Senior sitzt mit Katze und Laptop in einem Sessel. 3 min
Im Audio: Wie Tierheime bei der Vermittlung mit Senioren umgehen. Bildrechte: picture alliance / Westend61 | VITTA GALLERY
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Allein das Alter ist nicht entscheidend

MDR AKTUELL Sa 25.01.2025 13:20Uhr 03:07 min

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Tierische Begleiter Wann sind Menschen zu alt für ein Tier aus dem Tierheim?

26. Januar 2025, 12:47 Uhr

Der Wunsch, einen Spaziergeh-Begleiter oder einen kuscheligen Freund bei sich zu wissen, ist nachvollziehbar. Haustiere machen viel Freude, aber auch viel Arbeit. Tierheime prüfen mögliche Tierhalter deshalb gründlich. Spielt das Alter der Interessenten dabei eine Rolle?

Viele Menschen wünschen sich einen tierischen Begleiter: Kinder, Familien, Paare, Singles, Senioren. Als Spielgefährten oder einfach, um nicht allein zu sein. Ein Ausspruch, der vielen begegnet, die sich für ein Haustier interessieren, lautet: "Adopt, don't shop!". Das bedeutet, lieber ein Tier aus dem Tierheim zu adoptieren, statt "neu" im Zoohandel, bei einem Züchter oder einer Züchterin zu kaufen.

Aber nicht jeder Mensch passt zu jedem Tier und umgekehrt. Ein Tier bedeutet Verantwortung und nicht selten auch Verzicht auf Gewohnheiten und gewisse Freiheiten. Dabei müssen finanzielle und gesundheitliche Aspekte mitgedacht werden.

Im Tierschutz geboten: Adoptieren statt Shoppen

Tausende Tiere, schätzungsweise 350.000, werden jedes Jahr in deutschen Tierheimen aufgenommen. "Tierheime kämpfen immer noch mit den Corona-Folgen, also dem damaligen Haustier-Boom", sagt Lea Schmitz. Sie ist Pressesprecherin des Deutschen Tierschutzbunds. Immer dann, wenn sich Menschen unüberlegt Haustiere anschaffen, werde das zum großen Problem. Überforderung mit Hunden, Nicht-Kastration von Katzen und ungewollter Nachwuchs, all das müssten Tierheime derzeit auffangen.

In ganz Deutschland sind Tierheime am Limit, finanziell und platztechnisch.

Lea Schmitz, Deutscher Tierschutzbund e.V.

"In ganz Deutschland sind Tierheime am Limit, finanziell und platztechnisch", sagt Schmitz. "Ich kann es deshalb nur befürworten, erst einmal in Heimen zu schauen. Dort warten tolle Tiere auf ein neues, dauerhaftes Zuhause." Hunde, Katzen und kleinere Vierbeiner wie Meerscheinweinchen und Kaninchen, auch Schildkröten und Exoten können dort gefunden werden.

Tierheime prüfen Interessenten, sprechen mit ihnen und schauen sich mitunter auch die Wohnung oder das Haus an, wo die Tiere leben sollen. "Das sollte nicht als Kontrolle, sondern als Beratung und Hilfe verstanden werden", betont Schmitz. Das Tier solle im neuen Zuhause gut aufgehoben sein und für immer bleiben dürfen. Ganz wichtig sei es daher, sich vorab Gedanken zu machen, was man als Tierhalter leisten kann – und was nicht.

Alter des Tierhalters spielt eine Rolle

Das Alter spiele bei der Adoption durchaus eine Rolle, sagt Michael Sperlich, und meint damit nicht (nur) das Alter der Tiere. Er ist Geschäftsführer des Leipziger Tierschutzvereins, der Träger des Tierheims in Leipzig ist. Hier warten mehr als 400 Tiere auf eine Vermittlung, auf ein neues Zuhause. 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern sich um Hunde, Katzen, Nager, Schildkröten und Schlangen.

Sperlich und sein Team schauen sich genau an, wie die zu erwartende Lebenserwartung des Tieres zu dem des Übernehmers steht. Ein junger, aktiver Hund sei in höherem Alter nicht zu empfehlen, sagt er. Pauschal könne man jedoch nicht sagen, ab wann ein Mensch zu alt für ein Tier sei. Individuelle Umstände und die Lebensweise sind viel eher entscheidend: "In höherem Alter können sich Lebensumstände allerdings ganz plötzlich ändern, das kennen wir alle."

