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Drei Mädchen lehnen die Köpfer aneinander und halten dabei Papierpuppen von Anne Frank, Helga Goebbels und Albina Bakukha in den Händen. 4 min
Das soziotheatrale Projekt Thespis in Bautzen macht weiter – auch trotz unsicherer Zukunft. Grit Krause war bei der Aufführung "Viva Thespis" dabei und hat mit Mitarbeiterinnen gesprochen. Bildrechte: Veronika Gnitetska
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Nachdem dem soziotheatralen Projekt Thespis in Bautzen die Mittel vom Freistaat Sachsen gestrichen wurden, kämpft es nun weiter ums Überleben – und erhält Rückhalt vom Sächsischen Ausländerbeauftragten. Grit Krause.

MDR KULTUR - Das Radio Di 11.03.2025 17:40Uhr 04:18 min

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Nach Kürzungen Ausländerbeauftragter Mackenroth stellt sich hinter Bautzens Thespis Zentrum

11. März 2025, 19:00 Uhr

Das Thespis Zentrum in Bautzen bringt als soziotheatrales Projekt Menschen unterschiedlicher Kulturen zusammen – und wurde dafür im Januar mit dem Lessing-Preis ausgezeichnet. Trotzdem wird es nicht länger durch den Freistaat Sachsen finanziert. Seitdem ist die Zukunft des Thespis Zentrums ungewiss. Das Team arbeitet aktuell ehrenamtlich weiter. Rückendeckung bekommt es vom Sächsischen Ausländerbeauftragten, denn Geert Mackenroth hat sich mittlerweile hinter das Zentrum gestellt.

Der Sächsische Ausländerbeauftragte Geert Mackenroth hat sich für den Weiterbetrieb des Thespis Zentrums ausgesprochen. Mackenroth sagte im Gespräch mit dem MDR, das soziotheatrale Projekt am Deutsch-Sorbischen Volkstheater Bautzen sei ein idealer Ort, um sich zu begegnen und Vorurteile abzubauen.

Ein älterer Mann mit kritschem Blick, grauen Haaren, dunkler Brille und dunklem Anzug
Geert Mackenroth sieht im Thespis Zentrum eine wichtige Begenungsstätte – er würde sich seinen Erhalt wünschen. Bildrechte: picture alliance / dpa | Arno Burgi

Ich würde mich freuen, wenn die [Arbeit des Hauses] höheren Ortes und bei den Haushaltsverhandlungen gewürdigt wird.

Geert Mackenroth, Sächsischer Ausländerbeauftragter

Keine Fördermittel vom Freistaat Sachsen

Seit Jahresbeginn ist das Zentrum finanziell nicht abgesichert. Laut dem Leiter des Thespis Zentrums, Georg Genoux, wurden für das laufende Jahr keinerlei Fördermittel vom Freistaat Sachsen zugesagt. Gleichzeitig hat das Land ihm im Januar für seine Theaterarbeit vor Ort den Förderpreis des Lessing-Preises verliehen. Die Auszeichnung ist mit 7.500 Euro dotiert.

Für eine große Gruppe von Menschen sei das Thespis Zentrum die einzige Möglichkeit für eine kulturelle und soziale Teilhabe in Bautzen, hob Genoux im Gespräch mit dem MDR hervor.

Theaterregisseur, Leiter des Thespis-Zentrums Bautzen 6 min
Theaterregisseur, Leiter des Thespis-Zentrums Bautzen Bildrechte: MDR/Angelika Zapf

Thespis Zentrum arbeitet ehrenamtlich weiter

Aufgeben wollen die Mitarbeitenden am Thespis Zentrum aber nicht. Bis andere Förderungen gefunden seien, würde das Team ehrenamtlich weitermachen, sagte Georg Genoux MDR KULTUR. "Das heißt aber nicht, dass das endlos so geht." Man arbeite mit Hochdruck daran, Folgefinanzierungen zu finden. Bisher standen dem Thespis Zentrum 200.000 Euro Förderung aus einem Integrationsprogramm des Sozialministeriums zur Verfügung.

Wir arbeiten mit Hochdruck zusammen mit unserem Intendanten Lutz Hillmann daran, dass wir Folgefinanzierungen finden.

Georg Genoux Leiter des Thespis Zentrums

Immerhin: Vom Sächsischen Ausländerbeauftragten Geert Mackenroth kommt eine kleine Unterstützung, ebenso von der Amadeu Antonio Stiftung. Mit dem Vermieter der Räumlichkeiten konnte zudem eine Stundung der Miete vereinbart werden.

Theater bringt Geflüchtete und Einheimische zusammen

Das Bautzener Thespis Zentrum versucht mit Theater, Geflüchtete und Einheimische zusammenzubringen. Dafür wurde es 2020 mit dem Integrationspreis des Freistaates Sachsen ausgezeichnet.

