen im Buch, in denen sich Grünbein mit den "Tentakeln einer Ordnung, die in jedes Heim eindrang" auseinandersetzt, wie es schon auf den ersten Seiten heißt. Die schleichende Faschisierung also, die kaum auf Widerstand stößt, jene Symptome, die bestürzende Assoziationen zur Gegenwart wecken. Verallgemeinerbare Aspekte einer Dresdner Geschichte vermissten auch einige Zuschauer, die mehr Problembehandlung auf der Bühne erwarteten.
Dresdner Publikum applaudiert und debattiert
Dem langen und dankbaren Beifall tat das keinen Abbruch. Gespendet von einem Premierenpublikum, das noch mehr als sonst das sprichwörtliche Dresdner Bildungsbürgertum und die Kulturelite der Stadt repräsentierte – und das nach der Vorstellung weniger feierte, sondern intensiv debattierte.
Informationen zum Stück
"Der Komet"
Inszenierung nach dem Buch von Durs Grünbein
in einer Bühnenfassung von Tilmann Köhler, Uta Girod und dem Spielensemble
Uraufführung am 24.01.2025, Kleines Haus 1
Dauer der Aufführung: 2 Stunden und 40 Minuten
Eine Pause
Mit: Marin Blülle, Henriette Hölzel, Sven Hönig, Christine Hoppe, Anna-Katharina Muck, Karina Plachetka, Matthias Reichwald
Live-Musik: Matthias Krieg
Weitere Vorstellungen am 29. Januar, 9. Februar und 22. Februar 2025
Redaktionelle Bearbeitung: jb, ks
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 24. Januar 2025 | 15:30 Uhr