Museumsbefragung So bemühen sich Museen um junge Besucher
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08. August 2024, 03:00 Uhr
Fast jedes Museum in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bietet Kunst- und Kulturangebote für Kinder und Jugendliche. Das zeigen die Ergebnisse der Museumsbefragung 2024 von MDR KULTUR. Dadurch leisten Museen einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Bildung. Die Angebote sind breit – zum Programm am Schloss Friedenstein in Gotha und der GfzK in Leipzig gehört zum Beispiel ein Ferienprogramm. Aber wie funktioniert eigentlich gute Kunstvermittlung für Kinder? Und wer soll noch teilhaben können?
- Viele Museen haben besondere Angebote, um Kinder anzusprechen.
- Kulturelle Bildung erfüllt auch eine gesellschaftliche Funktion.
- Neben Kindern und Jugendlichen profitieren auch andere Besucher von Bildungs- und Vermittlungsarbeit.
Das alte Vorurteil von staubigen Museen und gähnenden Kindern ist lange überholt. Viele Häuser stellen ein breites Programm auf die Beine, um junge Menschen für Kunst und Kultur zu begeistern. Das zeigen auch Recherchen von MDR KULTUR. Laut einer Umfrage unter den Kunstmuseen mit eigener Sammlung in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bieten 92 Prozent Kunstvermittlung für Kinder und Jugendliche an. Zwei Drittel sehen darin eine ihrer wichtigsten Aufgaben. Man kann sagen: Aus dem modernen Museumsbetrieb sind Angebote für junge Menschen kaum wegzudenken.
Kinder sind das Publikum von morgen
Was früher vielen als Museumspädagogik bekannt war, fällt heute unter den Begriff "Bildung und Vermittlung". Ziel davon ist es, Besuchern zu helfen, einen Zugang zu den Museumsinhalten zu entwickeln und sich mit den Themen auseinanderzusetzen.
Eine wichtige Zielgruppe dabei sind Kinder und Jugendliche. Sie zu erreichen sei essenziell, betont Britta Reimann, Leiterin der Abteilung für Vermittlung am Schloss Friedenstein in Gotha: "Wir sehen es als unsere Aufgabe, von der Geschichte über die Gegenwart bis zur Zukunft eine Brücke zu schlagen – Museum hat eine Zukunft nur mit diesen Leuten, die als Kinder jetzt zu uns kommen." Am Schloss Friedenstein passiert das zum Beispiel über jugendliche Kunstjurys, Sonderausstellungen oder ein Ferienprogramm. Darin werden Kinder an Ausstellungen und ihre Inhalte herangeführt, zum Beispiel an das Thema Nachhaltigkeit.
Museum hat eine Zukunft nur mit diesen Leuten, die jetzt als Kinder zu uns kommen.
Die Museumsbefragung von MDR KULTUR zeigt: Das Vermittlungsangebot in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt ist vielseitig. Es reicht von Führungen und Audioguides für Kinder bis hin zu Kunstpreisen für Jugendliche, wie am Schloss Friedenstein in Gotha.
Einige Häuser haben Werkstätten, in denen Besucher selbst kreativ werden können, zum Beispiel das Lindenau-Museum Altenburg, die Klassikstiftung Weimar oder das Bauhaus Dessau. Und auch außerhalb solcher Programmpunkte ermöglichen Museen die Teilhabe von jungen Menschen: Viele Häuser bieten günstigeren oder kostenfreien Eintritt für Kinder und Jugendliche. Andere hängen manche Kunstwerke tiefer, um sie auf Augenhöhe der jüngeren Gäste zu bringen, etwa die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.
Kultur und politische Bildung gehen Hand in Hand
Mit der Vermittlungsarbeit kommen Museen auch ihrem Bildungsauftrag nach. Einige Konzepte orientieren sich an schulischen Lehrplänen oder haben zum Ziel, Alltagskompetenzen zu vermitteln und gesellschaftliche Fragen zu diskutieren.