Thespis-Leiter Georg Genoux betonte, dass durch das Zentrum Menschen in Kontakt kämen, die "wahrscheinlich sonst nie miteinander sprechen würden." Davon ausgehend hob er den Mehrwert für die Stadtgesellschaft hervor: "Durch diesen unmittelbaren Kontakt durch das Theater – Theater löst auch immer Empathie aus – kann man sehr viel erreichen für ein gutes Miteinander hier in Bautzen."

Kinder in Mützen und Schals sitzen auf Kisten auf der Bühne.
Szene aus "Die Reise ins Licht des Ozeans", ein Musical mit Kindern aus der Ukraine am Thespis Zentrum (2022) Bildrechte: Thespis-Zentrum Bautzen

Thespis Zentrum essenziell für Bautzen

Ein großer Teil der Theaterarbeit seien die persönlichen Lebensgeschichten der Teilnehmenden, erklärte Thespis-Leiter Georg Genoux. Durch die Arbeit könnten sie sich als Helden statt als Opfer ihrer eigenen Biografien sehen. "In einer Stadt, in der so eine Spaltung stattfindet zwischen Menschen, ist ja das Thespis das einzige Zentrum, was nicht polarisiert", so Genoux.

Wir können die Menschen nicht links liegen lassen. Das würde alles einreißen, was wir bis jetzt gemacht haben.

Lutz Hillmann Intendant des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters Bautzen

Es gebe eine Verpflichtung, sich mit den Geflüchteten, die sich im Projekt engagierten und sich zum Teil gut integriert hätten, weiter auseinanderzusetzen, erklärte auch der Intendant des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters, Lutz Hillmann: "Wir können die nicht links liegen lassen. Das wäre ganz verheerend. Das würde alles einreißen, was wir bis jetzt gemacht haben."

Er fügt hinzu: Es wäre gar nicht möglich, das Zentrum von einem Tag auf den anderen zu schließen. Zu viele Kinder und Jugendliche hätten dort ihren Anker. "Das würde einen solchen Schaden anrichten, der ist gar nicht mit Worten auszudrücken."

Thespis Zentrum Das Thespis Zentrum ist ein soziotheatrales Projekt des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters Bautzen. Es hat einen eigenen zweistöckigen Raum in der Goschwitzstraße im Zentrum von Bautzen. Dort werden seit 2018 interkulturelle Projekte mit Bautzener Bürgerinnen und Bürgern, Menschen mit Migrationsgeschichte, insbesondere Geflüchteten unternommen. Seit sechs Jahren gibt das Thespis ihnen einen Raum, um anzukommen, sich einzubringen oder auch sich abzulenken von oft schwerwiegenden Verlusten. Das Projekt wurde bisher von der Kulturstiftung des Freistaats Sachsen gefördert.

Zukunftspläne gehen weiter

Trotz der unsicheren finanziellen Lage hat das Thespis Zentrum Pläne für die Zukunft: Die Projektleitung wollte Georg Genoux in diesem Jahr eigentlich an drei Frauen abgeben, darunter Halimeh Ibrahim aus dem Libanon und Yana Humenna aus der Ukraine. "Eine Muslimin und eine Jüdin, das ist ja in der heutigen Zeit auch nicht selbstverständlich, dass Menschen auch aufgrund des Konflikts in Palästina so zusammenarbeiten. Dadurch wollten wir auch ein Zeichen setzen", so Genoux.

Außerdem soll ein begonnenes Projekt über Mobbing an Bautzener Schulen weitergeführt werden. Viele Kinder mit Migrationshintergrund hätten ihm schreckliche Geschichten erzählt, wie sie von Schülern, aber auch von Lehrern aufgrund ihrer Herkunft beleidigt worden seien, berichtet Genoux: "Dazu werden wir eine Rap-Oper inszenieren und Ende des Jahres auf die Bühne bringen – was auch immer geschieht."

Haushaltslage bedroht Theaterarbeit in Sachsen

Insgesamt stellen die unsichere Haushaltslage und geplante Sparmaßnahmen die Kulturlandschaft in Sachsen vor große Herausforderungen. Für den sächsischen Landes-Doppelhaushalt wurden bislang nur Eckpunkte festgelegt. Das hat auch für die Theater Konsequenzen.

Deutsch-Sorbisches Volkstheater, ein vielschichtiges modernes Gebäude mit weiße Wänden und vielen Glasfronten.
Das Deutsch-Sorbische Volkstheater in Bautzen ist eines von sechs Theatern, die sich in Sachsen wegen Geldmangels existenziell bedroht sehen. Bildrechte: imago/imagebroker

Auf Anfrage von MDR KULTUR teilt der sächsische Bühnenverein mit, dass sechs Theater derzeit vor dem finanziellen Aus stehen. Betroffen seien die Theater in Plauen-Zwickau, Freiberg-Döbeln, Annaberg-Buchholz, Bautzen, Görlitz-Zittau und das Theater Chemnitz.

Quelle: MDR KULTUR, MDR SACHSEN (Michael Bartsch), Thespis Zentrum
Redaktionelle Bearbeitung: lm, hro, gw

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 11. März 2025 | 17:40 Uhr

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