Ein Hund sitzt in einem Tierheim in einem Zwinger. Tierheime in Nordrhein-Westfalen fühlen sich in der Corona-Krise von der Regierung im Stich gelassen. Weil Spenden fehlen und kaum Tiere vermittelt werden können, seien die wirtschaftlichen Folgen gravierend, sagten Tierheim-Verantwortliche in mehreren Städten.
Bildrechte: picture alliance/dpa | Henning Kaiser

Madeleine Spielvogel vom Tierheim in Weimar sieht das etwas anders: "Lebensumstände können sich egal in welchem Alter ändern." Für sie gibt es keine Altersgrenze bei der Vermittlung. "Es muss geistig und körperlich passen. Es wäre schön, wenn gerade ältere Tiere, die mehr Ruhe brauchen, an ältere Menschen, die mehr Zeit und Ruhe mitbringen, vermittelt werden", sagt die Amtstierärztin.

Das ist auch das Credo im Erfurter und Chemnitzer Tierheim. "Wobei man dabei nicht unterschätzen darf, dass die Pflege und auch der finanzielle Aufwand im letzten Lebensabschnitt bei Tieren mit erheblichen Aufwendungen verbunden sein kann", gibt Sperlich zu Bedenken.

Gerade alte Menschen wollen gebraucht werden

Lisa Borchard ist Tierärztin und engagiert sich beim Tierschutzverein "Tasso". Sie appelliert daran, sich gründlich zu informieren und nicht zu verstellen, um ein Tier zu bekommen. Es gebe darüber hinaus andere Möglichkeiten, das eigene Leben mit Tieren zu bereichern, zum Beispiel als Hunde- oder Katzensitter in der Nachbarschaft. Auch mit einer Tierheim-Patenschaft könne man sich engagieren.

Und genau das, ein Leben mit Tieren, sei wichtig für Senioren, sagt Jens-Peter Kruse von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO). Alleinlebende Seniorinnen und Senioren mit Haustieren könnten mit dem Alleinsein und dem Gefühl von Einsamkeit besser umgehen. Das belegten auch Forschungsprojekte der Gruppe "Mensch-Tier-Beziehung" der TU Dresden.

Die Betreuung von Haustieren gebe dem Alltag von Älteren eine gewisse Struktur, das Gefühl gebraucht zu werden und vermittele ihrem Leben Sinn: "Es wäre ja geradezu verhängnisvoll, älteren Menschen Tiere nur aufgrund des Alters vorzuenthalten", sagt Kruse.

Wichtig ist Selbstreflexion, egal in welchem Alter

Das Thema könne emotional werden, erzählt Michael Sperlich vom Tierheim Leipzig: "Wir hatten auch schon Anzeigen wegen angeblicher Altersdiskriminierung. Das ist dann für nichtig erklärt worden von den zuständigen Stellen. Aber das ist schon ein echtes Problem. Und das nimmt zu." Man müsse einfühlsam mit den Menschen sprechen, betont Sperlich. Denn die Interessenten würden den Tieren nicht schaden wollen, hätten aber oftmals eine gewisse Erwartung, ein bestimmtes Ziel.

Sperlich fordert eine ehrliche Selbstreflexion der Leute, die sich, ganz unabhängig vom Alter, ein Tier anschaffen möchten: "Das ist nicht immer angenehm, völlig klar. Aber es geht um die Tiere." Dass die vermittelten Tiere nach einem missglückten Versuch anschließend wieder im Tierheim landen, wolle und müsse man verhindern.

Denn in den Heimen haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fast täglich mit der Abgabe von Tieren überforderter Halter zu tun, und zwar altersunabhängig. Das Problem der vollen Tierheime könne nur durch gesetzliche Regeln zum Umgang mit Tieren gelöst werden, sagt Lea Schmitz vom Tierschutzbund. Zum Beispiel mit einem verpflichtenden Sachkundenachweis für Tierhalter.

Haustiere in Deutschland In deutschen Haushalten lebten im Jahr 2023 rund 34,3 Millionen Haustiere unterschiedlichster Arten. Im Vergleich zum Jahr 2007 wuchs die Haustierzahl unter deutschen Dächern um mehr als elf Millionen Tiere an. Katzen stellen mit rund 15,7 Millionen Tieren das beliebteste Haustier der Deutschen dar.

Quelle: Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands (ZZF) und Industrieverband Heimtierbedarf (IVH) e.V.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 25. Januar 2025 | 06:20 Uhr

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