Demokratie ist ein wichtiges Thema, auch im Hinblick auf die Landtagswahlen.
Lena Seik, Leiterin der Abteilung "Kunstvermittlung" an der Galerie für Zeitgenössische Kunst (GfzK) in Leipzig, betont außerdem den Zusammenhang zwischen kultureller und politischer Bildung: "Ich sehe vor allem die Potenziale, dass Themen behandelt werden, die uns aktuell betreffen. Macht, Kapitalismus, Feminismus ...". Das geschehe oft unter Rückbezug auf die Besucher selbst, erklärt Seik, mit Hilfe von Fragestellungen wie "Was hat das mit mir zu tun?" oder "Wie wollen wir miteinander leben?".
Museum für alle
Doch Kinder und Jugendliche sind nicht die einzigen, die von Vermittlungsarbeit profitieren. Das Schlagwort in der Museumsarbeit dafür lautet: Museum für alle. Laut Britta Reimann vom Schloss Friedenstein ist die Arbeit mit Kindern eine wichtige Facette, aber: "Vermittlung ist das Ganze noch größer gedacht, es geht um alle Zielgruppen."
Ein wichtiger Punkt dabei ist Inklusion, also dass alle Menschen gleichberechtigt am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilhaben können. Museen sollen ihre Angebote für alle erlebbar machen, zum Beispiel auch für Menschen mit Behinderung. Dazu gehört unter anderem, räumliche Barrieren abzubauen.
Gleichzeitig muss der Zugang zu den Inhalten auch im übertragenen Sinn gewährleistet werden. Barbara Steiner, Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau, nennt einige Beispiele aus ihrem Haus: "Touren in einfacher Sprache, Gebärdendolmetscher-Filme, die einen durchs Haus führen (...), Objekte, wo man etwas erfühlen kann, für Menschen mit Seheinschränkungen." Claudia Meißner vom Länderverband für Museumspädagogik Ost (LVMPO) unterstrich bei MDR KULTUR, das Thema Inklusion habe sich in den vergangenen Jahren zu einem Schwerpunkt der Bildung und Vermittlung entwickelt.
Kulturelle Bildung stärken
Allgemein habe Bildung und Vermittlung in den zurückliegenden Jahren große Veränderungen durchlaufen. Auf die Bedürfnisse von Kindern werde immer mehr eingegangen. Auch insgesamt habe die Arbeit mit Besuchern an Bedeutung gewonnen. Um diese Entwicklung zu unterstützen, fordert der LVMPO mehr Wertschätzung für Vermittlung und eine Stärkung von kultureller Bildungsarbeit durch politische Entscheidungsträger.
Denn: Vermittlung sei eine Grundsäule der Museumsarbeit. Laut Meißner müssen junge Menschen früh für Kultur begeistert werden, damit sie Museen auch als Erwachsene besuchen: "Nur so kann das Museum als Institution auch für zukünftige Generationen relevant bleiben."
Hinweise zur Museumsbefragung 2024
MDR KULTUR hat in Zusammenarbeit mit MDRfragt, dem Meinungsbarometer für Mitteldeutschland, die 34 mittelgroßen und großen Kunst- und Kulturmuseen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, die eine eigene Kunstsammlung besitzen, befragt. 26 von ihnen haben an der Befragung teilgenommen. Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.
Die Umfrage unter der MDRfragt-Community fand vom 5. bis 12. Juli 2024 statt.
Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden. Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen.
Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ. Bei dieser Befragung haben sich 19.056 Menschen online mit ihrer Meinung eingebracht.
Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach wissenschaftlichen Kriterien anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen. Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland.
MDRfragt wird zudem wissenschaftlich beraten und begleitet, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests. Mehr zur Methodik von MDRfragt finden Sie unter dieser Erklärungsbox.
Quelle: MDR KULTUR (Annika Zegowitz)
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 08. August 2024 | 06:10 Uhr